1805 zu 1806, Winter.
Aus den naturwissenschaftlichen
Vorträgen für Damen
Unter den uns vorliegenden Aufzeichnungen Sophiens [v. Schardt] befindet sich außer den auf die Farbe bezüglichen eine besonders ausführliche über den Magnet, sein Wesen, seine Beziehungen 1) auf sich, 2) zum Erdmagneten und die Minerale, welche magnetische Kraft besitzen. Wir heben daraus die Bemerkung aus: »Verschiedene Arten der Darstellung eines Begriffs; viererlei Sprachen giebt es dafür. Die erste möchte man die goldene nennen, wodurch das Phänomen, die Begebenheit, selbst erscheint. Die zweite nenne ich die poetische, wobei eine Nebenidee, die dem Hauptbegriff eine größere Klarheit mittheilt, hervorgerufen wird; so sind die Erläuterungen durch Beispiele: ein guter Regent ist gleich einem schattenden Baume, unter dem die Vögel des Himmels nisten. Die mnemonische, wo man an gewisse Dinge willkürlich Erinnerungen knüpft, um sich dieselben dabei zu vergegenwärtigen. Die mathematische.«
Auf einem besondern Blättchen hatte sie sich auf gezeichnet: »Was ist träger als, die Starrheit des Steines? Und siehe! die Natur verleiht ihm Sinne und Hände. Was ist streitbarer, als die Härte des Eisens? Aber es giebt nach und unterwirft sich der [20] Sitte; denn es wird vom Magnetstein gezogen. Und so rennt ein allbeherrschendes Wesen – wer weiß wie? – einem leeren nach, und indem es nahe kommt, tritt es heran und wird festgehalten in umklammernder Umarmung.«
Aus einem andern Vortrage hatte sie folgendes aufgezeichnet: »Zweierlei Vorstellungsarten: dynamisch, atomisch.«
1) Das Wirkende, sich Äußernde, Handelnde, Bewegende, Schaffende.
2) Das Erleidende, Duldende, Angeregte, Bewegte, Gegensatz des einen zum andern.
1) Ein Unsichtbares, ein Daseiendes ohne vehiculum, eine Kraftäußerung ohne ein Wie, das uns bekannt sein könnte.
2) Atome, wirkliche, sichtbare, zu ergreifende.
1) Die physische, die sich auf das Ganze bezieht.
2) Die chemische, die sich mit dem Besondern, dem Realen beschäftigt.
Aus verschiedenen Vorstellungsarten entsteht ein neues Resultat: jeder hat die seine; jeder neigt mehr zu der einen oder zu der andern herüber. Lukrez, Epikur bekannten sich zu der Vorstellungsart, die wir die atomistische oder chemische nennen möchten; in den realen Stoffen der Materie suchten sie Entstehung und Ordnung durch Hülfe des Zufalls. Andere suchten es in einer unbekannten, unsichtbaren, höhern Gewalt, in anregenden Kräften.
[21] Stets setzt das Wirkende ein Erleidendes, das Bewegte wieder ein Erregendes voraus. Nichts ist, nichts ist geworden, alles ist stets im Werden, in dem ewigen Strom der Veränderung ist kein Stillstand. Der Mensch ist mit jeder Minute ein anderer, doch sich selbst sonderbar gleich, beharrlich, in der Veränderung; dies ist ein Vorzug des höhern Wesens. Die Pflanze z.B., deren organische Natur so viel Ähnlichkeit mit der unsrigen hat, wird ganz verändert und durchaus – ihre Identität geht verloren.
Das Gesetz der Schwere, ein Anziehen und Abstoßen, eine Ausdehnung und [ein] Insichzusammenziehen des elastischen Wesens. Die Erde zieht die Luft, diese zieht sich in sich. Diese gegenseitige Wogung erhält das Gleichgewicht. Ungeheure Gewalt der Luft, oder Streben, von ihr alles zu erfüllen, nichts Leeres zu dulden, daher der in eine verdünnte Luft tretende Körper von der in ihm selbst enthaltenen sich entlastet; im Verhältniß der Verdünnung der äußern strebt dann die in ihm haftende hinauswärts, um diesen leeren Raum zu erfüllen. Dieses Ursache der Athemlosigkeit, Nasenblutens auf hohen Bergen. Nach dem selben Princip sehe ich Tropfen aus dem Erz dringen, das unter der Luftpumpe liegt.
Auf einem weitern Blatte lesen wir:
»Was ist das Sein? Es äußert sich durch Form und Bewegung oder Handlung. Warum soll das Sein anders, als durch diese Darstellung aller Existenz definirt [22] werden. Der Geist ist so gut wie die Materie das sich gestaltende und handelnde Sein in seiner Äußerung. Alle Hauptformen des Erdbodens, die Berge, Steinmassen etc. streben vom Mittelpunkte der Erde nach den Polen zu, kleinere Massen durchkreuzen seitwärts diese Strömung, als ob sie nach kleinern verschiedenen Anziehungspunkten strebten.
Jede veränderte Substanz modificirt die, mit der sie sich vermischt. Diese gegenseitige Wirkung bringt dann unendliche Abweichungen und Abwechslungen hervor. Beobachtungen hierüber im Steinreiche etc. Keine Substanz existirt auf Erden rein für sich und unvermischt. Alles Herabfallende von einer angemessenen Höhe (ductile) bildete sich in der Kegelform. Beispiele: wenn man Blei gießt, Wassertropfen etc.«
Abgesondert hat Sophie noch folgendes aufgezeichnet: »Strömungen der Berge von Norden nach Süden, von Osten nach Westen. Die Erde ist unter dem Meere fortgehend nach denselben Regeln. Inseln sind Köpfe der Berge. In den Richtungen von Norden nach Osten [so!] befindet sich das Eisen, von Westen nach Osten die Silberadern. – Wir verbinden die erste Empfindung von etwas, z.B. die der Ehrfurcht, der Liebe etc. mit dem Gegenstande, der sie erweckte, darum sind die ersten Empfindungen so dauernd.«
[23]