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An den Herzog Carl August

Ew. Durchl.

letztes gnädiges Schreiben hat mich in besseren Zuständen angetroffen als das erste das auf Starckens Anrathen gebrauchte Tuch-Bad, das auf Reis Vorschlag genommene Eger-Wasser sind mir sehr wohl bekommen und wenn ich nicht mich und die Theilnehmenden abermals mit falschen Hoffnungen zu täuschen fürchtete; so würde ich mein jetziges Befinden gegen das vorige loben und erheben.

An Reil habe ich einen sehr bedeutenden Mann kennen lernen; er beobachtete meine Übel vierzehn Tage ohne ein Recept zu verschreiben, als etwa eins das er selbst für palliativ erklärte. Tröstlich kann es für mich seyn daß er gar keine Achtung vor meinen Gebrechen haben will und versichert das sich alles ohne großen medizinischen Aufwand wieder herstellen.

Indessen habe ich Galls Vorstellung mit großer Unbequemlichkeit abgewartet und mich doch sehr unterhalten und erbaut gefunden. Wahrscheinlich haben Ew. Durchl. ihn nunmehr selbst gesehen und gehört, beurtheilt und geschätzt.

Nun hoffe ich noch vor meiner Rückkehr einen[34] dritten bedeutenden Mann kennen zu lernen; denn ich gedencke, theils um mich an neuen Gegenständen zu erheitern, theils um zu sehen wie eine Weitere Fahrt mir zusagt, mich nach Helmstedt zu begeben und daselbst den wunderlichen Beyreis in seinem Hamsterneste kennen zu lernen Man hat soviel von ihm und seinen Besitzungen gehört daß es nicht erlaubt ist beyde nicht selbst gesehen, gekannt und geprüft zu haben. Vielleicht begleitet mich Geh. R. Wolf wodurch sich das Interesse der Betrachtung, so wie der Reise überhaupt ungemein erhöhen müßte.

Die Theurung nimmt, wie es vor der Erndte zu geschehen pflegt, eher zu als ab; wir aber nehmen mit unsern Theaterkünsten den Leuten dennoch mehr Geld ab als zu vermuthen war. Am meisten jedoch bewundre ich die Beharrlichkeit womit sie trotz regen und Sturm herbey kommen. Gestern besuchten mehrere hundert die Jungfrau von Orleans, aus Halle und weiter her zu Fuße wandernd. Sie hatten sich vom Herweg noch nicht getrocknet als der Rückweg sie schon wieder netzte.

Nicht so lustig ist die Betrachtung daß dieses Wetter die Erndt verspätet und unsicher macht, wozu übrigens die schönsten Aussichten sich zeigen. Alle Art von Frucht steht auf diesen trefflichen Ebenen zum allerschönsten.

Einer theatralischen Sonderbarkeit muß ich noch erwähnen die wir morgen zu geben gedencken. Es [35] ist nämlich die Glocke von Schiller, deren Guß vorgestellt werden soll, indem die begleitende Poesie an die Glieder der Gesellschaft ausgetheilt ist, wobey denn jeder etwas seinem Charackter so ziemlich gemäßes vorzutragen hat. Geh. R. Wolf von Halle hoffe ich auch bey dieser Gelegenheit hier zu sehen. Dadurch daß er für Preußen erhalten wird geschieht auch mir eine besondere Wohlthat. Ich kann doch hoffen ihn jährlich eine Zeitlang zu sehen und mich an seinem Wissen und seinem Charackter zu erbauen.

Indem ich dieses schreibe tritt Zelter von Berlin zu mir herein. Meine Freude diesen köstlichen Mann zu sehen und einige Tage zu besitzen ist sehr groß. Wenn die Tüchtigkeit sich aus der Welt verlöhre; so könnte man sie durch ihn wieder herstellen.

Bey Gelegenheit dieses unschätzbaren Musickmeisters wünsche zu dem entdeckten Talente des jungen Boineburgs Glück. Da die Verbreitung musicalischer Fertigkeiten zu allgemeinerem Genusse so schwer zu leisten ist; so bleibt es immer erfreulich wenn einzelne Menschen sich hie und da musterhaft im Stillen ausbilden.

Auch wünsche ich daß die durch Kirms angefangne Unterhandlungen mit dem bezeichneten Bassisten guten Fortgang haben mögen. Eine gute Stimme ist eine große Gabe des Himmels. Einige nothdürftige theatralische Bewegungen wird man ihm ja wohl auch einlernen können.

[36] Möge gegenwärtiges Blat Ew. Durchl. gesund und froh in Weimar finden. Möchten Sie meiner mit Gnade und Neigung bey Sich Selbst und den hohen Ihrigen gedencken! Bald hoffe ich, zwar nicht eben als ein in dem Jugendbrunnen gebadeter, doch leidlich wieder aufgefrischt mich darzustellen.

Lauchst. 10. Aug. 1805.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1805. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CD5-4