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An Friedrich Constantin von Stein

[15. März.]

Ich habe nunmehr deine zwei Briefe erhalten und freue mich zu hören, daß es dir auf deinen Wegen glückt. Die vielen neuen Gegenstände und Verhältnisse, welche du siehst, vermehren deine Kenntnisse, sichern deine Urtheile und werden deiner Thätigkeit die zweckmäßigste Richtung geben. Auf [47] eine Beschreibung, wie es in Warschau gegangen, bin ich äußerst neugierig. Indem ich dir aber dieses Glück gönne, so ist es mir von der andern Seite doch betrübt, daß unser anderer Plan dadurch wahrscheinlich gehindert werden wird. Denn wenn ich dieses Jahr noch meine Reise antreten sollte, so könnte ich dir nicht rathen, jene Gegenden, in die du jetzo eingeführt bist, zu verlassen. Was man unterbricht, kann man so leicht nicht wieder anknüpfen, und in einer so bedeutenden Schule, als die ist, in der du dich befindest, gewinnt man durch Zeit und Folge am meisten. Auch würde der Herzog nicht gern sehen, wenn du deinen Gang unterbrächst. Ich verliere dabei sehr viel: denn ba ich schon in früherer Zeit so gern und mit so vielem Nutzen durch dein Organ sah, so würde es mir jetzt auf alle Weise wünschenswerther sein, da du gebildet und in Vergleichung der Dinge durch viele Kenntnisse geübt bist, ich hingegen älter und einseitiger werde, und also bei mancherlei Gegenständen das Interesse bei mir nicht so lebhaft sein kann, als es bei dir sein würde. Indessen da ich selbst noch nicht ganz feste entschlossen bin, so wollen wir noch einige Monate hingehen lassen und sehen, was die Zeit allenfalls bringt.

Was die Mineralien betrifft, von denen dein zweiter Brief meldet, so bin ich nur allenfalls im Stand, dir mit einem Stücke Jungstein zu dienen, das ich diesen Sommer aus Carlsbad mitgebracht [48] habe und das deßhalb interessant ist, weil das Mineral mit einem Quarzkristall verwachsen ist. Ich gebe diese Doublette selbst nicht gern heraus. Wegen des krystallisirten Specksteins will ich aufstellen; ich habe selbst nur ein einziges Stück, das so schön ist, da ich mich nicht davon trennen kann.

Wo dich auch dieser Brief antrifft, wünsche ich, daß er dich bei guter Gesundheit treffe. Antworte mir bald, damit ich wisse, wie du dich befindest.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Friedrich Constantin von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E60-9