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An Johann Heinrich Meyer

Zuvörderst muß ich Ihnen, mein Theuerster, mit einigem Triumph die Nachricht geben, daß ich, für mancherley Leiden und Gebrechen, genugsam entschädigt worden, daß ich die Grundphänome der entoptischen Farben endlich entdeckt, nachdem sie mich auf meinem, wie ich wohl wußte, recht eingeschlagenen Wege zehen Wochen lästerlich geäfft hatten. Weil man immer nur durch ein Gegebenes zu solchen Dingen herankommt, so schleppt man auf eine unbehülfliche Weise die alten Schalen und Häute mit, da ein guter Erfolg blos darauf ankommt, daß man sie abwirft.

Zelter hat auch schon geschrieben, ganz entschieden gegen die Nazarener. Wir wollen aufmerken, wieweit ein jeder herausgeht, der sich zu unserer Partei schlägt, es sind gewiß Legion, aber kleine Reservationen für Freunde und Sippen werden immer vorkommen, wogegen wir nachsichtig zu seyn alle Ursache haben, die Hauptwirkung wird groß und tüchtig bleiben: denn alle Welt ist dieser Kinder-Päpsteley satt, rein wollen [123] wir uns erhalten, und es hängt von uns ab, immer derber heraus zu gehen. Denken Sie der Sache nach, wie ich auch thue. Vom dritten Rhein- und Mayn-Heft sind schon zwey bis drey Bogen gedruckt. Ruckstuhl ist eingeführt, ich habe mancherley, und, wenn Sie einstimmen, können wir die letzten Bogen zur Höllenmaschine laden.

Welker, der verwelkte Böttcher, wird schlecht weg kommen, er hat in seiner Sappho eine Eseley gegen mich ausgehen lassen, die ihm soll theuer zu stehn kommen, wenn ich den Humor behalte. Denken Sie auch nach was alles wir zunächst thun sollen, um die Herzensergießung der weimarischen Kunstfreunde recht im vollen Maaße hervorströmen zu lassen. Es muß nun Schlag auf Schlag gehen, ich zünde auch im naturwissenschaftlichen Fache das Kriegesfeuer an allen Orten und Enden an.

Die allerliebste Hoheit sagte mir neulich daß sie auch dieses Jahr wünschte etwas für unsere Anstalt zu thun. Da wir immer bedürftig sind, verhältnißmäßig zu unsern Zwecken, so lege den Titel eines Buches bey, das wir schon lange gern besäßen, das uns zur vergleichenden Anatomie unentbehrlich ist, aber wegen der Theurung und sonstigen literarischen und ökonomischen Wunderlichkeiten nicht anzuschaffen war. Erhalten wir dieses Werk aus so verehrter Hand, so ziehen wir daraus den erwünschten Nutzen, lassen die Verkleinerer schwatzen was sie wollen.

[124] Knebel der noch immer, nach alter herkömmlicher Weise, in's Blaue hinein Künstler beschützen möchte ohne sie bilden zu können, nimmt sich eines genannten Voigt an, ich hörte auch, wenn ich nicht irre, Guts von ihm durch Sie, und er hat das entschiedenste Vertrauen zu Ihnen behalten. Das ist nun gerade nicht abzulehnen, weil man aber, in diesen seit Lustren wohlbekannten Constitutionen und Propagationen nur am Ende selbst compromittirt wird, so wollte ich Sie nun hievon avertiren, daß, wenn der junge Mensch einmal nach Weimar gelaufen kommt, Sie doch wenigstens einige Notiz von dem Zustand haben.

Durch ganz eigentlichen Zufall bin ich im botanischen Garten wohnhaft. Es kann seyn daß ich mich in dem Bischoffischen Quartier mit den entoptischen Farben und andern hypochondrischen Räthseln noch länger gequält hätte; hier tritt manches Freundliche hervor. Der fürstlichen Kinder Zustand und Unterricht verfolge gewissenhaft in der Stille. Was nach ein paar Monaten zur Evidenz kommen kann wird gewiß erfreulich seyn, mir wenigstens, da sich ergeben wird daß etwas geschah was auf die Folge nützlich und wirksam ist.

Nun leben Sie recht wohl, ich sehe Sie in diesen Tagen.

Jena den 7. Juny 1817.

G. [125]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E4E-8