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An Sulpiz Boisserée

Ihr freundliches Schreiben vom 13. März befördert die in Stocken gerathene Sendung. Mit der fahrenden Post geht in diesen Tagen ab:

1) Hauptzeichnung der drey Könige von Hemmling.

2) Albrecht Dürers Grablegung.

3) Kreuzigung, Mabuse.

4) Veronica, Durchzeichnung.

5) St. Johannes Abschied, Durchzeichnung.

Weil alles ohnehin reinlich auf einander reinlich auf einander paßt, so habe ich kein Zwischenpapier gelegt, da solches oft ein ungleiches Rollen verursacht.

[203] Die kleinern Durchzeichnungen folgen auch auf einer besondern Rolle.

Noch vor der Absendung habe ich mich mit Freunden daran geletzt und Ihnen zum Besitz der Originale doppelt und dreyfach Glück gewünscht.

Sollten Sie Gelegenheit finden mir kleinere Gruppen aus Ihren Bildern zeichnen zu lassen, die in meine bescheidene Sammlung paßten; so würde ich solche mit Dank erkennen, z.B. die Gruppe der Rückkehr der drey Könige, die Bildchen unter der Kreuzigung von Mabuse pp.

Wie schön wäre es wenn diese Männer bey ihren großen Talenten auch in Kupfer gestochen hätten, wie es Lucas von Leyden zu thun gefiel, so könnte jedermann nach soviel hundert Jahren gerade vor sie treten und sich von ihren Verdienst überzeugen.

Habe ich Ihnen nicht schon gesagt, daß mir ein uralter Wunsch erfüllt worden: einen ganz vortrefflichen Abdruck vom Tod der Maria von Martin Schön zu erlangen? Wie an Ihren unversehrten Bildern von Hemmling pp., so auch an einem echten Abdruck der älteren Kupferstecher lernt man erst das gränzenlose Verdienst der charakteristischen Deutlichkeit und Ausführung dieser Meister kennen.

Die Behandlung bey'm Bearbeiten der alten Übersetzung des Manuscripts der heiligen drey Könige billige ich vollkommen; es gehört Geschmack und Sinn dazu um dergleichen ohne Pedanterey und Neologie[204] wieder an den Tag zu bringen. – Ich sende zu diesem Zweck mein Original, mit der inständigen Bitte: die größte Sorgfalt dafür zu hegen; es hat für mich einen gar vielfachen Werth.

Da ich diesen Winter in entschiedenster Einsamkeit lebe und nur mit wenigen Freunden conferire; so ist mir höchst angenehm, wenn das von uns ausgeht auch Ihnen Freude und Belebung bringt. Ist Ihnen Don Juan von Byron schon begegnet? Dieses Gedicht ist verrückter und grandioser als seine übrigen. Immer dieselben Gegenstände, aber mit höchstem Talent und Meisterschaft behandelt. Wäre er ein Mahler, so würde man seine Bilder mit Gold aufwiegen. Jetzt gehören seine Bände jedermann und da kommt nun allzu deutlich zum Vorschein was Sie so treffend aussprechen. Und wie er durch ewige Wiederholung unsern Antheil ermüdet, so ermüdet er zuletzt auch die Bewunderung.

Die Medaillen, von denen Sie mir schreiben, will ich mir zu verschaffen suchen. Aus Wiesbaden verschafft mir die eine wohl der wunderliche, mir nicht ganz erklärliche Dorow. Er hat mir einen Schwefelabguß eines persischen cylindrischen Talismans gesendet, den er auch in seinen morgenländischen Alterthümer abgebildet und commentirt hat. Wenn man jene Zeit und Weise gelten läßt, so muß man auch dieses Werk in's Besondere für bedeutend und fürtrefflich halten. Das Lobenswürdige daran erscheint [205] freylich nicht in der Nachbildung, wo für lauter Detail gar nichts zur Anschauung kommt.

Wo ich mich mit unsrem vortrefflichen Dannecker, den Sie bestens grüßen werden, diesen Sommer zusammenfinde, müssen wir den Gestirnen überlassen. Ich will vor allen Dingen suchen von Carlsbad zurückzukehren, alsdann wird sich ja wohl das Weitere ergeben.

Mit der Rolle das Mehrere.

treulichst

Weimar den 23. März 1820.

Goethe.


Fortsetzung.


Daß Sie die Surrogate ablehnen, kann ich nicht schelten, wir wollen also die Originale zu erhalten suchen.

Sie haben indeß eine größere Expedition vor, wozu ich alles Glück wünsche und gar nicht läugne, daß Ihre Pilotenthätigkeit und Aufmerksamkeit mir sehr respectabel sey. Die Complication Ihrer Zustände erfordert eine rühige Consequenz die man kaum immer von sich fordern kann.

Nach Ihrem Domwerk sehne ich mich recht sehr; denn in so fern ich sagen kann, daß ich dieß unschätzbare Gebäude zu ehren weiß, erscheint mir doch alles übrige dieser Art nur als ein allenfalls löbliches Nachbild.

[206] Möge sich Ihre Gesundheit zur vorhabenden Reise und auf derselben befestigen und stärken; eh ich von hier abgehe, hören Sie von mir und ich wohl von Ihnen.

Weimar den 23. März 1820.

G.


Meine Hauptsendung wird ganz unvermuthet auf gehalten; ich mußte wohlgenähte Wachstuch-Rolle wieder aufschneiden, da gerade erst in diesen Tagen die Notitz von den schätzbaren Zeichnungen durch einen Umweg gelangt und ich also veranlaßt werde sie auch hier vorzuzeigen. Deshalb folgt die kleinere Rolle zuerst, die größere folgt bald nach.

Mit den besten Wünschen und Grüßen

Weimar den 26. März 1820.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E61-7