1805, August (?).


Über Johann Joseph Gall

»Von seinem Vortrag ist man im Ganzen wohl zufrieden. Ist er gleich nicht immer streng logisch geordnet, und laufen gleich zuweilen entbehrliche excursus mit unter, so ist er doch immer nicht nur unterhaltend, sondern auch belehrend. Ich habe den Schlüssel zu manchen von mir gemachten Beobachtungen gefunden. Auch ist mir Gall's Organenlehre, ob wir gleich noch nicht an das Detail gekommen sind, doch schon ziemlich klar und scheint mir sehr annehmlich. Das den Schädel ein wenig emportreibende kleine Partikelchen Hirn thut's freilich nicht, sondern der gesammte Theil des Nervensystems, der in jenem Partikelchen endet. Ich stelle mir es so vor: wenn wir einen Schädel in [17] den Händen haben und auf ein an demselben befindliches sogenanntes Organ hinabsehen, so blicken wir aus der Höhe auf einen belaubten Wipfel eines Baumes, dessen Äste wir aus unserem Standpunkt nicht bemerken und noch weniger (den hier in Rückenmark eingehüllten) Stamm sehen können. Aber wenn ich aus meinem Fenster meiner obersten Etage auf einen tief darunter stehenden Baum hinabsehe, so unterscheide ich gewiß sehr richtig an der Belaubung des Wipfels, ob der Baum in gesundem starkem Trieb stehe, oder ob er am Stamm den Brand habe, an der Wurzel von Wassermäusen angenagt sei u. dgl. Selbst die einzelnen kränkelnden oder gesunden Äste erkenne ich von oben herab sehr sicher an der Beschaffenheit ihrer Belaubung. Nicht als wenn die Kraft des Baumes von dem üppigen Laube abhinge, sondern ich dort oben, der ich nicht hinabsteigen und Stamm und Wurzel untersuchen kann, erkenne nur die kräftige und kränkelnde Vegetation am Laube des Wipfels.«

[18]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1805. 1805, August (?). Über Johann Joseph Gall. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A04B-0