1809 . (?)


Mit Louis Spohr und einem Operndichter

In dieser Zeit [1808] trug mir ein junger Dichter, ein Candidat der Theologie, der in Gotha seiner Anstellung harrte, eine von ihm gedichtete Oper zur Composition an, und ich ergriff mit Freude diese Gelegenheit, mich nochmals und, wie ich hoffte, nun mit besserem Erfolge in der dramatischen Composition zu versuchen. Die Oper hieß »Alruna die Eulenkönigin«, war nach einer alten Volkssage bearbeitet und hatte dem Stoffe nach viel Aehnlichkeit mit dem »Donauweibchen«, das damals so allgemeines Aufsehen erregte. Ich begann sogleich meine Arbeit mit großem Eifer und vollendete die drei Acte der Oper noch ehe das [58] Jahr zu Ende ging. Da einige Nummern daraus, die ich im Hofconcerte zu hören gab, großen Beifall fanden, so ermuthigte mich dies, mein Werk dem Hoftheater zu Weimar zur Aufführung anzubieten. Ich reiste selbst dahin, um Herrn v. Goethe, den Intendanten des Theaters, und Frau v. Heygendorff, die erste Sängerin und Geliebte des Herzogs, günstig dafür zu stimmen. Ersterem überreichte ich das Buch, der letzteren die Partitur der Oper. Da sie darin für sich und ihren Günstling Stromeyer brillante Partien fand, so versprach sie die Annahme der Oper zu befürworten, und da ich wußte, daß diese nur von ihr abhing, kehrte ich mit den besten Hoffnungen nach Gotha zurück. Doch bedurfte es noch mancher Erinnerung von meiner Seite, und es vergingen Monate darüber, bis es endlich zum Einstudiren der Oper kam. Als dieses dann soweit gediehen war, daß eine große Orchesterprobe stattfinden konnte, lud Frau v. Heygendorff mich ein, diese zu dirigiren. Ich reiste daher zumzweitenmal nach Weimar, dießmal in Begleitung des Dichters. – Da ich nach Vollendung der Oper schon wieder allerlei Neues geschrieben hatte, so war sie meinem Gedächtniß ziemlich entschwunden, und ich glaubte sie deshalb nun um so unbefangener beurtheilen zu können. Ich war daher sehr gespannt auf den Eindruck, den sie auf mich machen würde. Die Probe fand in einem Saale bei Frau v. Heygendorff statt. Es hatten sich außer dem Intendanten Herrn v. Goethe auch die Musikfreunde [59] der Stadt, unter diesen Wieland, zum Zuhören eingefunden. Die Sänger hatten ihre Partien gut studirt; da auch das Orchester bereits eine Vorprobe gehalten hatte, so wurde die Oper unter meiner Leitung recht gut executirt. Sie gefiel allgemein und man überhäufte den Componisten mit Lobsprüchen. Auch Herr v. Goethe sprach sich lobend darüber aus.

Nicht so gut kam der Dichter weg. Goethe hatte allerlei an dem Buche auszusetzen und verlangte besonders, daß die Dialoge, die in Jamben geschrieben waren, erst in schlichte Prosa umgesetzt und bedeutend abgekürzt werden müßten, bevor die Oper zur Aufführung kommen könne. Dieß Verlangen war dem Dichter besonders schmerzlich, da er sich auf seine metrischen Dialoge viel einbildete. Er erklärte sich gegen mich demungeachtet bereit, die verlangte Abänderung vorzunehmen, könnte aber wegen anderer bringender Arbeit nicht sogleich dazu kommen. Mir war dieß lieb; denn mit Ausnahme weniger Nummern hatte mir meine Musik bei der Probe in Weimar nicht genügt, so sehr sie auch dort gefiel, und es quälte mich vonneuem der Gedanke, daß ich für dramatische Musik kein Talent besitze. Die Oper wurde mir daher immer gleichgültiger, und ich sah es gern, daß sich die Aufführung verzögerte. Endlich wurde mir der Gedanke, sie aufgeführt und veröffentlicht zu sehen, so fatal, daß ich die Partitur zurücknahm.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1809. 1809 . (?) Mit Louis Spohr und einem Operndichter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A2F6-D