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An Carl Friedrich von Reinhard

Ihr lieber Brief, mein verehrter Freund, ward mir nach Carlsbad gebracht. Den an Herrn Boisserée habe ich sogleich wieder zurück an Bertuch geschickt, welcher ihn wohl zu besorgen nicht ermangeln wird.

Mit Herrn Sulpice selbst habe ich mich sehr wohl vertragen. Mit tüchtigen Menschen fährt man immer besser gegenwärtig als abwesend: denn sie kehren entfernt meistentheils die Seite hervor die uns entgegensteht; in der Nähe jedoch findet sich bald, inwiefern steht; in der Nähe jedoch findet sich bald, inwiefern man sich vereinigen kann. Ich habe in allen Dingen, die ihn interessiren, sehr gut begründet gefunden, und ich glaube ihn, was die Geschichte der Architektur und Malerey betrifft, auf dem rechten Wege; und sowie man Niemanden der für seine Stadt oder sein Vaterland wirken will, einen ausfließenden Patriotismus für diese verargen darf, so wenig konnte es mir zuwider seyn, einen jungen thätigen Mann vor allen andern Dingen sich mit der vaterländischen Kunst beschäftigen zu sehen. Ich gestehe gern, daß in seinem Umgang sich eine für mich schon verblichne Seite der Vergangenheit wieder auffrischt, daß ich manches durch ihn erfahren, und daß ich manches durch ihn erfahren, und daß ich manches durch ihn erfahren, und daß ich seine Behandlungsart gar wohl zu billigen Ursach habe. Überhaupt hat er bey uns, sowohl bey Hofe als in der Stadt, durch Zeichnungen [101] und durch seine Persönlichkeit sehr guten Eindruck gemacht. Daß er mir als ein natürlicher, gebildeter und einsichtiger Mensch sehr wohl gethan, brauch' ich kaum zu sagen; aber das will ich noch hinzufügen, daß er als Catholik mir sehr wohl gefallen hat; ja ich hätte gewünscht noch genauer einzusehen, wie gewisse Dinge bey ihm zusammenhangen. Haben Sie also Dank, daß Sie mir einen so hübschen Mann zugewiesen. Ich kann vermuthen, daß er Ihnen auch seinerseits von dem Aufenthalte in Weimar sprechen wird, und sie werden alsdann gar leicht übersehen, inwiefern die beyden Hälften an einander passen.

Was den andern Freund betrifft, so glaube ich nicht, daß er in jenem Falle die Sie zu befürchten scheinen, bey uns gut aufgehoben seyn möchte. Jene Zeitungsartikel sind nicht bis zu mir gekommen; ich glaube aber die Lage ziemlich zu begreifen. Was uns betrifft, so erkennen wir mit Bescheidenheit, daß man uns in manchen Stücken durch die Finger sieht und unsere kleine Localität für eine Art von Asylchen gelten läßt. Doch hüten wir uns eben deswegen, daß nichts zur Sprache komme. Wir haben neulich einen jungen Mann, der sich hier mit einer verwegenen Schrift, die ihn schon von Göttingen vertrieb, producirte, erst sachte nach Jena mit gutem Rath und Ermahnung, und als er daselbst nicht wanken und weichen wollte, zuletzt ungern polizeylich weiter gewiesen.

Ein freylich weit besseres, mit jenem nicht vergleichbares, [102] doch aber auch bedenkliches Subject, auch nur für einige Zeit zu beherbergen, würde aus mancherley Gründen nicht räthlich seyn. In diesem Falle würde ich lieber die Kaiserlichen Erblande vorschlagen, wo die Größe und die Menge der Fremden ein Individuum leicht verbirgt und verschlingt. Im Sommer sind die Bäder ein höchst erwünschter Aufenthalt. Von Westen her sind sie nicht besucht, meist nur von Osten und Norden. Darnach läßt sich auf die Gesellschaft schließen, welche man antrifft. Und für den Winter ist auch Rath zu schaffen; sowie denn auch die Wohlfeilheit, wenn man die Verhältnisse kennt, selbst in der jetzigen Zeit, nach dem famosen Patent, bey dem hohen Silberwerth noch immer zum Vortheil derer gereicht, die dieses Metall mitbringen, obgleich die Preise sich, dem Namen nach, durchaus verdoppelt und verdreyfacht haben. Dafür steht denn auch das Silber wie 100 zu 1000, und drüber. Ich bin überzeugt, daß ich in Pyrmont das Doppelte brauchen würde von dem was ich hier ausgebe.

So viel von dem was ich mittheilen läßt. Mögen und können Sie mir etwas Näheres eröffnen, so stehe ich dagegen mit Theilnahme und gutem Wille zu Diensten. Für dießmal leben Sie recht wohl! Ein Brief nach Carlsbad bey den drey Mohren findet mich oder folgt mir, wohin ich auch gehen möge.

Wohl zu leben wünscht

Carlsbad d. 8. Juni 1811.

G. [103]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CEA-5