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An Carl Christian Gottlob Sturm

[Concept.]

Ew. Wohlgebornen

erhalten hierbey den angekündigten Aufsatz, den ich nicht länger zurückhalte, ob er gleich nur als vorläufig angesehen werden kann, und ersuche Sie denselben gefällig höchsten Orts, mit meiner unterthänigen Empfehlung, zu übergehen.

Reisende, welche vor kurzem die Köstritzer Schätze bewundert, haben mich mit der Nachricht überrascht, daß Ihro Durchlaucht einigen meiner Skizzen eine gleich meine sämmtlichen Arbeiten in diesem Fache nicht über die Gränze des Umrisses und der Skizze hinausgehen; so bin ich doch so frey einiges dieser Art beyzulegen, wie ich es eben bey Handen habe, und wäre es nur, um meine dankbaren Gesinnungen zu beweisen.

Der ich mich bestens empfehle und nächstens mehr über die mir mitgetheilten Gegenstände einzusenden hoffe.

Jena den 27. September 1809.


[86] [Beilage.]

Jene bey Köstritz neuerlich gefundnen, durch Herrn Professor Sturm mir mitgetheilten Antiquitäten geben Veranlassung zu folgenden Bemerkungen.

Die kleineren Dinge sind meistens von bekannter Art: elastische schlangenförmige Ringe, Spange, Nadel. Nur ein einziges kleines dabey befindliches Stück verdiente vielleicht noch eine nähere Betrachtung und Auslegung.

Die größeren Körper sind allerdings problematisch; doch möchte ich sie entschieden für Klanginstrumente erklären. Sie sind aus einem Erze gegossen, das unserm Pinchbeck gleicht und wie das Messing eine Mischung aus Kupfer und Zink ist; nur daß der Antheil des Kupfers darin die Oberhand behält. Zinn ist wahrscheinlich nur zufällig beygemischt seyn. Die Proportion dieser Theile würde sich bey näherer chemischer Untersuchung ergeben.

Daß diese tönenden Instrumente schnecken- oder hornartig gebogen sind, scheint von der Form der Blasinstrumente hergenommen. Daß sie einen Einschnitt haben der innerlich durchläuft, nähert sie unsren Schellen; daß sie nicht geschlossen sind, unsren Stimmgabeln. Man darf nur einen kleinen Stein hineinwerfen und sie schütteln: so geben sie einen Ton wie unsere Kuhglocken. Vielleicht wurde durch äußeres Anschlagen der Ton aus ihnen herausgelockt; [87] vielleicht faßte man eins in jede Hand und schlug beyde zusammen, da sie denn einen guten, und wenn das eine kleinere war als das andre, einen harmonischen Ton von sich geben konnten. Zu kriegerischen Klangzeichen scheinen sie mir nicht geeignet zu seyn; eher zu religiosen oder vielleicht profanen Festen. Es findet sich keine Spur von einem Öhr, daß man sie angehangen habe. Wollte man sagen, sie könnten an einem Strick um den Hals gehängt worden seyn, so müßte man sich denselben stark dencken, weil sie sonst bey der geringsten Bewegung abgerutscht wären wegen des Klaffens der Schnecke.

Genau betrachtet scheinen sie auf alle Fälle zu den Ringen, Triangeln, Klapperblechen, Cymbeln und Schellen zu gehören; womit ungebildetere Völker ein Scharivari statt Musik bey ihren Feyerlichkeiten hervorbrachten. Indessen ist keinem der Alterthumsfreunde, der sie bisher gesehen, in Natura etwas dergleichen vorgekommen. Ob in antiquarischen Schriften ähnliche Gegenstände beschrieben oder abgebildet sind, wird man unverzüglich nachsehen.

Welcher Nation und welcher Zeit sie angehören ist schwer zu bestimmen. Der Gehalt des Metalls wird darüber wenig Auskunft geben, weil dieser an allen dergleichen Dingen nicht sonderlich variirt. Der zum größten Theil edle Rost, womit sie überzogen sind, hat die Eigenschaft daß er das damit bedeckte Metall vor weiterer Oxydation sichert, und es kann [88] deswegen sehr lange in der Erde liegen, ohne daß seine Form zerstört wird.

Die Vollkommenheit des Gusses jedoch, durch den sie hervorgebracht sind, deutet auf eine hohe technische Cultur der Arbeiter welche solche verfertigen. Ob man sie nun deshalb oder römischen Ursprungs halten solle: darüber wäre weiter zu forschen und zu denken.

Um jedoch einige Vermuthungen weiter auszubilden so wäre wünschenswerth zu erfahren, was überhaupt schon früher im Voigtlande und besonders um Köstritz von Alterthümern ausgegraben worden, und besonders ob sich etwas darunter befindet, das eine menschliche oder Thier-Gestalt nachbildet, wodurch man am ersten auf die Epochen geleitet wird, in welchen dergleichen verfertigt worden.

Ein Nachtrag zu gegenwärtigem flüchtigen Aufsatz, der um nicht verspätet zu werden, ohne Hülfsmittel geschrieben wurde, wird sobald die nöthigen Schriften zusammengebracht sind, sogleich erfolgen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Carl Christian Gottlob Sturm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9EE5-1