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An August von Goethe

Zum 24. Juli.

Abends zum Ball aus dem Stegreife. Kleines Abendessen bis Mitternacht. Einige Herren sangen zur Guitarre muntere Lieder mit Chorus.


Freytag den 25. ejd.

Obenstehende Expeditionen gänzlich abgeschlossen und Rath Haagen übergeben. Bey der Gesellschaft. Der Großherzog kam nachher in meine Wohnung.

[150] Eversmanns Reise von Orenburg nach Bochara. Gespräch darüber. Stadelmann setzte das Einpacken fort. Serenissimus fuhren nach Königswart zur Herzogin von Württemberg. General Glitzky. Vor Tische bey der Familie. Kamen die Gäste; ich unterhielt mich mit Staats-Minister v. Bülow. Zu Hause gegessen. Das Einpacken fortsetzt. Auch Eversmanns Reise fortgelesen. Abends bey der Gesellschaft, kleine Spiele. Mit Minister v. Bülow wissenschaftlich-positiven Vortrag. Bald nach Hause.


Sonnabend den 26. ejd.

Das Jahr 1817 nochmals schematisirt und abgeschlossen. Gelesen Racine et Shakespeare; sodann Les hermites en prison, par E. Jouy et Jay, Paris 1823. Auf der Garten-Terasse. General Glitzky und Familie. Serenissimus waren nach Franzenbrunnen gefahren. Mittag für mich. Bey Graf St. Leu, den ich nicht antraf. Abends auf der Terrasse, wo ich mit v. Schack lange auf- und abging. Sodann zum Thee, Frau Gräfin Nostitz mit beiden Töchtern war gegenwärtig. Die Frauenzimmer tanzten nach dem Flügel, den Graf Klebelsberg schlug. Die französischen Hefte ausgelesen.


Sonntag den 27. ejd.

Meteorologische Beobachtungen von Tepl einigetragen in die Tabelle. Hefte von Pilsen. Die prosaische Übersetzung von Homer gelesen. Mittag für[151] mich. Suchte nach Tische den Grafen St. Leu, der indessen auf die Terasse, gekommen war. Mit mir auf's Zimmer; wir sprachen über die Nothwendigkeit des Reims in französischer Poesie, von der Möglichkeit, ihn abzuschaffen oder einzuschränken. Derselbe schickte mir nachher einige Hefte, worin ich las. Spazieren gefahren bis über'n Damm vom großen Teiche. Abends auf den Ball. Um 10 Uhr nach Hause. Einige Gedichte.


Montag den 28. ejd.

Die Hefte des Grafen St. Leu studirt. An der Ordnung der Mineralien des Wolfsbergs fortgefahren. Auf der Garten-Terrasse. Mittag für mich. Fortgesetzte Lectüre. Mit Rehbein an den Ferdinandsbrunnen. Serenissimus kamen ein Glas zu trinken. Auf der Terasse. Die gräflich Nostitzische Familie kam herab. Abends kleine Spiele und Tanz. Meteorologisches von Weimar.


Dienstag den 29 ejd.

Einiges aus dem Kalender abdictirt und selbst mundirt. Den Auszug der Kritik revidirt. Am Brunnen, gesprochen mit Grafen St. Leu, Grafen Nostitz und anderen mehr. Mittag, für mich. Regisseur Wolff und Maler Hensel von Berlin. Mit beiden spazieren gefahren nach dem Teiche von Kuttenplan. Abends bey der Gesellschaft. Nachts am Tische.


[152] Mittwoch den 30. ejd.

Wolff und Hensel; letzterer zeichnete. Graf Stroganoff; Minister Bülow später. Mittag Wolff und Hensel zu Tische. Die Fürstin Hohenzollern und Gräfin Loeben. Erbgroßherzog; v. Beulwitz. Abends auf den Ball. (Früh Serenissimo die Zeichnungen vorgewiesen, ingleichen der Familie.)


Donnerstag den 31. ejd.

Auszug der Kritik. Maler Hensel, vorher Wolff, über theatralische und eigene Angelegenheiten. Erinnerung voriger Jahre. Werthschätzung derselben. Fürstin Hohenzollern, Gräfin Loeben, zusehend Henkels Zeichnung. Auf der Terasse Herr Präsident v. Heydebreck, begleitete ihn in's Zimmer, wo wir seine kranke, von der Reise sehr angegriffene Frau fanden. Mittag bey mir; die beiden Berliner waren abgereist. Abends auf der Promenade bey'm Brunnen. Sodann auf der Terrasse mit Major v. Wartenberg. Später für mich. Einiges Naturwissenschaftliche bedacht. War nach Tische Piotrowsky da gewesen.


Freytag den 1. August.

Früh aufgestanden; in die Prommenade. Der Herzog und Prinz Gustav von Mecklenburg. Zu Hause einiges wenige an der Kritik. Mit den Schwestern spazieren gegen die Mühle. Zu dem Graf St. Leu. Bey Frau v. Struve vorgefragt. Dieselbe nebst [153] Tochter und v. Mannsbach auf der Allee gefunden. Herr v. Mannsbach war angekommen. Mittag zu Tische. Die Wolfsberger Suite immerfort eingepackt. Abends auf der Prommenade mit dem Grafen St. Leu viel auf- und abgegangen. Französisches Theather reihenweise durchgesprochen. Ingleichen Doctor Scheu wegen des Grafen Gesundheitszuständen. Herr v. Mannteufel ging nach Franzenbrunnen, seine Familie in den Stern zu holen. Abends auf der Terasse.


Sonnabend den 2. ejd.

Zu des Großherzogs Frühstück auf der Terasse; Versuch einiges zu arbeiten. Der schwarze Spiegel kam zurück. Sendung von Eckermann. Fortgesetztes Einpacken vulkanischer Vorkommenheiten. Frau Ober-Präsident v. Heydebreck. Abschrift des zweyten Gesangs der Ilias. Kurze Betrachtungen von Zauper. Mittag für mich. Nach Tische auf der Terrasse. Abends zu und von der Comödie. Frau v. Struve. Später im Freyen. Dann bey Tische.


Sonntag den 3. ejd.

Durch Zufälligkeiten aufgefordert zu Thätigkeiten. Manches Versäumte nachgeholt. Catalog der Wolfsbergs-Mineralien. Ein junger wackerer Studiosus Koren (wird ausgesprochen Korschen). Den zweyten Gesang der Ilias mundirt. Überlegung über Zaupers Brief. Mittag für mich. Nach Tische auf die Terrasse.

[154] Mit Hofrath Rehbein auf den Kuttenplaner Teich. Dreyfache Feyer des königlichen Geburstages. Differenzen deshalb. Staats-Minister v. Bülow. Geschichte der Aderlaß. Griechische Terminologie. Zurück. Spaß über den Tyrannen. Zum Thé dansant, wo mir viele ältere und neuere Badegäste bekannt wurden.


Montag den 4. ejd.

Briefe concipirt. Stadelmann war nach Sangerberg gefahren. In der Vorhalle gefrühstückt. Bey Baron v. Greiffenclau, Abschied zu nehmen. Die Dame kam noch herüber. Man blieb bis zur Tischzeit. Klarer und heißer Tag. Nach Tische Herr v. Piotrowsky. Erzählung der Tragödie Luidgarda. Alsdenn viel über bildende Kunst, Poesie und was er auf seinen vielen Reisen gesehen hat. Wegebauinspector Ritter von Prag, schöne Wawelliten bringend, die in seinem Bezirke vorkommen. Nachher auf der Terasse. Mit Serenissimo, der Familie und Oberpräsidenten Hydebreck; erst an den Ferdinandsbrunnen, dann ohne letztere nach dem Hammerhof. Drohende Gewitter hatten von allen Seiten den Horizont überzogen. Der obere Himmel war bey einbrechender Nacht wieder klar. Die Sterne und die Milchstraße zeigten sich hell. Um Mitternacht stand eine breite graue Nebelwolke im Mittag. Dann zogen Donnerwetter herauf von Westen und Süden. Es blitzte und regnete stark.


[155] Dienstag den 5. ejd.

Früh Berg-Dampf, der sich in die Luft verzog. Fortdauernde Tendenz des oberen Himmels zur Wasservereinung und Cirrusbildung. Erfindung gewisser Scenen. Nicht getrunken. Der Mann von funfzig Jahren. Abschriften fortgesetzt. Bey des Großherzogs Frühstück. Zum Grafen v. St. Leu, mit den Polinnen. Wieder herauf. Zu Grafen Mannteufel. Zur Familie. Die Kinder hatten einen großen Bergspaziergang gemacht. Der Großherzog fuhr nach Plan auf die Jagd. Mit General Schack, vor dem Hause mannichfaltiges Gespräch. Besonders über russische Verhältnisse. Fissel, Bankal-Inspector von Klattau; zu danken für die Freundlichkeit, die ich bisher für sein Kind gehabt hatte. Auf der Terasse. Mit Herrn und Frau v. Heydebreck gesprochen. Mit den Schwestern auf den Waldsitz. Über den Kreuzbrunnen nach Hause. Der Großherzog kam von der Jagd. Blieb bey der Gesellschaft und bey'm Abendtisch.

Den 25. Juli ist ein Brief mit Abschrift der Tagebücher, ingleichen zwey Schreiben, eins an die Frau Großherzogin, das andere an Zelter, an dich abgegangen, welcher am 31. bey dir noch nicht angekommen war, jetzt aber wohl in deinen Händen und besorgt seyn wird. Deine Sendung vom 31. hat mir Freude gemacht, und so folgt denn dagegen die Fortsetzung [156] des Tagebuchs, woraus meine Lebensweise zu ersehen ist. Ottilien hab ich überdieß noch die Festlichkeiten vom 3. August näher beschrieben.

Mehr wüßt ich kaum hinzuzusetzen; dem Großherzog bekommt das Bad sehr wohl, könnte er noch 14 Tage hier bleiben, so würde es höchst vortheilhaft seyn. Den 16. werdet ihr ihn in Weimar sehen.

Aus meiner Tagesgeschichte ist schon ersichtlich, daß es mir gut geht; ein leidliches Befinden nach meiner Art ist wenigstens niemals unterbrochen worden, und dieß muß man dankbar anerkennen. Bewegung, Zerstreuung und das gewohnte Wasser noch stärker und wirksamer haben den erwünschten Einfluß.

Ich denke Mitte Septembers wieder in Jena zu seyn, wo ich einige Tage mit dir zuzubringen und unsere öffentlichen und häuslichen Angelegenheiten zu besprechen wünsche. Richte dich ein, alsdann ungesäumt aufzubrechen, um deine vorgesetzte, Reise zu vollbringen; schreibe mir deine Gedanken; den Tag, wo du den Kutscher abzuschicken hast, bestimme nächstens, etwa den 13. dächte ich in Jena einzutreffen.

Lebe wohl, mein Bester, und erfreue dich des Umgangs mit dem Engländer; ich habe dir lange dergleichen gewünscht.

Und so möge noch manches Gute kommen und bleiben.

in Lieb und Treue

Marienbad den 6. August 1823.

G. [157]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CCF-3