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An Johann Gottfried Herder

Ich sollte Euch allerlei Guts sagen, und ich kann nur sagen, daß ich in Venedig angekommen bin, Ein wenig intoleranter gegen das Sauleben dieser Nation als das vorigemal. Recht wunderbar ists, daß ich das Tagebuch meiner vorigen Reise mitzunehmen vergessen habe. Also meinen alten Pfaden nicht folgen kann und wieder von vorne anfangen muß. Das ist indessen auch gut. Von der Herzogin hör' und seh' [198] ich nichts. Ich habe mich eingerichtet, daß ichs abwarten kann. Ich will das Wassernest nun recht durchstören. Wie einfach und wie complicirt sind doch alle menschliche Dinge! Ich wohne am Rialto ohngefähr 20 Häuser näher als der Scudo di Francia, auf derselben Seite. Habe einen Wirth. wie Musäus war, und ich bin schon leidlich zu hause. meine Elegien sind wohl zu Ende; es ist gleichsam keine Spur dieser Ader mehr in mir. Dagegen bring' ich Euch ein Buch Epigrammen mit, die, hoff' ich, nach dem Leben schmecken sollen. Ich wollte mehr schreiben; die Post nicht zu versäumen, schließ ich. Lebt wohl.

Venedig. d. 3. April 90.

G.


Grüßt mir Augusten; er fehlt mir sehr. Hier sind tausend Sachen, die er genösse und an denen ich vorbeigehen muß. Grüßt ihn.

G.


Schreibt mir ja. Euer Brief findet mich bei S. Corrado Reck.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1790. An Johann Gottfried Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D3C-7