1808, Januar.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
»Durch das jetzt in Deutschland allgemein verbreitete Interesse an Kunst und Poesie wird weder für diese beiden, noch für die Erscheinung eines originalen und ersten und einzigen Meisterwerks etwas gewonnen. Der Kunst-Genius producirt zu allen Zeiten, in mehr oder minder geschmeidigem Stoff, wie die Vorwelt Homer, Aeschylos, Sophokles, Dante, Ariost, Calderon und Shakespeare gesehen hat (die Mitwelt Goethe und Schiller); es ist nur dies der Unterschied, daß jetzt auch die Mittelmäßigkeit und die secondären Figuren dran [194] kommen und alle untern Kunsteigenschaften, die zur Technik gehören. Es wird nun auch im Thale licht, statt daß sonst nur die hohen Berggipfel Sonne trugen.
So ist es auch mit andern Stimmungen des Geistes, mit der religiösen, amourösen, bellicosen und andern. In einzelnen Individuen sind sie zu allen Zeiten gewesen und noch. Aber allgemein verbreitet nur zu gewissen Zeitaltern, und immer sind sie der Cometenschwanz irgend eines in diesen ausgezeichneten Mannes ober mehrerer, in denen, wie an den Spitzen der Berge, zuerst diese Morgenröthe schimmerte. Jede solche Stimmung lebt einen Tag, hat ihren Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. So ist's mit der Kunst; so wird es auch mit der Poesie werden, die jetzt im Nachmittag ist.« Oder wie G. sonst zu sagen liebte: »es ist wie eine Krankheit, durch die man hindurch muß.«
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