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An Johann Gottfried Schadow

Ew. Wohlgebohren

gefällige Sendung ist, wie ich schon vorläufig gemeldet habe, zu seiner Zeit glücklich angelangt und ich verfehle nicht die dadurch verursachten Auslagen zu erstatten. Auch kommen die Zeichnungen wieder zurück, wegen welchen ich mich aber in einiger Verlegenheit befinde.

Bey der allegorischen Vorstellung wüßte nichts zu erinnern, sie ist in der Hauptsache die vorige und da das Bild einige Höhe hat, so sind die beiden Genien nicht zu mißbilligen. Hingegen die andere Vorstellung will mir aus mehr als einer Ursache nicht gefallen, denn

1) ist sie ganz historisch und sticht sie gegen das Poetische der ersten gar zu sehr ab.

2) Möcht ich den Helden nicht ganz so im Detriment sehen, wie er hier erscheint. Ihre erste Erfindung, wo er sich aufrafft, ist edler und ungleich besser, denn gegenwärtig wird man in einiger Entfernung nicht unterscheiden können, ob er todt oder lebendig sey.

[19] 3) Daß er wundersam gerettet worden, schreibt man billig einem Schutzgeiste zu, der auf der frühern Zeichnung sich schirmend über ihn biegt, wodurch eine sehr lobenswerte Gruppe entsteht! Daß dieser Schutzgeist in Wirklichkeit ein Herr von Nostiz gewesen, gehört der Geschichte an, die bildende Kunst darf sich aber damit nicht befassen.

4) Ist durchaus zweydeutig, ob der Uhlan, dem der junge Mann in den Zügel fällt, Freund oder Feind ist: das letztere vermuthet man bey'm ersten Anblick, das erste muß man sich sagen lassen.

So ist meine Meinung die ich diese Tage öfters überlegt habe, und nichts davon zu ändern müßte.

Zugegeben daß man Liebhabern und Bestellern etwas zu Willen seyn kann, so darf es doch nicht so weit gehen, daß der Künstler in einem so wichtigen Falle sich einem gegründeten Tadel aussetzen dürfte.

Nach meinem Votum also, welches freylich nur consultativ und nicht entscheidend ist, bliebe es bey der ersten wohlerfundenen und durch die Beugung des Schutzgeistes sehr glücklich verbesserten Vorstellung.

Übrigens wünsche Glück zu dem guten Fortgang. Möchten die Erfahrungen und Übungen, welche bey dieser wichtigen Arbeit gewonnen werden, künftige ähnliche Unternehmungen erleichtern und in Berlin der Erzguß wie der Eisenguß unter Ew. Wohlgeb. kunstreicher Anleitung zur Vollkommenheit gelangen.

[20] Für gefällige Besorgung der Medaille, mit welcher ich schon manchem Freunde Vergnügen gemacht, nochmals meinen herzlichsten Dank.

Möchte ich bald zu der vollzogenen Verbindung auch meine Glückwünsche aussprechen können

ergebenst

Weimar d. 12. März 1817.

J. W. v. Goethe.


N. S.

Noch muß ich hinzufügen, daß mir die eingesendeten Distichen keineswegs Beyfall ablocken können. Ferner gehörte, wie Ew. Wohlgeb. ganz recht bemerken, nur Eine tüchtige Zeile, Ein ächter Kernspruch auf eine solche Degenscheide. Aber auch das will mir nicht gefallen: denn dem Künstler entgeht dadurch der Raum sie plastisch zu verzieren. Bringe man die rechten Worte, die ich freylich nicht gleich zu finden weiß, auf die Tafeln, so bedarf es anderen Nebensprüchlein nicht. Und überhaupt, wie soll der Beschauer an die colossale Statue hinauf nach Buchstaben blinzen. Verzeih Ew. Wohlgeb. wenn ich etwas geradezu spreche, es liegt mir jetzo so vieles ob, daß ich nur fertig werde wenn ich in jedem Geschäft meine Meinung aufrichtig sage; euphemische Wendungen zu suchen verbietet mir die Kürze der Zeit und des Lebens

ergebenst

d. 12. März 1817.

Goethe. [21]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Johann Gottfried Schadow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CA5-0