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An Carl Friedrich Zelter

Aus deinem unschätzbaren Schreiben, mein Theuerster, geht hervor, daß du die Gabe des Unterrichts bey dir vollkommen ausgebildet hast und dadurch deinen Schülern in jedem Falle genug thust. Meine Frage hast du auf eine Weise beantwortet, daß ich sie, so schwer und entfernt sie auch sey, doch mir erleichtert annähern kann. Höchst merkwürdig ist es, daß die Musik, wie sie aus ihrer ersten einfachen Tiefe hervortritt, alsobald der flüchtigen Zeit angehört und dem leichtfertigen Ohre schmeicheln muß. Kein Wunder, daß nach so viel Jahren sie endlich auf dem Wege dahin läuft, den wir sie jetzt eilig verfolgen sehen.

So weit war ich gekommen und wollte nun fortfahren über das wunderbare Verhältniß des innern productiven Sinnes zu dem praktisch äußern Thun [230] mich weiter zu ergehen, als ein Schauspieler, Namens La Roche, nach Berlin gehend, um einige Worte an dich ersuchen läßt. Er wird für den besten der neuen Schauspieler gehalten und ist in dem, was man mittlere, halb- und komische Charaktere nennt, gewandt und willkommen; ein Liebling des Publicums, begünstigt von meinem Sohne, ein verständiger rechtlicher Mann. Dieser wünscht von dir freundlich aufgenommen zu werden, auch wohl der Singakademie beywohnen zu dürfen und was ohne deine Unbequemlichkeit sich weiter ergeben möchte.

Zum Schluß vermelde, daß mich die Acquisition einiger ältern Zeichnungen diese Tage her sehr glücklich macht. Sie sind von der besten Art, unter dem Einfluß des edelsten Geistes hervorgetreten, eine unerschöpfliche Quelle guter Gedanken, z.B. ein Auflesen des Mannas höher als alle Vernunft. Niemand als Rafael konnte es erfinden; nachgebildet sind sie auf das treuste, zarteste und zierlichste.

Soviel für dießmal. Wärest du nur auf einige Stunden des Genusses theilhaftig und ich dessen, den du so reichlich ausspendest! Doch muß ich noch gedenken wie ich vorgestern Abend mit Riemer in einem deiner Briefe auf dein Lied zu Ehren des Königs gelangte, das dir anfangs so sehr bestritten wurde. Riemer machte die Bemerkung, daß nicht leicht etwas von solcher Confidenz und innerer Zuversicht ausgesprochen [231] worden; es habe so was von Luthers: Eine feste Burg ist unser Gott.

Hiemit sey denn aber wirklich abgeschlossen.

unwandelbar

Weimar den 21. Juni 1827.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F18-7