1812,16. December.


Mit Friedrich von Müller u.a.

Alles verkündet Dich,
Nahst Du im Morgenlicht,
Eilet die Sonne hervor.
Zeigst Du im Garten Dich
Bist Rose der Rosen. Du,
Lilie der Lilien zusammt.
Neigst Du am Tage Dich,
Drehn die Gestirne all'
Im Kreis sich um Dich,
Kehrt die Nacht, o wär' sie da,
Überstrahlst Du des Mondes
Lieblich einladenden Glanz.
Ladend und lieblich bist Du,
Sonne, Blume, Mond und Sterne
Huldigen nur Dir.
Tagschaft Du, Nachtschaft mir,
Leben und Ewigkeit ist's.

So ohngefähr, aber gewiß noch viel schöner, als ich es im Gedächtniß behielt, war das Lied, welches Goethe [49] mir heute von Dem. Engels zur Guitarre singen ließ. Er hatte es nach »Namen, ich nenne Dich nicht 1 etc.« gedichtet, weil ihm dieser Text mit seinen ewigen Negationen und Verheimlichungen zu unlyrisch, ja verhaßt war.

Die heutige Bedeckung des Aldebarans, jenes schönen Fixsternes im Zeichen des Widders, durch den Mond hatte ihn sehr feierlich und heiter gestimmt. Es war, als ob ihm selbst etwas höchst Bedeutendes widerführe. Da war er denn zu Anerkennung jedes Ausgezeichneten doppelt gestimmt. Er rühmte Riemer's Tüchtigkeit, der ein für allemal nichts, »bloß um die Sache abzufertigen« thue. So strich er auch Zelters Großheit und männliche Fassung tiefsten Schmerz bei dem Selbstmord seines Sohnes 2, frei von aller kleinlichen Sentimentalität, ungemein heraus.

»Die Astronomie,« äußerte er, »ist mir deßwegen so werth, weil sie die einzige aller Wissenschaften ist, die auf allgemein anerkannten, unbestreitbaren Basen ruht, mithin mit voller Sicherheit immer weiter durch die Unendlichkeit fortschreitet. Getrennt durch Länder und Meere theilen die Astronomen, diese geselligsten aller Einsiedler, sich ihre Elemente mit und können darauf wie auf Felsen fortbauen.«

Er kam sodann auf A. v. Steigentesch's Angriff[50] gegen deutsche Literatur im Schlegel'schen Museum 3 zu sprechen, der ihn sehr indignirte. Schlegel ist gegen besseres Wissen bloß durch Steigentesch's lockre Tafel dazu verführt worden, diesen verruchten Aufsatz aufzunehmen. Die bessern Wiener wissen das recht gut. So heiter hatte ihn jene astronomische Erscheinung gestimmt, daß er den Gedanken faßte, die musikalischen Vereine, die bekanntlich früher der Neid der Jagemann gestört hatte, für den Sonntag Morgen wieder aufzunehmen. Sein ganzes Herz schien daran zu hängen.


Note:

1 Richtiger: Namen nennen Dich nicht (Lied v. W. Ueltzen).

Note:

2 Stiefsohn J. Fr. Zelters.

Note:

3 Jahrg. 1812 3. Heft in dem Aufsatze: Ein Wort über deutsche Literatur und deutsche Sprache. S. 197-221.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1812. 1812,16. December. Mit Friedrich von Müller u.a.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A12D-C