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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

Ihre allerliebste Sendung, mein Bester, führt mich aus dem bittern Winterschnee in das anmuthigste Paradies, meine Jugendträume seh ich schön und glücklich ausgelegt, reich verwirklicht und entfaltet. Ihrer Darstellung kann ich gern und willig folgen, wie mich schon einige Blicke in das Buch überzeugen. Ich bewundere dabey die Anhaltsamkeit in Betrachtung der Natur und den Fleiß in Bemerkung dessen, was andere geleistet haben. Daß Sie unseres guten innigen Verhältnisses in diesem Falle gedenken wollen, kann dasselbige nur noch mehr befestigen und beleben; lassen Sie mich oft von sich hören und Theil an Ihrer schönen Thätigkeit nehmen.

In dieser letzten Zeit erlebte ich denn auch, was mir zu großer Beruhigung dient, die Verwandtschaft des Erd-Magnetismus mit der galvanischen Erscheinung, die ich immer geglaubt, nunmehr den Sinnen dargestellt zu sehen, jetzt fehlt in der großen physischen Kette wohl kaum ein Glied mehr.

[32] Nehmen Sie die beyliegenden Hefte geneigt auf. Das Fragmentarische der Behandlung kann niemand besser beurtheilen und suppliren als Sie.

Wäre es möglich, daß in Ihrer Nähe sich jemand für die Darstellung der entoptischen Farben und überhaupt für meine Chroagenesie interessirte, so würde es für mich ein großer Gewinn seyn. Ich habe noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, auch in diesem Fache Geistesverwandte zu entdecken; nur freylich ist mein Weg, um in diese Region zu gelangen, von dem Herkömmlichen gar zu sehr verschieden, und ich konnte bemerken, daß selbst Männer, die dieser seitwärts abwichen, so daß ich wenig gewonnene Mitarbeiter lange erhalten konnte.

Meine Hefte indeß werd ich auf bisherige Art und Weise gar wohl fortsetzen, weil gränzenlose Papiere vor mir liegen, wo bald zu dem einen, bald zu dem andern Zwecke sich die Redactionslust wenden kann.

Herr von d'Alton hat mich durch ein beyfälliges Schreiben sehr aufgemuntert, ich hoffe und harre auf sein ofteologisches Heft. Gewiß wird es mir neue Lust und Leben in dieses Feld Hesekiels bringen.

Das botanische Manuscript habe sogleich mit großem Interesse zu lesen begonnen und stoße schon wieder auf die liebe Priorität; ich weiß noch einiges darüber zu sagen, was vielleicht einen und [33] den andern verkürzten Entdecker trösten und erfreuen mag.

Möge ich Ihnen und Ihren Freunden für alle Zeit bestens empfohlen seyn.

treulichst

Weimar den 3. December 1820.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CA0-9