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An Ottilie von Goethe
[Concept.]
Dein christkatholisches Blatt vom 15. Kommt am 27. Bey mir an mit Einlagen, wodurch Wolf sogleich höchlich erfreut wurde. Der Frau Gräfin Ur-Großmama empfiehl mich zum besten und dank ihr für die lieben Zeilen. Dich aber, mein gutes Kind, kann man unbedenklich in die Welt schicken und deine Tagebücher würden mir durchaus angenehmer seyn als [die] der Lady Morgan; du siehst die Sachen mit reinem ruhigen Sinn an und findest das Menschliche durch die wunderlichsten Formen; alles Übrige ist ja auch nichts und gar nichts.
Von hier ist nur zu sagen, daß Herr v. Spiegel auf's löblichste bemüht ist, die Heimführung seines Fürsten würdig und schaulich zu machen. Ober-Baudirector Coudray beweis't sich auch dießmal als einen erfindungsreichen, geschmackvollen und thätig-gewandten Bau- und Decorationskünstler.
Mein Bild wird zwischen aller dieser Noth vorzüglich gut. Glücklicherweise war der Grund gelegt, ehe das Unheil über uns erging, und ein Künstler ist wie ein Arzt glücklich, wenn er an seinem Platze gleich gültig bleibt und sein herkömmliches Handwerk walten läßt.
Siehst du Bertha Levetzow wieder, so sey ihr freundlich; drey Jahre meines Lebens durch spielt sie[155] eine artige Person mit in dem Drama, das ich mir immer noch gern zurückrufe.
Es trifft sich glücklich, daß die Abreise der Frau Gräfin auf den 7. Juli festgesetzt ist; den 6. Juli ist wahrscheinlich hier die Begräbnißfeyer und einen solchen Empfang wünscht ich euch nicht. Auf alle Fälle findest du einen Brief bey Rath Grüner in Eger; denn bey der Unsicherheit des Postcurses schreib ich nicht mehr nach Carlsbad.
Da ich dir gern was Anmuthig-Tröstliches senden möchte, so lege hier die Soretischen Bulletins bey; in Eger findest du die Fortsetzung und wirst bey deiner Rückkehr diesen erprobten Freund auch deshalb gemüthlicher behandeln.
Um das folgende Blatt nicht leer fortzuschicken, vermelde noch einiges. August, von Tag- und Nachtwachen bey der hohen Leiche ermüdet und zerstreut, bleibt deshalb immer munter; er schilt auf Manzoni's Verlobte, rühmt seinen Cooper und was dergleichen mehr ist. Wir haben darüber nach Tische bey dem Mitsitze Eckermanns mancherlei muntere Streitigkeiten.
Walther ist noch in Wilhelmsthal, Wolf bey mancherlei Unarten klüger als billig, Alma ganz munter. Vogel, sagt man, wird nächstens zurückkehren, indessen hat sich Bergrath Wahl theilnehmend und einsichtig erwiesen; auch mir über einige beschwerliche Schritte hinweggeholfen. Der guten Ulrike ist nur mit Wünschen beyzustehen.
[156] Daß Prinzeß Marie und ihr Gemahl gestern den 26. Juni bey uns durchgegangen, bey Seebachs auf der Altenburg abgestiegen seyen, sie dort mehrere ihrer jungen Freundinnen gesehen habe, wird dir wohl schon erzählt worden seyn.
Frau Generalin v. Egloffstein, von Wilhelmsthal kommend, hat mir verhältnißmäßig viel Gutes von dort mitgebracht. Frau Ober-Cammerherrin, dahin gehend, nimmt meine besten Empfehlungen und Wünsche mit sich.
So eben, wie ich abschließen will, kommt Walther froh und wohlgemuth von Wilhelmsthal zurück. Der gute Knabe kann noch nicht verwinden daß er durch eine gewisse Verworrenheit verhindert ward, von mir Abschied zu nehmen; diese Besorgniß war das Erste was er mir bey'm Willkommen gewissenhaft zu äußern hatte.
Der bestellte schwarze Jacob wird zu rechter Zeit eintreffen; er soll mitbringen was bis dorthin sich sammelt. Eckermann grüßt zum schönsten; er ist mein Trost in dieser verwirrten Einöde, wo man nichts zu empfinden scheint als die Püffe des Geschicks von denen Hamlet soviel zu sagen weiß.
Weimar den 27. Juni 1828.
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