1811, 9. Mai.
Mit Sulpiz Boisserée
Gestern aß ich wieder bei ihm – denn ich esse nun alle Tage mit ihm – und ich brachte die Rede auf die Schlegel. Er hatte sich in den ersten Tagen freundlich nach Friedrich bei mir erkundigt, über unsere Verhältnisse mit ihm, und hatte sich recht gut, aber kurz über ihn geäußert; jetzt wollte ich einmal näher wissen, wie er dachte. Da kam nun leider eine schwache Seite zum Vorschein: gemischter Neid und Stolz des furchtsamen Alters. Er schalt sie unredlich, und alles was ich mit Mäßigung, doch mit Bestimmtheit in Rücksicht Friedrichs, an den ich mich hauptsächlich hielt, dagegen wandte, diente nur dazu, um ihm Erklärungen zu entlocken, die zwar zum Theil gegründet und mit dem, was man jedem, der Schlegel nicht genauer kennt, einräumen muß, zusammenstimmen, indessen blieb eine [14] Menge und das Hauptsächlichste übrig, was sich lediglich auf Persönlichkeiten stützen kann. Alle kleinen Kränkungen: Novalis, das Stillschweigen von August Wilhelm über »Die natürliche Tochter« u. s. w. wurden angerechnet und jedes, worin sie die Anerkennung seines Werthes an den Tag gelegt, als Absicht ausgelegt: sie hätten ihn mehr aus Klugheit, als aus Achtung – den einzigen von den Alten – noch bestehen lassen; alles sei Absicht. Er sagte: wenn er ganz in meine Ansicht einginge, die sich bei Friedrich mit allem Schein von Unredlichkeit ganz gut vertrüge, ohne sie im geringsten zuzugeben, sei das einzige, was er da sagen könne, doch immer: wer zuviel unternimmt, muß am Ende ein Schelm werden, mag er sonst so redlich sein, wie er will. Und damit ließ ich es eben gut sein. In dem ganzen Gespräch setzte er mein Treiben mit dem Dom, als ein redliches, jenem entgegen, und ich verstand erst noch mehr, was er am Tag vorher gemeint hatte.
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