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An Ottilie von Goethe

Liebe Tochter,

mit freundlichstem Dank für deine lieben Zuschriften sende ich hiebey ein Glas für Ulriken mit den besten Grüßen; wenn sie daraus trinkt, soll sie meiner gedenken.

Es thut mir sehr leid, daß ich nicht in mobilen Zuständen seyd, sonst sähe ich es gern, wenn ihr mich besuchtet und Walthern mitbrächtet, der sich in einem fremden Garten auch wohl behagen würde. Indessen da es nicht seyn kann, so lasset euch zu Hause wohl seyn wie es nur immer gehen will. Von meinen Küchen-Angelegenheiten sag ich folgendes: Die Wirthin des Fürstenkellers hat sich entschlossen für mich zu kochen, und zu Anfange finde ich es recht leidlich.

Krebse schickt mir nicht mehr, die Reise scheint ihnen nicht ganz zu bekommen, aber mit Blumenkohle wäre mir gedient. Zum Frühstück aber wünschte ich wohl eine geräucherte Zunge, kalte Beefsteaks; auch sonstige Cotelettes, kleines Gebackenes, gehacktes Fleisch, oder wie man es nennen mag, könnte mir wohlgefallen.

Übrigens ist der Regen keines Menschen Freund, aber wohl der Thiere; denn das Gras wächst schön und die Biertrinker haben sich auch nicht zu beklagen, daß die Gerste nicht geräth. Ich fahre wenig spazieren, [62] weil es wirklich draußen nicht lockend ist. In kurzer Zeit macht sich das wohl anders und ich bin gern hier, weil meine Geschäfte gut gehen und immer etwas Unerwartetes und Neues hinzukommt.

Das Wunderlichste, das ich dir aber nicht verschweigen kann, [ist,] daß ich am Schluß meiner Reise unterwegs den Verräther sein selbst aus den lethäischen Fluthen hervor gehoben und, ohne zu wissen wie, bis an die Hälfte geschrieben habe; der Schluß wird sich wohl auch geben.

Da du eine Freundin bist von Poesien, frisch wie sie aus der Pfanne kommen, so sende dir ehestens ein paar Bogen noch ganz naß unter der Presse weg.

Das Beste treulich wünschend

Jena d. 12. Juny 1820.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Ottilie von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CDE-1