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An Carl Friedrich Moritz PaulGraf von Brühl

Zum neuen Jahr haben Sie mir, theuerster Herr und Freund, ein ganz besonderes Vergnügen durch Ihre werthe Zuschrift verschafft, indem ich daran erkenne,[243] daß Sie noch, meiner in alter Freundlichkeit gedenkend, sich überzeugt halten, ich könne und wolle noch wie jederzeit Ihnen irgend etwas Dienstlich-Angenehmes erweisen. Da ich nun voraussetzen konnte, daß Sie nach Kenntniß Ihres Publicums es für schicklich und thunlich hielten, jene meine frühere belobende Darstellung Hans Sachsens und seiner Verdienste von Ihrem Theater herab vortragen zu lassen, so hab ich mir bezeichnetes Gedicht mit der größten Gemüthsruhe vorgetragen, wie es allenfalls von dem Beauftragten vor dem Publicum gesprochen werden könnte. Es dauerte diese Recitation etwa zwölf Minuten, welche man, da an dem Gedicht nichts verändert werden kann, demselben zu widmen hätte. Allein da das Gedicht die Beschreibung eines Gemähldes enthält, so wäre wohl an einige Einleitung zu denken, damit man nicht unverständlich durch unerwartetes Eintreten werden möge. Dazu kommt noch, daß die ersten Worte oft durch Geräusch und sonst unterbrochen und dem Ohr entwendet werden. Ich erbiete mich daher, eine kurze Einleitung in gleichem Sinn und Styl niederzuschreiben, worin Vorhaben und Absicht erklärt würden und zugleich der übrige Vortrag anschaulicher. Und so könnte das Ganze ohngefähr in einer Viertelstunde abgethan seyn, ein Zeitraum, während dessen die Aufmerksamkeit der Zuhörer wohl gefesselt würde. Sagen Sie mir hierüber Ihre durch Einsicht in die näheren Umstände [244] bestimmtere Meynung. Auch wünscht ich zu erfahren, wem Sie dieses artige Geschäft übertragen wollen; da mir die Eigenschaften des Berliner Theaterpersonals wenigstens im Allgemeinen bekannt sind, so war ich dadurch in den Stand gesetzt, einigermaßen gehöriger in die Ferne zu wirken.

Mich Ihnen, Ihrer theuren Frau Gemahlin und auch Ihrem lieben Sohne, dessen Bildniß uns noch oft an die schnell vorübergehende, höchst angenehme Gegenwart erinnert, bestens empfehlend.

Unwandelbar

treu angehörig

Weimar den 17. Januar 1828.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Carl Friedrich Moritz PaulGraf von Brühl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CEE-E