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An Carl Cäsar von Leonhard

Ew. Hochwohlgeboren

will sogleich zum neuen Jahre in freundlich-treuster Erwiderung des geneigten Schreibens vom 1. Januar zu vermelden nicht verfehlen, daß die mir gegönnte Sendung von einigen bedeutenden Feuerproducten glücklich seiner Zeit angekommen, kein Dolerit aber dabey gefunden worden, weshalb ich bitte, mir zunächst ein zugesagtes instructives Stück geneigtest zu übersenden.

Ob ich mich nun gleich, auf mannichfaltige Weise nothgedrungen beschäftigt, gegen die liebwerthe Natur kaum augenblicklich hinwenden kann, so rieselt doch, althergebrachter Weise, aus nie versiegenden Quellen immer etwas Zufluß in mein Bassin. Von den mexikanischen Bergwerkszuständen ist mir durch die Gunst der niederrheinischen Societät eine nähere Kenntniß geworden. Meine auf die Zinnformation angelegte Sammlung hat sich angenehm vermehrt. Mein Sohn, dessen Liebhaberey auf Fossilien vorzüglich gerichtet ist, hat durch eine treue Ordnung nach Ihren früheren Lehrschriften sich selbst zu einer rationellen Ausstattung unserer längstbegonnenen Sammlung befähigt und verdient, daß Herr Graf Sternberg bey seinem letztem Aufenthalt das Capitel der unterirdischen Flora epochenweis' zu ordnen die Geneigtheit[237] haben konnte. Können Sie zu solchem Behuf uns auch manchmal etwas Merkwürdiges, entweder Neues oder sonst Unterrichtendes, zuweisen, so würde auch gern eine mäßige Summe darauf verwenden. Sollte z.B. nichts von den Öhninger Schiefern und den darin enthaltenen organischen Resten irgendwo käuflich zu erlangen seyn? Mich muß es um so mehr freuen, an meinem Sohne die Fortsetzung meiner Studien zu erleben, da, wie ich leider zu bekennen habe, in Weimar das Studium der Mineralogie nach und nach völlig verlischt und in Jena nur durch die leidenschaftliche Thätigkeit unsres guten Lenz noch aufrecht erhalten wird.

Lassen Sie mich hierbey bemerken, daß die Forderungen der Crystallographie und Chemie jüngere Männer abschreckt, die wohl einigen Zutritt zu diesem schönen Weltrevier erlangen mochten, aber freylich durch die übrigen strengen und eiligen Forderungen des Welt- und Geschäftslebens verhindert sind, jenen Mysterien mit anhaltendem Ernst und ununterbrochener Zeitverwendung sich zu widmen. (Ich füge hinzu: doch das wird sich gleichfalls geben, wenn diese wichtigen Grunderfordernisse der Wissenschaft nach und nach in's Einfache und Faßliche geleitet werden.)

Herr Soret brachte von seiner letzten Reise mir sehr angenehme Exemplare von der Gegend um Genf, auch aus Savoyen mit. Die Unterhaltung mit diesem [238] so werthen, wohlunterrichteten Manne über solche Gegenstände ist höchst erwünscht, und so oft wir uns zusammen finden, sind Ew. Hochwohlgeboren in Kraft Ihrer Werke jederzeit in unsrer Mitte.

Womit ich mich bestens auf jede Zeit, besonders aber wenn der Frühling die Felsarten zugänglicher macht, zum allerschönsten empfehle.

gehorsamst

Weimar den 12. Januar 1828.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Carl Cäsar von Leonhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D93-0