1813, kurz nach 2. December.
Mit Friedrich de la Motte Fouqué
So ließ ich mich denn eines Vormittags zum Abschiedsbesuch bei Goethe melden und fand sehr gütigen Empfang. Der Meister kam auf einen vor kurzem an's Licht getretenen, französischen Roman zu sprechen, »Marie« geheißen, verfaßt durch Ludwig Buonaparte, ehemaligen König von Holland, und ließ günstige Worte darüber vernehmen. Ich, so eben aus dem Felde Heimkehrender, hatte natürlich noch nichts davon gesehn, äußerte jedoch, meine Frau bewahre ein eigenes Interesse an französischer Literatur, und ich könne ihr überhaupt nicht leicht Erfreulicheres mitbringen, als ein Dichtwerk von Goethe empfohlen.. »Nur Dichtwerk« – entgegnete der Meister langsam; »damit legen Sie denn doch wohl einen etwas zu hohen Maßstab an. Nicht als Dichter müssen Sie es messen wollen, aber als ein interessantes Buch muß man es in der That gelten lassen.« Er fuhr jedoch fort, sich selbst herunterzuhandeln, und es blieb endlich vom Lobe nicht viel mehr übrig, als Theilnahme an der edlen Persönlichkeit, mit welcher Goethe in Karlsbad Zimmer an Zimmer gewohnt hatte und in nähere Bekanntschaft zu ihm getreten war.
Dadurch aber hatte sich das Gespräch auf die neuere französische Literatur überhaupt gewendet, welche damals [116] noch nicht den grellen Gegensatz von Classischem und Romantischem in sich hervorgebracht hatte, wie heutzutage; vielmehr mochte noch im Ganzen um das Jahr dreizehn von ihr gelten, was in den Zeiten Ludwigs XIV. von ihr gegolten hatte. Somit sagte Goethe denn auch unter anderm: »Sehen Sie, ein Hauptunterschied zwischen der französischen und deutschen Literatur liegt darin, daß man dort entweder als zur anerkannten Richtung gehörig absolut da ist, unerschütterlich, oder, weil eben nicht zu den Gültigen gerechnet, gar nicht vorhanden ist; bei uns hingegen kann ich in dieser Ecke der Stube stehn und Sie mir diagonal entgegengestellt in jener, und wir sind und bleiben alle beide da.«
Heiter dachte ich an die Delphischen Marmortäflein und mein penibles Gedicht und nahm in der allerzufriedensten und allerdankbarsten Stimmung Abschied, wobei denn noch ausdrücklich ausgemacht ward, ich solle dem Meister meine künftigen poetischen Productionen, sowie sie an's Licht träten, einsenden.
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