Ende 1831 und Anfang 1832.


Mit Karl August Schwerdgeburth

Vor dem Sitzen zum Malen hatte er.. eine wahrhafte Scheu, ja, er schlug es sogar Männern ab, die eine bedeutende Reihe Jahre ihm vortheilhaft bekannt waren, wie z.B. dem Hofkupferstecher Schwerdgeburth. Goethe forderte diesen ausgezeichneten Künstler selbst auf, sich für ihn zeichnen zu lassen, weil er gern dessen Bildniß in die Sammlung von Portraits der Männer haben wollte, mit welchen er zusammen gelebt hatte. Schwerdgeburth erfüllte diesen Wunsch und wurde durch die ihm zutheilgewordene Auszeichnung zum Aussprechen des schon viele Jahre gehegten Wunsches ermuthigt, daß ihm Goethe nun auch eine oder einige Stunden sitzen möchte. Goethe schlug es ihm aber mit folgenden Worten ab: »Ich habe sooft Künstlern gesessen, man hat mich damit gemartert und geplagt, und von den [125] vielen in der Welt coursirenden Abbildungen sind die allerwenigsten mir zudanke. Ich bin dadurch verdrüßlich geworden und habe mir zum Gesetz gemacht, mich niemandem mehr herzugeben. Vergangenen Sommer waren einige namhafte Künstler, die Empfehlungen ihrer Gönner hatten, hierher gereist, aber ich schlug es ihnen aus denselben Gründen ab und will meinen Vorsatz auch halten. Hätten wir früher davon gesprochen, so hätte ich Ihnen gern gesessen.«

Der Künstler hatte während dieser Rebe unverwandt sein Auge auf das Gesicht des Sprechenden gerichtet, der in der schönsten Beleuchtung vor ihm stand. Goethe entließ ihn freundlich, und Schwerdgeburth eilte nach Hause, das Bild, das ganz frisch vor seinem Geiste stand, sofort zu zeichnen. Da er schon bei früheren Besuchen ein ganz besonderes Studium, wie aus Goethes ganzem Gesicht, so besonders aus der eignen Bewegung seines Mundes gemacht hatte, die sich zeigte, wenn er tiefe Töne ausstoßend, ohne etwas zu sprechen sich doch sehr verständlich machte, so gelang die Zeichnung so gut, daß er selbst darüber erstaunt war. Der Künstler eilte nun mit dieser zu Frau v. Goethe, zeigte ihr den Entwurf, erzählte ihr die fehlgeschlagene Hoffnung und bat um die Vergünstigung, wenigstens seine Zeichnung vergleichen zu dürfen, die er zurückließ.

Durch der Schwiegertochter Verwendung und den gelungenen Versuch wurde Goethe bewogen, nach einigen [126] Tagen den Künstler rufen zu lassen. Als dieser ankam, trat ihm Goethe mit der Zeichnung in der Hand freundlich entgegen, klopfte ihn auf die Schulter und sagte: »Das haben Sie recht gemacht, daß Sie sich hinter die Frauenzimmer gesteckt haben. Mir ist die Entstehung dieser Zeichnung eine freudige Erscheinung, und deshalb will ich alles thun, was Sie zum Ziel Ihres Vorhabens führen kann: ich will sooft sitzen, als Sie es wünschen. Jetzt haben Sie nichts zu ändern, als den zu ernsten Zug um den Mund, wozu ich sogleich sitzen will. Wenn Sie Ihre Zeichnung auf ein anderes Blatt übergetragen haben, lassen Sie es mich wissen. Wir wollen alles Mögliche thun, Ihr so gut angefangenes Werk zur möglichsten Vollkommenheit zu bringen.«

Der treffliche Künstler ging nun thätig an die Arbeit. In der Mitte des Januar war er soweit fertig, daß er Goethen die Zeichnung vorlegen konnte. Dieser fand nicht nur die Stellung nach seinem Wunsche, sondern erkannte auch das Ganze als höchst gelungen an. Er saß nur noch kurze Zeit, und als er den Künstler entließ, äußerte er noch: »Die Welt mit diesem Kupferstiche bekannt zu machen, soll mein Werk sein. Machen Sie sich rasch an die Arbeit!« Als der Künstler schon zur Thüre hinaus war, öffnete Goethe noch einmal und rief recht väterlich wohlwollend nach: »Seien Sie ja recht fleißig!«

Goethe hatte große Sorge für die Ausführung [127] dieses Kupferstichs. Bis zu seinem Krankwerden ließ er oft nach dem Fortgang der Arbeit fragen und zum Fleiß auffordern.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1831. Ende 1831 und Anfang 1832. Mit Karl August Schwerdgeburth. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A4AD-3