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An Carl Friedrich Zelter

Du hast, mein Werthester, aus dem Abgrunde deines Tonvermögens schöne und gute Worte spendirt, daß ich sogleich die Pflicht fühle dir etwas Freundliches zu erwidern.

Du kennst Jena zu wenig als daß es dir etwas heißen sollte wenn ich sage: daß ich auf dem rechten Saalufer, unmittelbar an der Camsdorfer Brücke, über dem durch die Bogen gewaltsam strömenden, eisbelasteten Wasser, eine Zinne (vulgo Erker) in Besitz genommen habe, die schon seit so vielen Jahren mich, meine Freunde und Nachkommenschaft gereizt [54] hat daselbst zu wohnen, ohne daß nur Jemand sich die Mühe gegeben hätte die Treppe hinauf zu steigen. Hier verweile ich nun die schönsten Stunden des Tags, den Fluß, die Brücke, Kies, Anger und Gärten und sodann das liebe närrische Nest, dahinter Hügel und Berge und die famosesten Schluchten und Schlachthöhen vor mir. Sehe bey heiterm Himmel die Sonne täglich etwas später und weiter nordwärts untergehen, wornach meine Rückkehr zur Stadt regulirt wird.

In dieser, nahezu absoluten, Einsamkeit ist das dritte Heft von Kunst und Alterthum dem Druck zugefertigt. Das zweyte zur Morphologie bewegt sich auch. Die Darstellung der entoptischen Farben, in Zusammenhang mit meiner Farbenlehre, denke ich vor Ostern auch noch zu gewältigen. Sage das Freund Schultzen, wenn du ihn irgend wo habhaft wirst.

Dabey darf ich nicht vergessen daß wir die entschiedensten Anstalten haben Witterung zu beobachten, wobey ich an meiner Seite die Wolkenformen und Himmelsfarben mit Wort und Bild einzuweben suche.

Da das nun aber alles, außer Windesbraut und Wasserrauschen, vollkommen tonlos abläuft, so bedarf es wirklich einiger innern Harmonie um das Ohr aufrecht zu erhalten, welches blos möglich ist im Glauben an dich und was du thust und schätzest. Daher nur einige Stoßgebete, als Zweige meines [55] Paradieses! Magst du sie mit deinem heißen Elemente infundiren, so schlürft man's wohl mit Behagen und die Heiden werden gesund.

Apocalypse am letzten! Vers 2.

Einen Spaß den ich dir meldete hast du nicht verstanden. Jenem Componisten nannte man einige seiner Werke und fragte ihn welches er für das beste hielte. Er antwortete Il matrimonio secreto, die Composition von Paesiello meinend. Dadurch wird die Antwort geistreich, artig, wie ich dir nicht zu entwickeln brauche.

Dem böhmischen Freunde will ich also freundlich antworten. Rath und That muß freylich jeder bey sich selber suchen.

Da ich so manches Liebe von deiner eignen Hand empfange und dagegen wenig erwidere, so sende ich dir ein uralt Blättchen, das ich nicht verbrennen konnte, als ich alle Papiere, auf Neapel und Sicilien bezüglich, dem Feuer widmete. Es ist ein so hübsches Wort auf dem Wendepunct des ganzen Abentheuers, und giebt einen Dämmerschein rückwärts und vorwärts. Ich gönne es dir! Bewahre es fromm. Was man doch artig ist wenn wir jung sind!

und sofort und ewig

Jena den 16. Februar 1818.

Goethe. [56]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9DC4-2