14/4008.

An Carl Ludwig von Knebel

Ich wollte dir auf deine verschiedne lieben Briefe nicht antworten bis ich etwas mitschicken konnte. Hier sind nun vier Bogen des dritten Stücks der Propyläen, die ich mir jedoch bald wieder zurück zu schicken bitte, indessen wird das Ganze fertig und du erhältst dein Exemplar.

Du findest wieder ein Capitel Diderot. Man glaubt nicht wie leicht und lose ein übrigens so trefflicher Mann solche Gegenstände behandelt aber freylich niemand fühlt es leicht als wer beym eignen Hervorbringen Rath und Trost in solchen Schriften sucht; allen denen die nur beschauen ist eine theoretische Leerheit gewissermaßen recht willkommen.

Meyer grüßt und wünscht auch seiner Niobe eine freundliche Aufnahme, es ist uns beyden ein sehr angenehmes Gefühl, da wir keine großen Briefschreiber sind, uns mit Freunden in der Abwesenheit periodisch unterhalten zu können. Bis jetzt noch müssen wir das Abentheuer allein bestehen, das uns denn freylich genug zu thun giebt. Indessen liegt ein unendlicher Stoff parat und zur Form mag die Stimmung des Augenblicks helfen Denn in unsern Tagen geht alles so entsetzlich schnell, daß ich Aufsätze die vor einem Jahr geschrieben sind, ohne sie umzuarbeiten, nicht kann drucken lassen.

[42] Bey manchen äußerlichen Hindernissen des Lebens habe ich mir seit einiger Zeit innerlich eine gute Stimmung zu erhalten gesucht und sie angewendet eine sonderbare Arbeit anzufangen, die ich seit einiger Zeit mit mir herumtrage und wovon ich dir das Bekänntniß machen muß. Schon lange habe ich viel über das epische Gedicht nachgedacht, seit der Streitigkeit über das Alter der Homerischen Gesänge und der Ausführung von Herrmann und Dorothea sind mir diese Gegenstände fast nie aus den Gedanken gekommen, und ich habe bey mir einen Plan versucht wie man die Ilias fortsetzen oder vielmehr wie man ein Gedicht, das den Tod des Achills enthielte daran anschließen könnte. Da ich nur denken kann in so fern ich producire, so wird mir ein solches kühnes Unterfangen zur angenehmsten Beschäftigung und es mag daraus entstehen was da will so ist mein Genuß und meine Belehrung im Sichern; denn wer bey seinen Arbeiten nicht schon ganz seinen Lohn dahin hat, ehe das Werk öffentlich erscheint, der ist übel dran.

Ich denke mich diesen vom Sommer nicht weit vom Hause zu entfernen und wir kommen vielleicht einmal irgendwo auf halbem Wege zusammen, und wenn das Glück gut ist so bringe ich schon einige Gesänge mit.

Den ersten Gesang deines Lucrez erhältst du bald mit Anmerkungen von Schlegel zurück. Ich wünsche daß dir sein guter Wille förderlich seyn möge.

[43] Deine Quittungen schicke nur jederzeit ohne Bedenken, ich will gern die Besorgung übernehmen. Lebe recht wohl und gedenke meiner in Freundschaft.

Weimar am 15. März 1799.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F4B-4