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Nun bin ich seit Sonnabend den 15. wieder in Jena, in derselben morschen Schindelhütte, wo wir doch wiederholt so schöner Tage genossen, bringe meine Geschäfte, die Sie kennen, vor Winters in Ordnung und leide, nach wie vor, an dem cimmerischen Nebel-Regen-Wetter, welches mir die Berge gegen meinen Fenstern über verhüllt und verdüstert.
Diesen Äußerlichkeiten aber zum Trutz werden aufgehäufte Papiere geordnet und redigirt, ferner zwey neue Hefte meiner Zeitschriften in den Druck gegeben, und so wollen wir abwarten, ob nun noch trockne, wenn auch nicht heitere Tage uns vor Winters zu Hülfe kommen.
Schubarth war in Berlin, und ist wahrscheinlich wieder da; es wird Sie wie mich freuen, dieses affirmirende Individuum kennen zu lernen. [...][99][...]
Wie es mir ergangen, meldet ein besonderes Blatt; nun aber erfreue mich zuvörderst, daß auch Sie, das Banner der Verzweiflung aufsteckend, die allerliebsten[100] Paragraphen gewonnen haben. Möchten Sie doch in diesem Sinne sich weiter aussprechen! Bedenken Sie, daß sonst alles zusammen verloren geht. Niemand will und kann aufnehmen, was der andere begonnen hat. Nicht ein leidiger Egoismus liegt allein zum Grund, die Abgeschlossenheit ist es, die einen jeden umzirkt; das Individuum muß sich selbst aussprechen, niemand kommt ihm zu Hülfe. Da kenn ich denn aber auch die Unentschlossenheit sehr gut, die nicht gerne sagen möchte: es ist zwar nicht fertig, aber es ist genug.
Mir wär nun aber auf meinem wissenschaftlichen Wege auch zum höchsten Gewinn, wenn Sie sich gerade jetzt entschlössen, das phosphorische Licht, was in Ihnen so herrlich waltet, auch nach außen leuchten zu lassen: denn in meinem nächsten Heft Zur Naturwissenschaft nehm ich die Chromatik wieder auf, indem ich ältere Aufsätze, Confessionen, Erläuterungen, Streitfragen sogar mancher Art, die bey mir, seit Jahren, nicht nur skizzirt, sondern wirklich ausgeführt, nieder- und bey Seite gelegt waren, ohne weiteres abdrucken lasse; wobey ich Ihrer Arbeiten nothwendig gedenken muß, als welche vor meine Anfänge hinaus gegangen sind, und erst meine Urwelt constituiren.
Auch kann ich vertrauen, daß mir das sicherste Kennzeichen zur Hand ist: im Buchhandel sey Nachfrage nach der Farbenlehre; denn ich verwahre die Tafeln, lasse sie abdrucken und illuminiren, und nun[101]sind mit einer gewissen Hast 50 Exemplare zu Michael bestellt worden. Lassen Sie uns das Eisen schmieden, da es heiß zu werden scheint, und entziehen Sie dem löblichen Handwerk ihren Hammer nicht.
Gedachtes Heft muß überhaupt wunderlich werden; denn ich denke, nach allen Seiten, aus den Mauern Warte-Steine genug hervorragen zu lassen, die für mich oder andere aufs Fernere deuten.
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- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 24. September 1821. Goethe an C. L. F. Schultz (Auszug). Z_1821-09-24_c.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1643-E