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An Carl Friedrich Zelter

Der Fall, mein werthester Herr Zelter, wegen dessen Sie sich an mich wenden, ist gewöhnlich, aber bedenklich. Der Mensch löst sich freylich gar zu geschwind von denen los, denen er noch manchen Rath und Beystand verdanken könnte, doch diese Unart dient zu seinem Glück, wenn er sich dereinst selbst helfen muß und jeden Rath und Beystand entbehrt. Die Schwierigkeit bleibt immer, bey Jungen und Alten, daß derjenige, der sein eigner Herr seyn will, sich auch selbst zu beherrschen wisse, und dieser Punct wird in der Erziehung, aus mehr als Einer Ursache, verabsäumt. Die Weise, wie ich darüber denke, benimmt mir alle Hoffnung an ein schriftliches Wirken gegen Entfernte und gewissermaßen Fremde. In der Gegenwart läßt sich manches leisten; aber nur durch stetige Behandlung.

Das zurückgezogene Wesen des jungen Steffany kenne ich auch an ihm und andern jungen Leuten. Jeder gebildete Mann benimmt ihnen gleich völlig alle Freyheit, und sie mögen sich nicht gerne da befinden, wo sie sich zu weit zurück, ja vielleicht gar in einem Gegensatz fühlen.

Wie gern möchte ich mit Ihnen eine solche Materie durchsprechen, die, weil sie sich an alles anschließt, schriftlich so schwer zu behandeln ist.

[127] Noch habe ich nicht alle Hoffnung verloren, Sie diesen Winter bey uns zu sehen. Prof. Meyer heyrathet und ist ausgezogen. Sie finden deshalb ein leidlicher Quartier.

Voß hat, wie Sie wohl wissen, Eutin verlassen und sich in Jena angekauft. Er wünscht sehnlich, mit uns andern, Sie wieder zu sehen.

Wenn ich gegenwärtig von kleinen Gedichten nichts schicke, so verzeihen Sie. Ich bin eben im Begriff eine Partie derselben durchzuarbeiten und mag sie gern zusammenhalten, bis ich an jedem in seiner Art nichts weiter thun kann.

Wenn Sie Ihren Sohn in die Welt schicken; so lassen Sie ihn bey mir vorbey gehen. Haben Sie die Güte sich des jungen Steffanys ferner anzunehmen und besuchen uns sobald es möglich ist.

Weimar am 3. Nov. 1802.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9EB6-9