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An Sulpiz Boisserée

Aus dem Datum des beyliegenden Gedichtes sehen Sie, mein Werthester, daß gestern in meinem Hause ein großes Fest war das sich nicht leicht wiederholt. Die jungen Leute sind das eigenste Paar das es vielleicht giebt und scheinen wirklich für einander prädestinirt. Es ist mir nicht bang um sie.

Zugleich auch hab ich gestern bey unserer verehrten Großherzogin Abschied genommen: sie hat mir ausdrücklich aufgetragen Sie zu grüßen und hofft Ihre herrlichen Sachen zu guter Stunde bewundern zu können. Sie wird vorerst nur durchreisen ohne sich aufzuhalten, und Sie könnten bey dieser Gelegenheit diese vortreffliche Dame begrüßen. Bey ihrer Rückreise von Baden will sie einen Tag in Heidelberg bleiben. Vielleicht gehen Sie selbst in jene Gegend, um deren Anblick und Genuß ich Sie beneide.

Alle Stimmen schicken mich nach Carlsbad, Ärzte und Nichtärzte. Freilich ist es wahr daß früher dieses Wasser mir sehr vielen Vortheil gebracht hat, doch gehe ich erst Ende July, wenn die Gastfluth sich verlaufen hat oder verläuft. Ich kann also immer noch einige Zeilen von Ihnen erwarten.

Mein Heft zur Naturwissenschaft ist fertig, es muß nur trocknen und dem Buchbinder eingehändigt werden. [128] Ich habe noch zu guter letzt großes Glück gehabt, indem ich das wahre letzte Verhältniß eines Phänomens erst entdeckte, da eine zwar nicht falsche aber doch untergeordnete Ansicht schon abgedruckt war, und ich glaube ich wäre nicht auf's Rechte gekommen, wäre ich nicht im Begriff gewesen das Halbwahre zu stempeln.

Es ist das erste Mal daß ich mich von dem Setzer hetzen lasse und recht merkwürdig wie man sich zusammen nehmen kann wenn man muß. Ich habe in meinem Leben viel zu viel gedämmert und suche jetzt meine alten Papiere durch, wo ich manches Gute finde, einzeln von Bedeutung, aber nichts ausgeführt. Überall sieht man Drang zur Sache und Zerstreuung in's Leben.

Am zweyten Theil der Italiänischen Reise wird auch gedruckt und so zünden wir mehr als ein Licht an beiden Enden an: Leuchtet's nicht so tröpfelt's doch. – Ich gehe heute Abend wieder nach Jena und hoffe noch drey bis vier Wochen fleißig zu seyn.

Leben Sie wohl! Sie hören bald wieder von mir. Grüßen Sie Hausgenossen, Nachbarn und Freunde zum allerschönsten.

wie immer

Weimar den 18. Juny 1817.

G. [129]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F73-8