1779, September.


Mit Johann Georg Forster

Ich habe Goethen gesehen, aber nicht genug, um ihn zu kennen. Sein Freund Behrisch in Dessau hat mir seine ausgelassene Laune nicht verhehlt, ich aber habe ihn nicht darin gefunden. Hier [in Kassel] war er ernsthaft, machte wenig Worte, frug mich wegen der Südländer, über deren Einfalt er sich freute, und hörte die meiste Zeit zu, da mich der Herzog befragte, in dessen Gegenwart wir uns fast immer nur gesehen haben. Hätte ich vermuthen können, ja nur geahndet,[52] daß Goethe Ihnen, mein Bester [Fritz Jacobi], so lieblos und ungerecht begegnen könnte, ich hätte doch auf meine und seine Worte besser achtgegeben. Allein ich habe auch nichts gemerkt, das Unbilligkeit gegen Sie verrathen hätte. Als ich Ihnen schrieb, wir hätten viel von Ihnen gesprochen, sollte ich eigentlich gesagt haben: ich habe viel von Ihnen gesprochen. Ich sprach von der Art, wie wir bekannt wurden, wie sich Ihr Herz mir öffnete, wie lange ich bei Ihnen blieb, und wie ungern ich Sie verließ. Es war, indem wir aus des Landgrafen Antiquitätensammlung in den Gasthof zurückgingen. Der Herzog war mit jemand anderem einige Schritte voraus. Goethe hörte mir mit Theilnehmung und in Gedanken zu. Ich erzählte, daß Sie mir aus »Woldemar« vorgelesen hätten und sagte, was mein Herz mir eingab. Ganz lakonisch gab er zuweilen ein »Ja!« drauf, welches meinem Urtheil seinen Beifall zu ertheilen schien. »Der erste Theil ist nunmehr erschienen,« sagte er. »Auch sind«, erwiederte ich, »vom zweiten Theile Bruchstücke im Museum erschienen.« – »Daß er doch nicht hat warten können!« rief er aus; »warum Bruchstücke? Konnt' er's nicht ersparen, bis der zweite Theil ganz fertig gewesen wäre?« – Ich sagte etwas Gleichgültiges dazu; mich dünkt, daß doch manchem die Stücke schon viel Freude gemacht hätten. Wir hatten eben den Gasthof erreicht. Er hatte nur noch Zeit, zu fragen, ob ich kürzlich Briefe gehabt und bald an Sie schreiben würde. Ich sollte [53] Sie doch von ihm grüßen. Nun speisten wir mit dem Herzoge, und kaum war das Mittagsessen verzehrt, so fuhren sie ab. Fast sein Letztes war, den Gruß an Sie zu wiederholen. Er nannte Sie noch immer Fritz.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1779. 1779, September. Mit Johann Georg Forster. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A026-2