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An Johann Heinrich Meyer

Jena den 3. März 1796.

Die erste Hälfte des vergangenen Monats hab' ich in Theater und Carnevals-Anstalten zugebracht, in der zweyten ging ich hierher, und bin nun schon über 14 Tage hier. Außerdem daß mein Roman ziemlich vorruckt, so habe ich auch in dem Cellini ein gutes Stück hineinübersetzt, davon die erste Abtheilung in den April der Horen kommen wird.

Es geht mit der Übersetzung eines Buchs wie Sie von dem Copieren eines Gemäldes sagen, man lernt beyde, durch die Nachbildung erst recht kennen. Cellini, [37] mit seiner Kunst und mit seinem Lebenswandel, ist für uns ein trefflicher Standpunct, von dem man, in Absicht auf neue Kunst vorwärts und rückwärts sehen kann. So wie uns das Leben eines einzelnen Menschen zu einem zwar beschränkten aber desto lebhaften Mitgenossen vergangener Zeiten macht. Es ist außerordentlich hübsch, wie sein Werk über die Kunst und seine Lebensbeschreibung auf einander hinweisen.

Ich habe indessen zwey Briefe von Ihnen erhalten, Nr. 6 und 7. Bey dem letztern wünsche ich uns Glück daß Sie die Erlaubniß erhalten haben das alte Bild zu copiren.

Ihre neue Versicherung daß unsere Farbenstudien nachhaltig sind, und zum Schlüssel der alten Werke dienen werden, ist mir aufs neue tröstlich und erfreulich, und muntert mich auf, in dieser und andern Elementarlehren recht sorgfältig und fleißig zu seyn. So schwer es hält sich daran fest zu halten, und sich der Allgemeinheit zu überlassen, so vielen Nutzen findet man nachher wenn man einmal in die Anwendung kommt.

Ich bin überzeugt daß alles, was Sie arbeiten und schreiben den Schatz unserer geistigen Besitzungen vermehren wird, und wir renunciiren deswegen lieber zuerst auf Ihre Beyträge zu den Horen. Schiller ist durch verschiedne Mitarbeiter und Beyträge gedeckt, und der Cellini geht auch schon ein wenig in die Breite. Schiller grüßt schönstens und wird uns gewiß[38] immer wenn wir auch entfernt sind entgegen arbeiten.

Wenn ich so bedenke daß mir der große Weth der Kunstwerke jetzt doch nur wie in einer Art von Tradition erscheinet und alle Erinnerung dieser Art mehr oder weniger stumpf ist, so wird mir der Gedanke so angenehm als wunderbar: daß ich in Ihrer Gesellschaft wieder zum lebhaften Anschauen gelangen soll.

Wegen des Neapolitanischen Aufenthalts denke ich soll es gut gehen. Wie Sie schon an dem Grafen Münster einen gefälligen Mann gefunden haben, so bringt immer das gegenwärtige Leben mit sich, was zum gegenwärtigen Leben am besten taugt. Wenn ich wieder nach Weimar komme, so will ich alles, was von unserer Seite thulich ist, betreiben; Bertuch wird nun auch bald aus Franken zurückkehren, wo sein berühmtes Salzgeschäft sehr gut zu gehen scheint. Hier indessen ein Blättchen von der Herzogin Mutter.

Daß Sie durch genaue Beobachtungen des Sinnes, in welchem die Kunstwerke gemacht sind, die Art wie? und der Mittel wodurch sie gemacht sind? neue und sichre Quellen des Beschauens und der Erkenntnis eröffnen würden, war ich durch Ihre Versuche in Dresden und durch Ihr ganzes Leben und Wesen überzeugt. Wer in dem immerfort dauernden Streben begriffen ist die Sachen in sich und nicht, wie unsere lieben Landsleute, sich nur in den Sachen zu sehen, der muß immer vorwärts kommen, indem er seine[39] Kenntnißfähigkeit vermehrt und mehrere und bessere Dinge in sich aufnehmen kann. Daß wir uns gefunden haben ist eines von den glücklichsten Ereignissen meines Lebens, ich wünsche nur daß wir lange zusammen auf diesem Erdenrunde bleiben mögen, wie ich auch hoffe, daß Schiller ohngeachtet seiner anscheinenden Kränklichkeit mit uns ausdauern wird.

Die fixen Ideen, welche der gute Hirt schon so ein Dutzend Jahre nährt, mögen denn freylich etwas steif und trocken geworden seyn, Mannigfaltigkeit des eignen Geistes und Biegsamkeit gegen fremde Gegenstände sind niemals seine Eigenschaften gewesen.

Über folgende Puncte bitte ich gelegentlich um Antwort.

1) Haben Sie den Perseus in Florenz näher angesehen? und was ist davon zu halten?

2) Vielleicht, da es gewiß auch Sammlungen neuerer Münzen in Rom giebt, kommt Ihnen von Cellinischen Münzen etwas unter die Augen. Außer einigen größeren Stücken hat er auch die gewöhnlichen Münzen für Clemens VII meist geschnitten. Es sind auch Münzen von Herzog Alexander von Florenz von ihm da.

3) Könnten Sie mir nicht näher anzeigen, worinn die Versündigung unserer Landsleute gegen Raphael und andere Heiligthümer eigentlich bestehe, damit das heimliche Gericht aus ihre Bestrafung bey Zeiten denken könne.

[40] 4) Wo steht jetzt der porphyrne Sarg der ehemals vor der Rotonde gestanden hat?

Leben Sie recht wohl, nächstens etwas über das Parthenon und überhaupt über die Atheniensische Architektur, ich muß diesen Brief heute fortschicken, der sich ohnedies einge Posttage verspätet hat.

Jena den 9. März 1796.

G.


Viel Grüße aus dem Hause. Die Genoßen sind in diesem Augenblicke zum Besuche bey mir.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9DA1-0