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An Johann Heinrich Meyer

Auch Sie, mein theuerster Freund, muß ich mit einigen Zeiten heimsuchen, und zwar von allen Dingen[127] erwähnen, daß die Abschrift der Kunstgeschichte schon bis zur Polycletischen Schule gefördert ist, und wir also bey unserer Rückkehr schon eine ganz hübsche Masse Manuscript mitbringen werden. Ihre schöne Arbeit habe ich bey dieser Gelegenheit wieder näher betrachtet und studirt, auch die in Carlsbad freundlich geförderten synchronistischen Tabellen zu großer Förderung gebraucht. Die Böttigerschen Andeutung habe ich zum ersten Male durchgelesen. Dieser Ehrenmann hat seine große Gabe, alles zu verfratzen, hier auch redlich an den Kunstwerken Griechenlands bewiesen.

Bey diesem Studium ist mir ein Gedanke gekommen, ob wir nicht ein Werk, wo nicht von Polyclet selbst, doch in seinem Sinne besitzen sollten, und zwar in der Gruppe, die jetzt in meiner Vorhalle steht, dem sonst sogenannten Castor und Polux. Hier wären die beyden meister- und musterhaften einzelnen Gegenbilder, der Diadumenos molliter juvenis und der Doryphorus, den Plinius viriliter puerum nennt, neben einander gestellt, und auf die glücklichste weise contrastirt und vereinigt. Diese beyden Epheben waren mir immer höchst angenehm und ich mag mir nun gern über sie dieses kritische Märchen machen.

Auf das Pompejus des Herrn von Einsiedel müssen wir Verzicht thun. Der Besitzer versichert, zwanzig Carolin dafür gegeben zu haben, glaubt ein ganz unschätzbares Werk darin zu besitzen, und hofft nach[128] künftigem Frieden auf einen Engländer, der ihm Capital und reichliche Interessen zahlen soll. Mehr nicht für dießmal als die herzlichsten Grüße. Mir geht alles hier nach Wunsch und ich denke, noch etwa 12 Tage hier zu bleiben.

Jena den 10. Nov. 1812.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D8C-2