9/2922.

An Georg Christoph Lichtenberg

[Concept.]

[Ende Juni.]

Wohlgeborner!
Insonders hochgeehrtester Herr!

Ew. Wohlgeb. Schreiben, welches mich Ihrer Theilnahme an meinen Arbeiten versichert, hat mich sehr aufgemuntert und was hätte mir angenehmer seyn können als zu hören, daß die von mir vorgetragenen Versuche sich an Ihre vieljährige Beobachtungen anschließen und daß der kleine Apparat Ihnen nicht ganz unnütz geschienen hat.

Ich darf nun erst Sie ersuchen, daß Sie mir von Zeit zu Zeit einige Winke geben mögen, die mich auf meiner Bahn leiten und aufmuntern, da ich von Ihnen die Erklärung habe, daß Sie geneigt sind diese Materie nochmals von Grund aus und gleichsam von vorne durchgearbeitet zu sehen, und an denen Bemühungen die dazu nöthig sind einen Antheil zu nehmen, welcher die Untersuchung befördern und beschleunigen muß. Wie leid war es mir, daß ich bey dieser Gelegenheit von Ihnen selbst erfuhr, daß körperliche Übel die Geschäftigkeit Ihres Geistes stören und hindern. Möchten Sie bey Ihrem ländlichen Aufenthalt neue Kräfte gesammelt haben!

Von Zeit zu Zeit werde ich mir die Freyheit nehmen von meinen Fortschritten Nachricht zu [314] geben. Das dritte Stück meiner Beyträge, welches ich eben auszuarbeiten beschäftigt bin, wird die Versuche enthalten, durch welche alle Arten von farbigen Schatten hervorzubringen sind.

In der Beylage finden Ew. Wohlgeb. einen Versuch beschrieben, von dem ich nicht weiß ob er bekannt ist, vielmehr scheint mir aus Priesleys Geschichte der Optik pag 267 der deutschen Übersetzung: daß die Bologneser Akademischer bey einem ähnlichen Versuche auf andere Resultate gekommen sind. Dürft ich Ew. Wohlgeb. ersuchen mir den 6. Theil der Bologneser Commentarien welche sich auf der akademischen Bibliothek gewiß befinden werden, auf kurze Zeit zu übersenden, und was Ihnen etwa sonst hierüber bekannt seyn möchte mir gelegentlich gefällig mitzutheilen.

Es scheint mir dieser Versuch von großer Wichtigkeit, ich habe auch schon angefangen so viel als möglich ihn zu vermannichfaltigen, besonders werde ich sobald uns die Sonne wieder scheint, die beynahe seit ein paar Monaten den optischen Versuchen sehr ungünstig ist, die bekannten Körper, welche das Licht an sich ziehen und eine Zeitlang behalten, untersuchen und sehen, ob es nicht möglich wäre einen Körper zu finden, der von dem gelbrothen Lichte wie der Bologneser vom blaurothen die Kraft zu leuchten annähme. Der Cantonische Phosphor nimmt, so viel ich bis jetzt habe bemerken können, von keinem von beyden einigen Schein an.

[315] Ich nehme mir die Freyheit einen gläsernen Keil beyzulegen, wenn allenfalls Ew. Wohlgeb. einen solchen nicht besitzen sollten; wär' er von Flintglas so würde freylich die Erscheinung viel reiner und erfreulicher seyn. Leider lassen unsere Glasfabriken den Beobachter fast ganz ohne Hülfe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1792. An Georg Christoph Lichtenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E9E-1