19. Juli 1775.


Mit Christoph Martin Wieland

In der Noth nimmt man zu den besten Menschen Zuflucht. Goethe sagt mir, Sie könnten und würden mir helfen, und mein Herz sagt mir, Sie werden's thun, wenn Sie können.

Die ganze Sache ist diese.

Aus beiliegender Note werden Sie sehen, wozu ich[37] mich gegen das Publicum anheischig gemacht habe. Kraus (der die beigehende Zeichnung des herrlichen Kopfs von Sebastian Brant gemacht hat) gab mir große Hoffnung, einer von seinen Freunden, der ein guter Kupferstecher ist, würde den Auftrag, diesen Kopf und alle folgende, die künftig von Monat zu Monat im Merkur erscheinen sollen, zu stechen willig annehmen. Allein heute erhalten wir eine abschlägige Antwort unter dem Vorwand, er könne nicht.

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Goethe versichert mich, Ihr Lips wäre der Mann, durch den Sie mir helfen könnten, und er glaubt, die Sache ließe sich thun, wiewohl Hr. Lips viel für die Physiognomischen Fragmente zu arbeiten habe. Ich bitte Sie also, Theuerster, bewegen Sie diesen Künstler dann, daß er den beigehenden Kopf baldmöglichst in Arbeit nehme. Die Proben von seinem Talent, die mir Goethe gezeigt hat, geben eine gute Hoffnung, daß er auch den feinen Lucianischen Geist, der in diesem Kopfe webt, seine Gebühr anthun werde.

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Wenn ich Ihnen wieder schreibe und mehr Muße habe, als itzt, will ich Ihnen melden, wie mir's mit dem jungen Prof. Meister gegangen ist. Er hat einen freundschaftlichen Brief von mir erschlichen. Es wird ihm aber nicht wohl bekommen. Ich habe etliche, noch ziemlich unschuldige Auszüge aus seinem Geschwätz über die Schwärmerei in den November des »Merkur« gesetzt [38] mit einer Zugabe, worin Gegengift für sein Gift ist. Ich merkte zwar schon etwas beim Durchlesen der drei ersten Bogen, aber Goethe gab mir erst hinterdrein den rechten Aufschluß ....

Nach allem was mir Goethe und die Stolberge von Ihnen gesagt haben, wag' ich's kaum zu wünschen, daß ich etliche Tage mit Ihnen leben möchte; denn ich fühl' es im Grunde meiner Seele, mein Herz würde zerreißen, wenn ich wieder von Ihnen scheiden müßte.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1775. 19. Juli 1775. Mit Christoph Martin Wieland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A10F-0