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An den Herzog Carl August

Ihr Brief den ich erst gestern zu hause gefunden habe, war mir sehr erfreulich, ich sah daraus daß Sie Sich auf dem Gipfel menschlicher Dinge, von Liebe und Freundschafft begleitet, in Betrachtung des fürtrefflichen ergötzen.

Ich habe indess als moralischer Leibartzt einen verworrnen Handel zwar leider nicht ans Ende (denn wenig menschliche Dinge endigen sich, ausser durch den allgemein Schluss) doch biß zur Entwicklung führen helfen.

Eine alte Kranckheit zerrüttet die Einsiedlische Famielie, der Häusliche, politische, moralische Zustand hat auf den Vater so gewürckt, daß er nahe an der Tollheit, wahnsinnige, wenigstens schweer erklärliche Handlungen vorgenommen hat, endlich zu Hause durchgegangen ist und seinen Sohn hier aufgesucht hat. Ich habe mich, um kurz zu seyn, des Alten bemächtigt und ihn nach Jena in das Schloß gebracht, wo ich ihn unterhielt, biß seine Söhne ankamen, die indeß zu Hause mit Mutter und Onckle [209] negotiirt und die Sache auf einen Weg geleitet hatten. Die ganze Woche ist mir auf diese Besorgnisse aufgegangen, und ich wollte Ihnen nicht eher schreiben biß ich dem Ausgang näher wäre, worauf ich ieden Tag hoffte.

Lassen Sie Sich auf Ihrer Reise wohl seyn und kommen vergnügt zurück.

Daß der Gräfinn die Perserinnen wohl gefallen hör ich sehr gerne, auch ich habe eine grose Vorliebe zu diesem Stück, und ich musste Toblern gleichsam mit Gewalt zur Übersetzung bringen.

Knebel nahm in Jena von mir Abschied und ging von da auf Saalfeld. Wenn er den Üblen so gut abhelfen oder sie tragen könnte, als er sie sieht, so würde er bald unentbehrlich seyn. In seinem ietzigen Zustande würckt alles auf ihn ohne daß er widerstehn oder gegenwürcken mögte, er hat sich Begriffe vom Leben und vom Zustande gemacht die eines ehrlichen Mannes nicht unwerth sind, nur scheint mir besteht sein Haupt Unglück darinne, daß er theils einmal ganz allein handlen und sich selbst überlassen seyn will, und gleich drauf wieder eine Vormundschafftliche Sorge von andern fordert.

Loder ist das geschäfftigste und gefälligste Wesen von der Welt, er freut und bereitet sich auf den fürstlichen Cursum Philologikum. Ich habe mich, wie Sie leicht dencken können gehütet ihm über die Studia der Prinzen nähere Begriffe zu geben.

[210] Mir hat er in diesen 8 Tagen, die wir freylich so viel es meine Wächterschafft litte fast ganz dazu an wanden, Osteologie und Müologie durch demonstrirt. Zwey Unglückliche waren uns eben zum Glück gestorben die wir denn auch ziemlich abgeschält und ihnen von dem sündigen Fleische geholfen haben.

Ich schliese den Lynckerischen Brief bey. Die Sache wird also sehr kurz zu machen seyn wenn Sie dem Klienten eine Stelle bezahlen. Denn die Freystellen sind wie ich vermuthete auf weit hinaus besetzt.

Leben Sie wohl. Lieben Sie mich, und grüsen Ihre schöne Freundinn.

Auf den Mittwoch fang ich auf der Akademie Abends an das Skelet den iungen Leuten Abends zu erklären, und sie zur Kenntniß des menschlichen Körpers anzuführen. Ich thue es zugleich um meint- und ihrentwillen, die Methode die ich erwählt habe, wird sie diesen Winter über völlig mit den Grundsäulen des Körpers bekannt machen. Davon mündlich mehr.

Der neue Saal ergötzt einen ieden der hinein tritt und alle Schüler sind sehr vergnügt.

Der Prinz hat mir einen sehr guten und verständigen Brief von Florenz geschrieben. Es erfüllt sich doch was ich voraus sagte, daß diese Reise, und diese Art Reise, ihm von grosem Nutzen sein wird.

Leben Sie vielmals wohl.

d. 4. Nov. 81.

G.


[211] Ihre Frau Gemahlinn trägt mir auf Ihnen viel schönes und gutes zu sagen, Sie werden das Blancket wohl am besten selbst ausfüllen können.

G.

Grüsen Sie Wedeln vielmals.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9EB9-3