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An Friedrich Heinrich Jacobi

Von deiner Rede hatte ich schon in Carlsbad gehört und mir sie zu lesen gewünscht. Desto erfreulicher war es, durch deine Sorgfalt sie bey meiner Rückkunst in Weimar zu finden.

Wir sind dir alle, besonders aber wir andern in den besorgten protestantischen Ländern, großen Dank schuldig, daß du diese wichtigen Angelegenheiten so tüchtig und mächtig zur Sprache brachtest und dich zu der Großmeisterstelle deines academischen Ordens durch einen Kampf mit den schlimmsten Ungeheuer legitimiren wolltest.

Soll ich nun, wie es sich unter uns ziemt, über die Ausführung meine Gedanken sagen; so ist dir der Anfang weniger geglückt als die Folge und das Ende. Im Streite gegen die Philister und Nützlichkeitsforderer bist du zu bitter und mitunter ungerechnet. Aus Leidenschaft verwickelst du dich in Tropen und Gleichnisse, die nicht deutlich werden, ob wir andern gleich, die deines Sinnes sind, alles recht gut verstehen und dir beystimmen. Freylich kann ich begreifen, daß dir dieses Geschlecht den Kopf sehr warm [409] machen muß. Leid' ich doch als Poet und Künstler schon so lange Zeit von ihnen. Sie find aber Legion, und man muß sie gewähren lassen, allenfalls nur sie hänseln, wie ichs von Zeit zu Zeit auch gethan habe. Würdest du dich wohl über Kinder ärgern, die lieber in einem Kirschgarten herumnaschen, wo ihnen die Beeren ins Maul hängen, als in einem jungen Fichtendickicht spazieren, das erst in hundert Jahren Enkeln und Urenkeln Vortheil und Freude bringen soll?

Desto vollkommner ist dir, wie mich dünkt, alles übrige, ja der Hauptsieg gelungen, und man darf wohl sagen, daß du dich aufs vortreffliche gehalten hast. Dieses dein Heft, und der sonderbare Artikel im Mercure de France vom 15. August können und wieder einigermaßen über unsre Zukunft beruhigen. Führe nun fort, was du so glücklich angefangen hast. Gebe dir der Himmel leidliche Gesundheit und langes Leben, und dein Vorgesetztes recht zu gründen und auszuführen.

Von dem, was ich thue, ist nicht gut reden. Ich spinne meine alten Fäden langmüthig fort und hie und da wird ein neuer angeknüpft. Schenke dem, was etwa öffentlich davon erscheint, deine Aufmerksamkeit.

Viele Grüße von mir und den Meinigen an dich und deine Schwestern. Sende mir doch von Zeit zu Zeit etwas mittheilbares aus deinen Acten. Lebe wohl und liebe mich wie von jeher.

Weimar den 16. September 1807.

Goethe. [410]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E40-4