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An Charlotte von Stein

Knebel wird dir diesen Brief bringen und sagen wie es uns gegangen ist und wie es mir geht. Er wird von einem Donnerwetter erzählen daß nach Mitternacht über den Wald kam und mit einer fürchterlichen Gewalt um uns leuchtete schlug und prasselte, da es gegen Nordost zog dacht ich vielleicht weckt es auch meine liebe auf, an mich zu dencken.

[168] Ich sehne mich heimlich nach dir ohne es mir zu sagen, mein Geist wird kleinlich und hat an nichts Lust, einmal gewinnen Sorgen die Oberhand, einmal der Unmuth, und ein böser Genius misbraucht meiner Entfernung von euch, schildert mir die lästigste Seite meines Zustandes und räth mir mich mit der Flucht zu retten; bald aber fühl ich daß ein Blick, ein Wort von dir alle diese Nebel verscheuchen kan.

Lebe wohl meine Liebste die Tage die ich von dir entfernt seyn muß. Gar sehr verlang ich nach einem Briefe von dir.

Jeden Abend grüs ich das röthliche Gestirn des Mars, das über die Fichtenberge vor meinem Fenster aufgeht, es muß dir über meinem Garten stehn und bald seh ichs mit dir an einem Fenster. Gute Nacht meine beste, entfernt von seiner Liebe ist nicht zu leben.

Illmenau d. 8. Jul. 81.

G.


In sorglichen Augenblicken ängstigt mich dein Fus, und deiner Kinder Husten. Wir sind wohl verheurathet, das heist: durch ein Band verbunden wovon der Zettel aus Liebe und Freude, der Eintrag aus Kreuz Kummer und Elend besteht. Adieu grüse Steinen. Hilf mir glauben und hoffen.

[169]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D48-B