43/38.

An Eduard Joseph d'Alton

Für die mir neuerdings übersendeten Hefte meinen freudigen Dank auszusprechen will ich nicht länger säumen! Wie sehr kommen mir nicht meine frühern Bemühungen zu statten, da ich mich dadurch befähigt sehe, als treuer Liebhaber und redlicher Dilettant[50] mein Verhältnis zum Meister zu empfinden. Vor allem aber will ich Ihnen Glück wünschen, daß Sie an Ihrem werthen Sohne einen so glücklichen Mitarbeiter gefunden haben; auch gebe ich vollkommenen Beyfall, daß Sie ihn nach Paris gesendet. Ein geselliges Bestreben fördert den Franzosen auf die schönste Weise, welches von den Deutschen nicht zu erwarten ist; ihre Vereine gehen zwar auf löbliche, aber auf solche Zwecke hinaus, wo ein jeder mitwirken kann, er sey, wer er wolle, der König und der Vagabund, der Gelehrte wie der Schüler, der Greis wie das Kind, alle können ihr Gold, Silber und Kupfer, wie sie es vermögen, auf Wohlthätigkeit, Monumente und fromme Stiftungen gleich willig hergeben; aber die höheren Zwecke, wozu Geist und Kraft nöthig ist, in den Regionen der Wissenschaft und Kunst muß jeder für sich allein zu erreichen suchen; es kommt selten der Fall, daß er wahrhaft gefördert werde. Dagegen fühlt sich wohl ein jeder gehindert durch Engherzigkeit seiner Zeitgenossen und durch Anmaßlichkeit seiner Nachfahren.

Doch wollen [wir] uns darüber nicht beklagen, das mannichfaltige Gute, das uns geboten wird, im Stillen zu nutzen trachten und uns solcher Mitwirkungen erfreuen, wie die Ihrige mir jederzeit gewesen ist. Möge das, was noch fernerhin von mir ausgeht, auch Ihnen Freude bringen und sich Theilnahme gewinnen.

[51] So weit gelangte ich vor meinem Geburtstag, wo sich werthe Freunde, wie mir Wohl bekannt war, zu einem anmuthigen Fest herkömmlich bereiteten; aber es sollte mir eine Überraschung werden, die mich beynahe aus der Fassung gebracht hätte und doch immer eine Empfindung zurückließ, als wäre man einem solchen Ereigniß nicht gewachsen.

Des Königs von Bayern Majestät kamen den 27. August in der Nacht an, erklärten am folgenden Morgen, daß Sie ausdrücklich um dieses Tages willen hergekommen seyen, beehrten mich, als ich grad' im Kreise meiner Werthen und Lieben mich befand, mit Ihro höchster Gegenwart, übergaben mir das Großkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone und erwiesen sich überhaupt so vollständig theilnehmend, bekannt mit meinem bisherigen Wesen, Thun und Streben, daß ich es nicht dankbar genug bewundern und verehren konnte. Ihro Majestät gedachten meines Aufenthaltes zu Rom mit vertraulicher Annäherung, woran man denn freylich den daselbst eingebürgerten fürstlichen Kunstfreund ohne weiteres zu erkennen hatte. Was sonst noch zu sagen wäre, würde mehrere Seiten ausfüllen.

Die Gegenwart meines gnädigsten Herrn des Großherzogs gab einem so unerwarteten Zustand die gründlichste Vollendung, und jetzt, da die Erscheinung vorüber geflohen ist, habe ich mich wirklich erst zu erinnern, was und wie das alles vorgegangen und wie man eine solche Prüfung gehöriger hätte bestehen sollen. Was man aber nicht zweymal erleben kann, muß wohl so gut als möglich aus dem Stegreif durchgelebt werden. Die überbliebenen schönsten Gefühle und bedeutendsten Zeugnisse geben auf alle Fälle die Versicherung daß es kein Traum gewesen.

Soviel also für diesmal, in treuster Theilnahme

W. d. 6. Sept. 1827.

Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Eduard Joseph d'Alton. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F26-7