[1]
Göthes Farbenlehre
nach den Grundsätzen der Naturphilosophie
vorgetragen
vom {Herrn} von Henning
im Sommersemester 1823.
J. Kropatscheck1

Göthes Farbenlehre.

[[3.]] 
1. den 1 Mai.

Göthe hat {sich} über 30 Jahre {mit} {diesem} heitern {Gegenstande} beschäfftigt.
Er hat {noch} wenig Anerkennung {mit} {seinen} chromatischen Bemühungen gefunden.

Siehe (S.) von Henning über {diesen} {Gegenstand}, Berlin, Dunker und Humblot, 1822.
Über das {Verhältniß} der Götheschen Farbenlehre zur Naturphilosophie
{überhaupt}.
{Dieser} {eine} Zweig der {Naturwissenschaft}, behandelt von Göthe,
ist vorzugsweise {ein} Beweis der {vernünftig}-empirischen Naturbe-
trachtung
und davon, wie viel {sie} leisten kann und geleistet hat.
Jn den letzten Jahren haben {sich} mehrere Naturforscher daran begeben,
diese Disciplin {nach} Göthe geltend zu machen, z. B. Carus. Die
Physiker {sind} besonders (bes.) zähe in der Annahme der Götheschen Darstellung der
Farben. Jn der Anatomie, Mineralogie und Botanik haben {seine} Ver-
dienste schon mehrere anerkannt. Newton ist barbarisch {mit}
{diesem} {Gegenstande} umgegangen.

Nur, wie Göthe sie {auffaßt}, {werden} Farben und Licht begreiflich. Die
strengste Erfahrung bildet die {Grundlage} {seiner} Theorie, nicht Hypo-
thesen, wie {man} gern meint, {weil} {man} sieht, daß {sich} die Naturphilosophie (Naturphilos.)
{mit} {dieser} Theorie abgiebt. „Wir müssen {darauf} sehen, daß, wenn
und da wir Recht haben, wir {auch} in der {Gegenwart} und Erfahrung Recht
haben“ - sagte Göthe {selbst} zum {Herrn} v. Henning. Die Natur {nach} der Seite
ihres sinnlichen Äußerlichen muß {sich} zustimmig erweisen der {nachherigen}
Theorie. Die Philosophie (Philos.) hat es {überhaupt} in allen ihren Zweigen {nicht} {mit} {einem}
{Einbildischen}, {sondern} {mit} {einem} Wirklichen und {Gegenwärtigen} zu thun. Die äußere
sinnliche Natur hat zur innersten Wurzel die {göttliche} Jdee; ihre
Weise ist die sinnliche Wahrnehmbarkeit, {das} Räumliche und {Zeitliche}.
{Dieses} {sittlich}sinnlich1 Wahrnehmbare darf {durchaus} {nicht} gering geachtet und hinten
angesetzt {werden}. {Das} eigentliche {Verhältniß} zwischen speculativer und em-
pirischer Naturbetrachtung
soll hier an {einer} {einzigen}, höchst gelungenen
Disciplin dargelegt {werden}.

Bei der Göthischen Farbenlehre haben wir es also {mit} {einem} Erfahrungs-
[4.] mäßigen zu thun. Aber zur Erfahrung gehört mehr als die
bloßen Sinne; das {Einzelne}{Einzige}2, Flüchtige und Vorübergehende soll ge-
fesselt werden und ins Allgemeine erhoben. Jn {diesem} Sinn
ist recht gesagt worden: {man} erfahre nur dies, was {man} weiß.
Wie wir3 die Welt uns anschautanschauen, so schaut4 {sie} uns wieder an. Nur {das}
Thier sieht und hört, denkt aber {nicht}, hat {nach} Aristoteles nur den
passiven νοῦς. Der {Mensch} hat {auch} den νοῦς ἐνεργητικός. {Auch} bei der
empirischen Betrachtung der Natur kommt es {darauf} an, {mit} {welchen} Augen
{man} sieht, {mit} {welchem} Sinn {man} an die Erscheinungen tritt. Der Sinn Göthes
ist nun der {vernünftige}, {durch} {Verstandesreflexionen} {nicht} getrübte Sinn.
Nicht umsonst machte er {aus} der Lehre von den Farben den {Gegenstand}
{seines} Forschens. Die Farbenlehre war besonders (bes.) {vernachlässigt} {gegen} die
übrigen Capitel der Physik: Magnetismus, Elektricität etc. Göthe
hat zuerst das Licht als dasjenige (dasj.) geltend gemacht, als welches es
{sich} schon ankündigt, nämlich als {ein} einzelnes und {einfaches}. Kant
schon deutete {auf} {diese} Bahn hin, aber niemand schlug {sie} ein.
{Diese} Naturbetrachtung pflegt {man} die dynamische zu nennen im
{Gegensatz} {gegen} die atomistische, {welche} die Franzosen und Engländer vor-
züglich betreiben, und der das Princip der Jdealität abgeht. Das
Licht nun giebt ab am leichtesten das {Beispiel} {einer} Naturbetrachtung,
{welche} {nicht} atomistisch sein will. Newton, sagt {man}, habe die
Farbenlehre {dadurch} fertig gemacht, daß er {sie} mathema-
tisch behandelt habe. Mit {diesem} mathematischen (mathem.) Bearbeiten der Natur-
beobachtungen ist es so, daß bei {einzelnen} {Gegenständen}, die bloß äu-
ßerlich {sind}, {diese} mathematische (mathem.) Betrachtungsweise {ganz} gut ist z.B. Lehre vom Stoß5; bei
andern {Gegenständen} ist es anders, und da muß {man} denn genaue
Experimente machen. Qualitativ, {nicht} quantitativ be-
trachte {man} die Natur. Als {Zusammengesetztsein} und Getrenntsein
die letzte Form im {Denken} {ausmachte}, machte {auch} Newton {diese}
Betrachtungsweise in der Physik geltend. Aber das Princip
der Jdealität und des {Gedankens} fehlte ihr.

2. den 6 Mai.

Göthe hat {nicht} das Licht als solches zum {Gegenstande} {seiner} {Untersuchungen} gemacht,
{sondern} die Farben; aber grade die Farben {sind} es, {welche} die Natur des
Lichts offenbaren. Das Licht ist {nach} 2 Seiten zu betrachten: {einmal} {nach}
{seiner} mechanischen Seite, wo es {Gegenstand} der Optik ist. Hier handelt es
{sich} nur um die Bewegungen des Lichtes, und hier ist die mathematische (mathemat.) Be-
[5.] handlung an ihrer Stelle. 2) ist das Licht {nach} {seiner} physischen Seite zu
betrachten. Denn {seiner} qualitativen Beschaffenheit {nach} steht es der Materie
{gegenüber}, und hier begegnen uns zuerst die Farben, {womit} eigentlich die
Physik eröffnet {werden} sollte. Hier {wird} das Licht {durch} die Materie ge-
trübt, und so entstehen die Farben. Schon in der Wahl {dieses} {Gegenstandes}
bewährt Göthe {seinen} tiefen Natursinn. - Das Licht ist das schlechthin
Einfache in der Natur, nichts Zusammengesetztes.

Bedeutung der Natur {überhaupt} und ihr {Verhältniß} zum Erkennen.

Über die Naturphilosophie {sind} seltsame Vorstellungen verbreitet. {Man} nennt
{sie} ein Unbestimmtes und Nebelhaftes. - Unter Naturphilosophie (Naturphilos.) hat {man} {nichts}
mehr und {nichts} weniger zu verstehen, als {eine} {denkende} Erkenntniß der Natur.
Da scheint es, sei die Naturphilosophie (Naturphilos.) von den andern {Wissenschaften}, die {sich} {auf} die
Natur beziehen, {ganz} verschieden. {Diese} {Wissenschaften} mögten {nichts} zu thun haben {mit} der {denkenden}
Erkenntniß (Erk.) der Natur. {Man} nennt {diese} Disciplinen empirische Disciplinen. Sie gründen
{sich} {auf} sinnliche Anschauung. So scheint es, {sein} nur die Sinne die Organe
{dieser} {Wissenschaften}. Aber {selbst} {auf} dem empirischen {Standpuncte} ist es {mit} dem
Hören und Sehen {nicht} abgemacht. Jm {Gegensatz} {gegen} {diese} Betrachtung wäre dann
die Naturphilosophie (Naturphilos.) nur das {denkende} Verhalten des Geistes zur Natur.
Aber so schlimm ist es {nicht}, und es verhält {sich} {mit} der empirischen {Wissenschaft}
besser, als mancher Physiker {selbst} weiß. - Zur Erfahrung gehört
mehr als {ein} bloß sinnliches Verhalten. Die {Erfahrungswissenschaften} enthalten {auch}
Gedanken, ja ihnen liegt {eine} förmliche Metaphysik zum Grunde, ohne daß
{sie} {selbst} es wissen. Jn {diesem} Fall ist {auch} Newton. Er sagt, die Physik
solle {sich} vor der Metaphysik hüten. Aber d. h., {sie} soll {sich} vorm {Denken} hüten,
und er {selbst} hat {sich} davor nicht gehütet. - {Man} sagt, {man} solle die Natur
nehmen, wie {sie} ist, und dazu mache {man} Versuche. Aber {mit} dem bloßen
{Aufnehmen} der {einzelnen} Erscheinungen als solcher, wie {sie} unmittelbar {sind}, ist
es {auch} hier {nicht} abgethan; kein Naturforscher thut nichts vom
Seinigen hinzu. Das erste ist die Erhebung des unmittelbar wahrgenomme-
nen {Einzelnen} zum Allgemeinen. Die unmittelbare Anschauung lie-
fert uns immer nur {Einzelnes}: {dieses} Thier, {diese} Erscheinung {etc.}. Solche
Generalien {aus} dem {Einzelnen} {sind} dann theils Gattungen, Arten, Classen,
{theils} allgemeine (allg.) Eigenschaften, Kräfte {etc.} {Dieses} Allgemeine ist nichts Sinnliches mehr.
Ein Thier, {das} Pferd kann {man} {keinem} zeigen, {sondern} {dieses} Pferd. Jenes Allgemeine (Allg.) also
gehört schon uns als denkenden, {nicht} uns als sinnlichen Wesen. Zunächst
kommen dann die Definitionen, indem {man} das Wesentliche {aus} der Anschauung
{heraushebt}. Das Hervorheben von Merkmalen ist stets wieder {ein} Thun
des {Verstandes} und der Abstraction. Es fällt leicht {auf}, daß {man} hier {nicht}
Merkmale meint, woran wir das Thier wiedererkennen können,
[6.] {sondern} Merkmale {sind} wesentliche Bestimmungen des Objects {selbst}. Dies ist
schon Metaphysik. Ferner faßt {man} {auf} Kräfte, Wirkungen, Ursachen,
Materien {etc.}. {Auch} hier ist {eine} Thätigkeit des Allgemeinen, denn {keiner}
kann den Magnetismus sinnlich {aufzeigen}, {sondern} nur den Magnet. Eben
so will das Gesetz der Bewegungen der Himmelskörper erschlossen sein.
Denken ist also hier ebenfalls nothwendig. Es kann scheinen als
widerspreche es dem Zwecke der Naturbetrachtung, {sich} {denkend} dabei
zu verhalten, denn {man} wolle ja wissen, wie die Natur sei.
{Durch} das {Denken} machen wir etwas Andres {aus} der Natur, als {sie} un-
mittelbar ist. {Man} sagt, {man} brächte Formen hinein, die nur un-
serm subjectiven (subj.) {Denken} angehörten, z. B. h Classen, Arten {etc.} Die Kräfte,
meint {man}, wären zwar dem {Gegenstande} immanent, aber doch {nicht} dem
Sinne, {sondern} nur dem Denken wahrnehmbar. Aber {ganz} eben so ver-
hält es {sich} {auch} {mit} den Gattungen, Arten {etc.}. Denn jedes {Einzelne} hat alle Bestimmungen
des {Unterschiedenseins} und alles Allgemeine an {sich}. Der Löwe ist Thier, {dieser}
Löwe ist {ein} Thier, {dieser} Löwe ist {ein} Löwe - also ist hier doch
zugleich etwas Objectives.

3. den 13 Mai.

Die philosophische (philos.) Erkenntißweise ist vom empirischen Thun verschieden, obgleich
{dieses} {eine} nothwendige (nothw.) {Durchgangsstufe} bildet. Worin besteht das Unge-
nügende der empirischen Erkenntnißweise? {Man} könnte {sich} berufen auf
den gesunden Natursinn. Er ahnet, daß in der Natur {eine} Totalität sei.
Eben so {wird} er bei Betrachtung der {einzelnen} {Gegenstände} ihre wesentliche
Einheit und Jndividualität anerkennen. Der {Verstand} zerreißt {nachher}
{diese} Einheit, und löst {sie} {auf} in abstracta. So werde ihnen die Natur
verleidet, erklären {selbst} sinnige Frauen. Die bloße Berufung {aufs}
Gefühl kann aber der {Wissenschaft} {nicht} genügen. Das Empirische in der
Naturbetrachtung {wird} nun so widerlegt, daß {man} das Endliche darin
{aufweist}. Dies geschieht in der speculativen Logik.

Jn der empirischen {Wissenschaft} ist {man} zum {Theil} {selbst} dahin gekommen, {diese}
{verständige} Erkenntnißweise als endlich und ungenügend anzuerkennen.
Z. B. in der Physiologie hat {man} die mechanische Weise der Betrachtung
{aufgegeben}. Es trat nun die chemische Weise ein. Aber den
Mangel {auch} {dieser} hat z. B. Rudolphi {nachgewiesen}. Jn der neuern
{Zeit} ist jene {ganze} Reflexionsweise {durch} Kant als unzurei-
chend, die Wahrheit zu erkennen, erklärt worden. Kants Antino-
mien. Das Resultat der Philosophie (Philos.) Kants von der negativen Seite
[7.] ist, das Wahre sei {überhaupt} für uns unzugänglich. {Auch} über {diese}
Wendung ist die {Vernunft} hinweggeschritten. - Die Endlichkeit in der empirischen
Weise der Naturbetrachtung zeigt {sich} in {zweierlei}: 1) in der Trennung
des Allgemeinen (Allg.) vom Besondern (Bes.) und 2) in der Trennung des Besondern ..6 [von] {sich} {selbst}.

Was das erste betrifft, so fixirt {man} in der empirischen
Naturbetrachtung
Kräfte, Gattungen, Classen {etc.}, z. B. Thier giebt
mir {keinen} weitern Fortgang zur Specification, {sondern} {diese} muß ich
{aus} dem Empirischen {aufnehmen}. Hier ist {keine} Brücke vom Allgemeinen (Allg.) zum
Besondern. Der {Verstand} ist hier {nicht} zugleich Anschauung, wie {sich} Kant
{ausdrückte}. Kant sagt: wäre der {Verstand} {auch} anschauend, so wäre ihm
die Wahrheit zugänglich, aber er kann {nicht} anschauend sein. Hierbei
blieb Kant stehen.

Was das 2te betrifft, so stellt {sich} uns das {Gegenständliche} dar als {ein} Con-
cretes, d. h. als {ein} solches, das {eine} Manchfaltigkeit von Bestimmungen in {sich}
enthält. {Man} braucht hier die {Ausdrücke}: bestehen, zusammengesetzt {sein}.
Z. B. die Pflanze besteht aus Stamm, Blättern u. s. w. Oft haben wir
2 Bestimmungen, deren {eine} nie ist ohne die andre. Aber die Zusammengehörigkeit
{dieser} Bestimmungen sieht {man} aber7 so gar nicht ein. Z. B. das Gesetz
beim Fall der Körper; hier {sind} 2 Bestimmungen: {Zeit} und Raum; wo
das {Eine} ist, da ist {auch} das Andre; aber {man} erkennt nicht, daß die {Zeit}
die Wurzel des Raums ist. So {wird} das Besondre (Bes.) {gegen} das Besondre (Bes.) getrennt,
und {diese} Trennung herrscht in der empirischen Naturbetrachtung.

Auf {diesem} {Standpunct} tritt die Natur dem {Menschen} als {ein} Räthselhaftes
{entgegen}, denn ich bin {Eins}, die Natur ist {ein} Zerstreutes, und nun findet
der {Mensch} {sich} {nicht} in der Natur, {sie} entspricht {seinem} Wesen nicht, ist
{ein} Anderes {seiner} {selbst}. Es ist aber der Drang des {Menschen}, {dieses} Räthsel
zu lösen, und die Kluft zwischen dem Subject und Object {auszufüllen}.

So spricht {man} {auch} vom Jnnern der Natur als {einem} Unzugänglichen
und {einem} Jenseits. {Dieses} Jnnere der Natur ist aber das concret
Allgemeine, die Jdee, {welche} {das} Eigenste und Jnnerste des {Menschen} ist, und
nicht ein ihm8 Fremdes. Göthe sagt:

„{man} müsse die Natur betrachten,
immer {eins} für alles achten.
Nichts ist drinnen, {nichts} ist draußen,
denn was innen, das ist außen.“
„So ergreifet ohne Säumen heilig öffentlich Geheimniß.“9
1

Es kommt {darauf} an, {mit} {welchem} Sinn {man} die Natur betrachtet. Wer {sie} geistig
und heiter betrachtet, sieht, daß {sie} weder Kern {noch} Schale habe (Göthe
{gegen} Haller („Jns Jnnre der Natur dringt {kein} erschaffner Geist, glückselig etc.“)

[8.]

Das Jnnerste der Natur ist der Natur10 Gedanke, νοῦς, die {göttliche} {Vernunft}.
Die umgekehrte Ansicht, daß die Natur {gegen} den Geist {ein} Anderes sei,
ist die Ansicht des Aberglaubens und der Unfreiheit. Aber der {Mensch} hat {diesen} Proteus der Natur ewig gezwungen, ihm Rede zu stehen.

4. den 15. Mai.

„Jns Jnnre der Natur“ O du Philister! „dringt kein erschaffner Geist.“ Mich und Geschwister Mögt ihr an solches Wort Nur nicht erinnern. Wir denken: Ort für Ort Sind wir im Jnnern. „Glückselig, wem sie nur „die äußre Schale weißt!“ Das hör' ich sechzig Jahre wiederholen, Und fluche drauf, aber verstohlen; Sage mir tausend, tausend Male: Alles giebt sie reichlich und gern; Natur hat weder Kern Noch Schale, Alles ist sie mit einem Male; Dich prüfe du nur allermeist, Ob du Kern oder Schale seist!Goethes Gedicht „Allerdings. Dem Physiker“, WA I 3, S. 105.11 Das Jnnerste der Natur ist unser eigenes Jnnerstes, {auch} ihr liegt
die {Vernunft} zum Grunde. Denken und Gedachtes fallen hier in {eins} zusammen,
und von solcher Art ist das philosophische (philos.) Erkennen {überhaupt}. Uns ist es
um {ein} begreifliches Denken zu thun. Unser Begriff ist aber {nicht} der
Begriff des gemeinen {Bewußtseins}, nicht12 das abstract und nur Allgemeine,
{sondern} {ein} Concretes. Der Begriff ist {auch} nicht etwas von uns Gebildetes
und Gemachtes, er ist nichts Subjectives, {sondern} die innerste Wurzel
des {Gegenständlichen}. Die Natur aber als solche gelangt nicht dazu, {sich}
zu begreifen; {sie} {wird} {sich} ihrer Seele {nicht} bewußt, {sie} erfaßt {sich}
{nicht} in der Form der Allgemeinheit, schaut nicht ihr Wesen an.
Sie hat {eine} eherne Binde um ihr Auge, so daß {sie} {sich} {selbst} {nicht} anschaut.
Das Höchste, wozu {sie} es bringt, ist die Form des empfindenden
Lebens. Das empfindende Leben ruht aber immer nur in und {auf} der
Einzelnheit, schwebt nie über derselben in der Weise der Allge-
meinheit. Der {Mensch} aber ist wesentlich denkend, d. h. er weiß von
{sich} als {einem} allgemeinen, und {damit} erkennt er {auch} die ihm {gegenüberstehende}
Natur, deren Wesen gleichfalls das Allgemeine ist. Die Natur
ist {nicht} die ägyptische Jsis. Jm {Menschen} feiert die Natur fort-
während ihre Befreiung, denn {sie} ist in der Knechtschaft, von {sich} {selbst}
nichts zu wissen. Die Natur ist {nicht} außer uns d. h. außer
dem denkenden Geiste, {sondern} {sie} ist nur außer sich, {sie} ist das
Außer-{einander}, und im Geiste kehrt {sie} {aus} {diesem} Außer-{sich}-sein
in {sich} zurück. Es ist {eine} religiöse (relig.) Lehre, daß der {Zustand} der Natürlichkeit dem
{Menschen} {ein} unseliger {Zustand} sei, ein {Zustand} der Verdammniß. Zur {Theil-
nahme} am {Göttlichen} kommt der {Mensch} nur, wenn er {sich} {aus} {seiner} Natürlichkeit er-
hebt, und wiedergeboren {wird}. {Diese} religiöse (relig.) Lehre findet im vorher
Gesagten ihre Begründung.

Die endliche {Wissenschaft} giebt dem {menschlichen} Geiste {nicht} die Befriedigung, daß
er die Natur erkennt als das Seelenvolle, vom {göttlichen} Athem Be-
lebte. {Diese} Befriedigung erlangt der Geist, wenn er in der Natur
{das} Jnnerste {seiner} {selbst} erkennt, „das geistige Band,“ {welches} das {Außer-
einander} der Natur umschlingt, und zu {einer} {Einheit} faßt, kurz dem Begriff.

[9.]

Es giebt nur eine Weise, die Natur begreiflich zu machen, nämlich
das Darlegen, daß {sie} {nichts} anders sei als die Jmmanenz und Evolution13 des Ab-
soluten, des Begriffs. Was versteht {man} denn in der Philosophie
unter dem Begriff? Was ist das gewöhnliche {Bewußtsein} über die
Natur des Begriffs? Der Begriff ist {danach} etwas bloß Subjectives,
was {man} denn {auch} Gedanke nennt, {mit} der nähern Bestimmung, daß {man}
darunter eine allgemeine (allg.) {Gedankenbestimmung} verstehe. Der {Gedanke} erscheint
{hierauf} als etwas {für} {sich} Leeres und Unbestimmtes und das Denken
die Thätigkeit des abstract Allgemeinen. Wahrhaft ist das
{Denken} {sich} bestimmend und {diese} {seine} Bestimmtheit {nicht} von außen erhaltend.
{Diese} {sich} {selbst} bestimmende Allgemeinheit ist der Begriff in der philosophischen
Sprache. Dies allein verdient {auch} nur den Namen Begriff, insofern
{man} {unter} Begreifen das Erfassen dessen, was ist, in {seinem} Wesen ver-
steht. Zu {diesem} Ende darf {man} {nicht} den abstracten Begriff, {sondern} muß
den concreten mitbringen. Das Wesen dessen, was ist, kann aber {nicht} das
caput mortuum der bloßen Allgemeinheit {sein}, {sondern} es muß das
punctum saliens der Lebendigkeit, der Quellpunct alles Lebendigen
sein. Der Begriff muß daher das Moment der Besonderheit {auch}
schon in der Anlage in {sich} enthalten. Bestimmen aber heißt
negiren: omnis determinatio est negatio, folglich ist der
Begriff als das {sich} {selbst} Bestimmende das {sich} {selbst} Negirende d. h. {seine} ab-
stracte Allgemeinheit Negirende, und dabei kommt {heraus} das {sich} {Unter-
scheiden}. Hierin aber verliert {sich} der Begriff nicht; er hört
im Besonderen {nicht} {auf} Allgemeines zu sein; er ist in {dieser} Negation
{seiner} {selbst} erst das concret Allgemeine, das Übergreifende über
das Besondre. Jenes erste Allgemeine (Allg.) als das abstract Allgemeine (Allg.) ist,
insofern das Besondre ihm {gegenübersteht}, selbst das Besondre.
Was nun negirt {wird}, ist {selbst} das Besondre, {welches} wir vorher das
Negative nannten. So haben wir {ein} Negiren des Negativen, {eine}
Negation der Negation, und dies ist erst das {wahrhaft} Affir-
mative und Positive. Dies Positive ist nun der Begriff, das Subjective,
das Jch, denn im Jch ist aller {Unterschied} enthalten. So ist der Begriff
der Lebenskeim von allem, was ist, von Natur und Geist.

5. den 22 Mai.

Der speculative Begriff, indem er {sich} entfaltet, und das Princip
der Differenz setzt, und zur {Einheit} zurückkehrt, {wird} Jdee. Der Begriff (Begr.)
ist nur insofern Jdee, als {seine} Bestimmungen in der Weise {selbstständiger}
Existenzen vorhanden {sind}. {Diese} Jdee nun ist {überhaupt} das Absolute.

[10.]

Halten wir die allgemeine (allg.) {göttliche} Jdee, die so alles ist, im Momente
des {Unterschiedes} fest, so haben wir {hierunter} die {Grundbestimmung} der Natur.
Sie ist die Jdee in der Weise des Andersseins, im Moment des
{Außersichseins}. Die Jdee ist aber {nicht} {ein} Ruhendes, Todtes, {sondern} {sie} ist we-
sentlich Proceß, d. h. {sie} ist das Setzen des {Unterschiedes} oder {nach} Aristoteles
das unbewegte Bewegende. Jn der Bewegung der >Jdee erscheint die Na-
tur als {eine} der Stufen, {welche} die Jdee in ihrem Verlauf betritt.
{Dieses} dem Begriff (Begr.) gemäße Hervortreten der Natur erscheint in der religiösen (relig.)
Lehre als Erschaffung der Welt. {Gott} {wird} hier dargestellt als das in {sich}
Seiende, das {sich} {aus} {seiner} Ewigkeit {heraus}, {aus} {sich} {selbst} {sich} entlassen habe zu {einem} Andren
{seiner} {selbst}, der Natur, die also {nicht} {aus} {einem} Stoffe entstanden sei. Bekanntlich
ist {nach} {dieser} Lehre die Welt {nicht} {ein} Ewiges, {auf} {sich} Beruhendes, {sondern} {ein} {aus}
{einem} Andern Hervorgegangenes, und {dieses} Andre ist die Jdee.

Unter Welt versteht {man} überhaupt den Jnbegriff des Endlichen, {Gott} als
dem Unendlichen {gegenüber}. Welt ist insofern {ein} umfassenderer {Ausdruck}
als Natur, als zu ihr außer der Natur {noch} der endliche Geist gehört.
Was aber das {Verhältniß} des Geistes zur Natur {überhaupt} betrifft,
so kehrt im Geiste die Natur {aus} ihrem Außer-{sich}-sein zurück,
{wonach} {sie} aber {auch} {aufhört}, Natur zu {sein}, und Geist {wird}. Endlich ist der
Geist, insofern er {auf} der Rückkehr zur Jdee begriffen ist, in
der Reconstruction der Jdee. Der Geist ist nun gleichfalls
{eine} Totalität von Stufen, die im Processe begriffen {sind}. Die Wahrheit
des endlichen Geistes aber (sein Beruf) ist der absolute, {göttliche}
Geist, in dem jene Trennung überwunden ist, und wo {nicht} mehr
von {einem} Andern gesprochen {wird}. Daß {Gott} Geist und zwar {nicht} {ein} Geist
neben und außer andern Geistern, {sondern} der absolute Geist ist,
ist {eine} Grundlehre der {christlichen} Religion. Geist ist er aber, insofern
er {dieses} ewige Leben ist, worin wir ihn betrachtet haben, {Gott} in
{seiner} Ewigkeit. Er ist aber ferner in der Natur und im endlichen
Geiste {sich} offenbarend, und {dadurch} ist er lebendiger, persönlicher
{oder} als absoluter Geist {sich} bethätigender {Gott}. Die erste oder un-
mittelbare Offenbarung der {göttlichen} Jdee14 ist dann die Natur, und die {sich} hier er-
gebende {Grundbestimmung} ist also, daß in der Natur die Jdee in ihrem
Anderssein sei.

Während die Jdee {dieses} schlechthin in {sich} {einige} Element ist, in dem
[11.] es zu {keiner} Absonderung kommt, so hat die Natur wesentlich den
Charakter des {Außereinander}, des {Außersichseins}. Jn {diesem} {Außer-
sichsein} aber ist und bleibt die Jdee, {welche} die absolute Grundlage
bildet, und wir können {dieses} der Natur {sich} Mittheilen die Güte der
Jdee nennen. Mit {diesem}, was hier als Grundbestimmung der Natur
angegeben wird, stimmt unser Wesen überein. {Auch} an uns {selbst} haben
wir {eine} Natur, {eine} Weise des natürlichen Seins, und {auch} {diese} Natur
{wird} von uns {unterschieden}. Wir nehmen unser Jch, und betrachten unser
Natürliches {dagegen} als {ein} Äußeres. {Diese} Bestimmung der Äußerlichkeit ist
aber {nicht} bloß relativ, {sondern} die Natur ist das an {sich} Äußerliche,
und ihr Proceß ist der der Überwindung {dieser} Äußerlichkeit als {einer} der
Jdee unangemessenen Weise der Realität, und {diese} Bestimmung
ist als {eine} immanente der Natur {selbst} festzuhalten.

Die Begriffsbestimmungen haben in der Natur den Schein {eines} gleich-
gültigen Bestehens und der Vereinzelung gegen {einander}. Die allgemeine (allg.) Weise
der natürlichen Existenz ist {überhaupt} die, {welche} wir die materielle
nennen. Die Materie ist theilbar, d. h. {sie} ist das {sich} {selbst} Äußerliche,
das {Nebeneinander}, das {Ausgedehnte}. So ist's {auch} {mit} jenen abstracten Formen,
deren Einheit die Materie {ausmacht}, der {Zeit} und des Raums. An {beiden}
haben wir {diesen} Charakter: an der {Zeit} das {Nacheinander}, am Raume
das {Nebeneinander}. {Dieses} {Außereinander} giebt der Natur zunächst
den Charakter der Unermeßlichkeit, aber {diese} äußerliche Seite ist
gerade dasjenige (dasj.), worin ihre Endlichkeit und Unwahrheit besteht. Jhr Centrum,
die alle Gestaltungen {durchdringende} Seele, ist der Begriff, {dieses}
schlechthin Jnnerliche, in {sich} Concrete. {Dieser} Begriff nun bildet aber
{ein} System von Gedankenbestimmungen, die dann {auch} in der Natur
anzutreffen {sind}, allein dem Princip der Natur gemäß als
{selbstständige}, {einander} {gegenseitig} {ausschließende} Gestaltungen. Zunächst z. B.
das Sonnensystem. Dies ist {eine} {Einheit}, {eine} Weise, wie {sich} die Jdee in
der Natur präsentirt, allein so, daß die Glieder (Planeten,)
für {sich}, getrennt, {auseinander} geworfen {sind}; {sie} {sind} wohl {ein} {Ganzes},
Einiges, aber in der Weise der Zerstreuung. Dasselbe zeigt
{sich} in der physikalischen Natur, z. B. im Magnetismus. Der Magnet
enthält 2 Pole und {einen} Jndifferenzpunct in der Mitte; so
ist er {ein} {Außereinander}, aber {dieses} {Außereinander} ist schlechthin
zusammengehalten {durch} den ihm inwohnenden Begriff.

[12.]
6. den 27 Mai.

Die Natur stellt {sich} aber {nicht} als bloßes Nebeneinander
dar, {sondern} als {ein} System von Stufen. {Man} spricht von höhern und
niedern, vollkommnern und unvollkommnern Naturen. Betrachten
wir z. B. die 3 Reiche der Natur, so ist das Thierreich {ausge-
bildeter} als das Pflanzenreich, {dieses} vollkommner als das
Mineralreich, und die {beiden} {ersten} als Reiche des (lebendigen) Orga-
nismus höher als das Anorganische. {Auch} in {sich} bilden {diese} Reiche
{einen} Fortgang vom Abstractern zum Concretern. Die Natur
hat aber {ein} bestimmtes Ziel und {einen} festen Entzweck: die Über-
windung der ihrem Zweck {nicht} angemessnen Äußerlichkeit und
Unmittelbarkeit. Dies geschieht im Geiste; hier ist der Begriff (Begr.)
zunächst {ein} Jnneres, tritt aber dann frei {heraus}, und {wird} {sich} {selbst}
zum {Gegenstande}. Jch = ich ist das Princip des Geistes. Daher ist der
Geist die Wahrheit der Natur zu nennen. Der Fortgang der
Natur ist {ein} Jn-{sich}-gehen {aus} {dieser} Äußerlichkeit, also ein Sich-{gegenständlich}¬
machen des Begriffs.

Wir wollen {noch} die Systematisirung der Natur betrachten,
um zu sehen, wohin das Licht gehört. Das {Ganze} geht {aus} in jenes
{Außereinander}, das wir den Raum nennen; von hier {aus} ergeben
{sich} 3 {Hauptsphären}: 1) die Sphäre der mechanischen Natur, 2) Physik
im engern Sinne des Wortes, 3) die organische Natur (Che-
mie). Jn der mechanischen Natur hat die Äußerlichkeit ihr freie-
stes Ergehen; der Begriff ist {noch} {ganz} innerlich, und erscheint in
der Gestalt der Schwere. Das Natürliche in {seiner} ersten Gestalt
nennen wir Materie als solche. Sie leistet Widerstand,
ist punctuell, {ein} materieller Punct schließt den andern {aus}.
Allein zugleich findet {eine} Beziehung {dieser} materiellen Puncte {auf} {einander}
Statt, {ein} Streben zur {Einheit}, und in {dieser} Beziehung nennen wir die
Materie schwer. Schwere ist die absolute Eigenschaft der
Materie, wohin {sich} alle ihre Bestimmungen zusammennehmen (zus.nehmen). Aber {auch}
die Schwere ist erst {ein} Suchen der {Einheit}, noch {nicht} {diese} Einheit {selbst};
die verschiedenen (versch.) materiellen Puncte sollen {eins} sein; aber es bleibt
nur bei {diesem} Streben in Bezug {auf} die Materie. Jedoch
die Natur überschreitet {diese} Stufe, und die Materie {wird}
{aufgehoben} in {dieser} Gestalt; {sie} {wird} leicht und Licht, und {hiermit}
[13.] treten wir ins Gebiet der Physik. Das Licht ist die erste Weise
des Physikalischen im {Gegensatze} [gegen] die massenhafte Materie.
Die 2te {Hauptsphäre} der Natur umfaßt die Physik und Chemie.
Jhr Charakteristisches ist, daß hier die Materie als qualitativ
bestimmt erscheint, während {sie} im Mechanischen nur quanti-
tativ, massenhaft verschieden ist. Hier erst kommt der {Unterschied}
als solcher zu {seinem} Rechte, und erweist {sich} als eigne Bestimmung
der Materie. {Damit} {sie} nun {unterschieden} sei, dazu gehört vor allen
Dingen das {Vorhandensein} der Jdentität gleichfalls als natürlicher
Existenz, und dies ist die Grundbestimmung des Lichts. Unter-
schied und Jdentität {sind} 2 schlechthin zusammengehörige Bestimmungen.
Es ist ferner hier das Eigenthümliche der Natur, daß die verschiedenen (versch.)
Bestimmungen des Begriffs als {selbstständige} Formen {auftreten}.
So ist die Materie im {Unterschiede} elementarisch. Die Elemente
{sind} die allgemeinen (allg.) Weisen des {Unterschiedes} am Materiellen.
Jdentität und {Unterschied} {werden} dann so in {Eins} gebildet, daß {sich} die
Jdentität darstellt als {unterschieden} und der {Unterschied} als Jden-
tität, {wodurch} der Charakter der organischen Natur angegeben
ist. Hier ist es zuerst, wo der freie Begriff als solcher
hervortritt: als Jdentisches und Differentes. Jn der Sphäre
des Mechanischen ist der Begriff {noch} innerlich und unentwickelt
als Schwere; die abstracte (abstr.) Materie ist nichts als schwer.
Jn der 2ten Sphäre entfaltet {sich} der Begriff (Begr.) in {seine} {Unterschiede}, und hier
ist die Natur in der Form der Differenz. {Dieselbe} 2te Sphäre
enthält dann {auch} das Überwinden des {Unterschiedes}, und {dieses} stellt
{sich} dar im chemischen Proceß. {Dieser} ist die höchste Form
der physikalischen Natur. {Damit} ist der Grund zur organischen
Natur gelegt, in {welcher} der {Unterschied} gebändigt ist. {Diese} 3te
Sphäre ist also die {Einheit} und Wahrheit der {beiden} {ersten} Sphären, denn in
ihr ist vereinigt, was an die {beiden} {ersten} Sphären vertheilt und
daher todt war. Die organische Natur ist daher das Princip
der Jdealität und Jdentität, {welche} vorher im Licht ihre eigne
Sphäre hatten. Jetzt aber kommt das Licht {nicht} von außen
an die dunkle Materie, {sondern} erscheint als Seele, die {einen} Leib
{durchddringt}; es {wird} Auge (das Licht, das von innen {herausbricht},) und
{überhaupt} das System der Sensibilität. Der Organismus stellt
[14.] {sich} wieder als {dreifacher} dar: 1) als geologischer, 2) vegeta-
bilischer und 3) organischer Organismus
. Das Leben ist das
Höchste, wozu es die Natur bringt, und woher {sie} fortgeht
zum Geiste. Wir nun, die wir {denkend} das Leben betrachten,
haben in ihm die Anschauung des Begriffs. Das Lebendige
ist vom Begriffe d. h. von der Seele {durchddrungen}. Das Leben
{selbst} aber und als solches begreift {sich} nicht, und {wird} {sich} {selbst} {nicht}
{gegenständlich}, und erfaßt {sich} nicht als Jch. So steht der Geist nicht
nur der Natur gegenüber, {sondern} richtiger über der Natur.
Die Farben nun kehren wieder in allen {diesen} Sphären der
Natur.

Das Licht und {sein} {Verhältniß} zur Materie.

7. den 29 Mai.

Hier stehen wir {auf} der Grenze zwischen der Mechanik und Physik, denn
die Materie liegt der Mechanik zum Grunde. So hat das Licht
{ein} doppeltes Verhalten: 1) {ein} quantitatives {nach} der Seite der Mechanik:
Optik, mathematisch bestimmbar, und 2) {ein} qualitatives {nach} der
Seite der Physik: Chromatik, Lehre von den Lehr15 Farben. Es
giebt {auch} {noch} andre Wirkungsweisen des Lichts, außer daß es
Farben bildet, denn es kommt {auch} vor im Organischen, Chemischen, in
der Elektricität, Wärme etc., aber alle {diese} Weisen {sind} nur
{untergeordnet}, und zusammengefaßt in der Chromatik, dem {Gegenstande}
unsrer Vorträge.

Jst das Licht {nicht} als {eine} besondre (bes.) Art von Materie zu betrachten?
So sehen die Franzosen das Licht an: als {ein} arrangement
de moln16ecules
. Was ist denn die allgemeine (allg.) Bestimmung der Materie?
Was ist ihr Begriff? Wir {sind} hier {auf} dem philosophischen (philos.) Gebiet,
wo esder Geist17 {sich} als {ein} freies {Denken}, {nicht} als {ein} {Denken} über {einen} gegebenen
Stoff verhält. Um den Begriff (Begr.) der Materie festzustellen, dürfen
wir uns daher {nicht} an die Vorstellung findenwenden18, wie es in den endlichen
{Wissenschaften} stets geschieht. Wir fassen den Begriff der Natur-
philosophie
{auf}, und lassen {diesen} sich forttreiben, denn er ist
ewig beweglich. Die Natur {überhaupt} ist {aufzufassen} als die Jdee
in ihrem Anderssein, in ihrem {Außersichsein}. {Dieses} hat die doppelte


[15.]

Gestalt des Raumes und der {Zeit}. Dies {sind} die {Grundkategorien}
alles Natürlichen. Woher aber kommen {sie}, und wie verhalten
{sie} {sich} zu {einander}? Was zuerst den Raum betrifft, so ist er
das ruhige, vermittelungslose {Außereinandersein}. Der Raum ist
also das schlechthin Discrete: Hier und hier und wieder hier.
Wo wir {ein} Hier setzen, weist es über {sich} {hinaus}, und wir {unterscheiden}
daran weder unten {noch} oben, weder rechts noch links. Jndem
nun der Raum bestimmungslos ist, so ist er {dadurch} zugleich ein
Continuum. Die verschiednen (versch.) Raumpuncte {sind} {durch} {keine} Unräumlichkeit
verschieden. So hat er 2 {entgegengesetzte} Bestimmungen: das absoluteabstracte19 {Außer-
einander} und die abstracte Continuität. Jn diesen 2 Bestimmungen
liegt der Begriff des Raums. {Dieser} Begriff (Begr.) des Raums in {seiner}
Bestimmtheit giebt uns die Dimensionen und Figurationen des Raums.
(Länge, Breite, Höhe; Punct, Linie, Fläche, Körper.) {Hierauf} können wir
uns {nicht} {einlassen}. Jm Begriff (Begr.) des {Raums}, der {sich} bestimmt, liegt folglich
das Moment der Negativität. (Omnis determinatio est ne-
gatio
.) Zunächst giebt uns also der Raum die Anschauung des
ruhig Seienden; aber er ist zugleich {eine} Unendlichkeit von Hier.
Die vielen Hier {sind} aber nur der Meinung {nach} verschieden,
denn {ein} Raumpunct ist ja {durch} {nichts} von {einem} andern Raumpunct
getrennt. (Daher sagte Zeno: Der fliegende Pfeil ruht, denn er
ist immer in {einem} Hier, und ich sage ja {nicht}, woher und wohin er
fliegt.) So hat der Raum in {sich} die Bestimmung der Punctualität,
das {Auseinander} des Raums ist kein Auseinander. {Dieser} Punct
nun enthält in {sich} {einen} Widerspruch; er ist das Negative des
Raums, und doch ist er, was er ist, nur {durch} {seine} Beziehung {auf} den
Raum; er ist {ein} unräumlich-räumliches Etwas. Die {Auflösung} {dieses}
Widerspruchs giebt uns die Figuration des Raums. Schon
die Eleaten sagen, daß {sich} der Punct zur Linie bewegt. {Hiermit} aber
ist das Moment der Negativität immer {noch} {nicht} zu {seinem} Rechte
gekommen. Jm Raum und am Raum gesetzt ist das Negative
immer {noch} in der Weise {eines} gleichgültig Bestehenden und bloß Be-
grenzenden. Das Negative ist {noch} {nicht} {für} {sich}. Das Gesetz[t]sein des Raums (die Figuration)20
entspricht {nicht} {seinem} Begriff, der reinen Continuität und der reinen
Discretion. - Die freie Negation am Raum gesetzt giebt nun


[16.]

die Zeit, und in ihr {wird} der Punct als solcher realisirt. Jn un-
srer Vorstellung betrachten wir Raum und {Zeit} als {ganz} verschieden.
Die philosophische (philos.) Betrachtung aber ist immanent. Die {Zeit} ist zunächst das
Andre und Negative des Raums als für {sich} seiend. Der Punct
ist in der {Zeit} für sich. Die Zeit ist das Jnsichsein im {Gegensatze}
{gegen} das {Außersichsein} des Raums. {Dieses} {Jnsichsein} der {Zeit} ist aber {noch} {nicht}
das freie {Jnsichsein} des {Selbstbewußtseins}, {sondern} es ist {ein} unmittelbares
Jnsichsein, das {noch} {nicht} befriedigt ist. {Man} nennt die {Zeit} das Mäch-
tigste, denn in ihr vergeht alles Natürliche, während im Raum
jenes ruhige Bestehen ist. (Kronos verschlingt {seine} eignen
Geburten.} Die {Zeit} ist das abstracte (abstr.) Vergehen, der Raum das abstracte
Bestehen. Zugleich aber ist die {Zeit} das Ohnmächtigste, denn die
Natur ist haltlos und rastlos. Jn der {Zeit} vergeht alles, aber
vor allen Dingen vergeht sie selbst, und verschlingt {sich} in {sich}.
Die {Zeit} ist das abstracte Werden in der Natur, {dieses} Um-
schlagen von {Sein} in Nichts und von Nichts in Sein. Die {Zeit} ist das,
was, indem es ist, {nicht} ist, und indem er {nicht} ist, ist, - {dieser} ab-
solute Widerspruch und {diese} reine Dialektik. {Dieser} Wider-
spruch ist hier vorhanden, den {man} oft {gänzlich} geleugnet hat, {oder}
nur betrachtet als in unserm Kopfe seiend. Der Wider-
spruch ist überall und das Princip alles Lebens. So sagt {man} {auch},
das Abstracte sei {nicht} vorhanden, {sondern} nur {durch} das Denken gesetzt.
Jn Raum und {Zeit} aber haben wir die Anschauung des Ab-
stracten. Freilich ist das Abstracte {nicht} {ein} Letztes und Wahrhaftes,
und dies weiß die Natur am besten, denn {sie} bleibt {nicht} bei
{Zeit} und Raum stehen. - Die nächste Gestaltung der Natur, die uns
nun begegnet, ist die Materie, die räumliche {Zeit} und der {zeitliche}
Raum, die Einheit von {Zeit} und Raum.

8. den 3 Juni.

Die Weise, wie die {Zeit} ist, ist {auch} ihrem Begriff (Begr.) {nicht} gemäß. Sie
soll das Verschwinden ihrer Momente sein. Das Verschwindende
muß also {sein}, aber in der {Zeit} ist kein Beharrendes, kein
Verschwinden-könnendes, {sie} ist das reine Verzehren, aber ein {sich} {selbst}
Verzehren. Etwas aber muß entstehen, etwas vergehen. Ein
solches Etwas ist aber in der {Zeit} {noch} {nicht} gesetzt, und {sie} hat also


[17.]

das Räumliche {nicht} in sich. Um {ein} solches Etwas ist es uns also
zu thun. Die Wahrheit der {Zeit} und des Raums, d. h. die Weise
der natürlichen Existenz, wodurch21 gesetzt {wird}, was der Begriff jener
erfordert, {sind} Materie und Bewegung. {Beide} {sind} dasselbe,
und darin {unterschieden}, daß das {eine} und selbe {einmal} räumlich und dann
zeitlich gesetzt ist. Von der Materie {wird} {ausgesagt}, daß
{sie} {ausgedehnt} sei - {eine} Bestimmung, die {auch} so gefaßt {wird}, daß
{man} von der Materie sagt, {sie} sei zusammengesetzt, d. h. {sie}
sei das {sich} schlechthin Äußerliche, die Vorstellung, die der Ato-
mistik
zum Grunde liegt. Jedes Materielle, sagt {man}, kann
als {ein} Vieles betrachtet {werden}, wie klein es {auch} sei. {Diese} der
Materie wesentliche Bestimmung bezieht {sich} {auf} die Räumlichkeit
der Materie als {auf} {eins} ihrer Momente. Das Weitere ist,
daß die Materie {auch} {undurchdriglich} ist, Widerstand leistend,
Anderes {nicht} in {sich} gewähren lassend, und {diese} Bestimmung kommt
der Materie von der Zeit zu: die Punctualität und das Spröde.
{Ausgedehntsein} und Widerstand leisten {sind} die Momente des Raums.
Nach jenem besteht die Materie {aus} Theilbarem, {nach} {diesem}
Moment {aus} Untheilbarem, und dies ist {ein} Widerspruch in ihr.

Die {Einheit} von Raum und {Zeit} erscheint 2) in der Bewegung. Was
in der Materie ruhig {eins} ist, das ist in der Bewegung als Pro-
ceß vorhanden. Aus unsrer Vorstellung von der Bewegung wissen
wir, daß dazu {ein} Materielles gehört, {das} {seinen} Ort verändert.
Das {sich} Bewegende ist in {einem} Raume, insofern es {nicht} in
demselben ist. Wieder ein Widerspruch, den schon Zenon er-
kannte. Das Materielle verliert, {sich} bewegend, den Charakter
der Räumlichkeit {nicht}, und so haben wir in der Bewegung die in {eins} ge-
setzten Raum und {Zeit}: räumlich gesetzte {Zeit} und {zeitlich} gesetzter
Raum - dasselbe wie in der Materie, nur daß hier die
{Einheit} war, in der Bewegung wurde.

Materie und Bewegung machen den {Gegenstand} der Mechanik {aus}. {Beide} {sind}
an {sich} dasselbe. Die Materie ist also wesentlich bewegt.
Aber wie {sie} unmittelbar ist, enthält {sie} Bewegung nur als
etwas von außen an {sie} Gelangendes, das {nicht} in ihr {selbst} ist.


[18.]

So die Bewegung und Materie in der endlichen Mechanik.
Die Materie {wird} hier als träg, d. h. als gleichgültig
{gegen} Bewegung und Ort behandelt. Die Kraft ist hier das Andre
der Materie, ihre Bewegung. Dies ist aber {nicht} das
wahrhafte {Verhältniß} {beider}, der Materie und Bewegung, {sondern} {dieses}
zeigt {sich} in der 2ten Form der Mechanik, der unendlichen, der
mechanique celeste. Hier erscheinen Materie und Bewegung
als identisch. Hier erscheint die Materie als bewegt.
Das Nicht-{unterscheiden} {dieser} {beiden} Weisen hat viele schiefe
Vorstellungen veranlaßt, z. B. Newtons Vorstellungen,
daß die Himmelskörper von Anfang an {einen} Urstoß
erhalten hätten, und nun {durch} Attraction der Sonne weiter
getrieben würden. Göthe hat {sich} hier {auch} {gegen} Newton erklärt.
Der Begriff der Materie hat {sich} uns also ergeben {aus} der
Dialektik der {Zeit}. Die {Zeit} ist das reine Werden und daher
das {sich} schlechthin Verzehrende. Damit haben wir aber {nicht}
das abstracte Nichts, nur die {Zeit} ist negirt und zum Nega-
tiven ihrer {selbst} d. h. zum Raum geworden. {Diese} räumliche
{Zeit} also ist die Materie. Die Materie ist gleichsam die
erstarrte, paralysirte Zeit, {dieses} Punctuelle und Anderes
von {sich} {Ausschließende}. Dies ist die Räumlichkeit der Materie,
die {man} die Repulsion nennt, und {man} kann sagen, daß die
Repulsion das Raum-erfüllende, Raum-realisirende
sei. Das andre Moment aber ist, daß die Vielen der
repellirenden Materie {auch} wesentlich eins {sind}, und dies
nennt {man} die Attraction. Hier {wird} die {Zeit} reconstruirt.
Attraction und Repulsion gehören schlechthin zusammen; im
Begriff des {einen} liegt das Andre. Die Repulsion {selbst} schlägt
in die Attraction um. Die Repulsion ist {ein} Setzen der
Materie als {ein} Vieles. Aber die Vielen {sind}, jedes an sich,
eins, und demnach {sind} {sie} die Negation ihrer {selbst} als Vieler
und also die Wiederherstellung des Eins, die Attraction.
[19.] Jn der Attraction erscheint die {Zeit} an der Materie.
Attraction und Repulsion in ihrer Einheit machen die Schwere
{aus}. Die Materie ist also wesentlich schwer, die explicirte
Materie ist die Schwere. So haben wir die Materie begriffen.

9. den 5 Juni.

Wie sonst die Materie erklärt {wird}, wollen wir nun
noch sehen. Es {sind} da 2 Weisen, von der Materie zu sprechen: 1) das
atomistische
und 2) das dynamische System
. Nach dem {ersten} besteht die
Materie {aus} kleinsten, untheilbaren Theilchen. Jhr {Zusammensein} ist ihnen äußerlich
und gleichgültig. Die Materie {wird} hier als bloße Repulsion be-
trachtet, und dies ist der {Gedanke} in {dieser} Theorie, aber {ein} bloß ab-
stracter. Die Materie erscheint hier als {ein} Vieles. Woher
aber {dieses} Viele kommt, {wird} {nicht} {nachgewiesen}. Der Atomistiker läßt
daher das Materielle und Viele als {ein} Letztes gelten, und ihm ist
alles Natürliche zusammengesetzt {aus} solchen molecules, {selbst} der thierische
Organismus. Das geistige Band fehlt hier, nämlich die Attraction;
die Theilchen arrangiren {sich} dann im κενόν und {durch} den Zufall. {Diese}
Betrachtungsweise der natürlichen {Gegenstände} versperrt jeder tiefern {Einsicht}
in die Natur den Weg; da bleibt es bei Geheimnissen und un-
erklärlichen Kräften.

Die 2te Weise, die Materie „zu construiren“, ist die dynamische.
Jn die neuere Philosophie (Philos.) hat Kant {dieselbe} {eingeführt}. Hier {wird} der
Anfang zu {einem} Begreifen der Materie gemacht, d. h. zu {einem} Zusammenfassen (Zus.fassen)
ideeller Momente in ihrer Einheit. {Diese} {entgegengesetzten} {sind} Repul-
sion
und Attraction. Das Mangelhafte bei Kant ist, daß Repulsion
und Attraction {nicht} in ihrem {Zusammenhange} {mit} ihren frühern Formen {nachgewiesen}
werden. Kant nennt {sie} gegebene Kräfte, die aber {selbstständig}
{gegen} {einander} erscheinen. Die Materie „bestehe“ dann {aus} {diesen} Kräften.
Lichtenberg hat {diese} Ansicht besonders (bes.) glücklich {aufgefaßt} und {durchgeführt}.
Aber der servile Sinn der deutschen Physiker ist immer wieder hervor-
gebrochen, und hat {sich} zu den Franzosen und Engländern „der Bequemlichkeit wegen“
zurückgewandt. {Durch} Kant {wird} die Materie {aufgefaßt} als den Keim
der Lebendigkeit in {sich} enthaltend, als {ein} Lebendiges, Bewegliches in {sich}. Dies
ist Göthes Hylozoismus, zu dem {auch} er {sich} bekannt habe.

Die Materie ist also wesentlich schwer. Nun geht es fort zum
Lichte. Materie und Bewegung {sind} {Gegenstände} der Mechanik. Die Materie
[20.] ist die {Einheit} von Attraction und Repulsion. {Diese} Einheit ist zunächst
{ein} Seiendes, {nicht} {ein} Werdendes, und dies ist die Materie in
der endlichen Mechanik. Attraction und Repulsion sind identisch,
aber {auch} {unterschieden}, und {dieser} Unterschied kommt in der Materie
{nicht} zu seinem Rechte. Das Sich-zeigen von Attraction und Re-
pulsion
ist die Bewegung. Die bewegungslose Materie ist
etwas Unwahres, ihrem Begriff nicht Gemäßes. Die
Materie {erscheint} in der endlichen Mechanik als {eine} Vielheit endlichermaterieller22 Massen.
Das Fernere ist das Freiwerden der Bewegung in jenen todten Massen,
und dies zeigt {sich} in dem bekannten Phänomen des Falls. {Dieser}
bildet den Übergang von der gemeinen zur freien Mechanik.
Die Bewegung des Falls hat zu ihrem {Ausgangspunct} {eine} der Materie
von außen her mitgetheilte Bewegung. Dann fängt der Körper
an, {sich} {seiner} eignen Natur gemäß zu erweisen. {Zeit} und Raum
treten dann hier in das {Verhältniß} von Wurzel und Quadrat. Hierin
zeigt {sich} die freie Bewegung, und die Attraction {wird} so frei,
das {eine} der im Körper immanent seienden Momente. Hier beginnt
der Begriff der Materie, die Schwere, {sich} thätig zu erweisen,
aber nur {auf} {einseitige} Weise; darum tritt die Ruhe wieder
ein. Erst im System der himmlischen Körper kommt {auch} die Repul-
sion
zu ihrem Rechte. Hier {wird} die Bewegung {durch} Quadrat
und Kubus dargestellt. Nur als System erhalten die himm-
lischen Körper ein {Vernunftinteresse}. Die Fixsterne in ihrer todten
Ruhe {sind} {nicht} herrlicher als die vielen Sandkörner und die vielen
Wassertropfen im Meere.

Attraction und Repulsion schlagen in {einander} um. So geschieht es
beim Fall. Aus {einem} Setzen des {einen} {wird} die Attraction zu {einem} Setzen
des Vielen: daher die Masse Sterne in der Form der bloßen23 Re-
pulsion
. {Auch} {dieses} {einseitige} Moment hat {für} uns kein Jnteresse.
Materie und Bewegung {sind} identisch, und so finden wir im Sonnensystem
bewegte Materie und {eine} {vernünftige} Totalität, und wir haben es dort
{mit} {selbstständigen} Körpern zu thun, umschlungen {durch} {ein} geistiges fall24
Band. Die Schwere im Falle kam {noch} {nicht} zu ihrer Realisierung.
Die {einzelnen} materiellen Theile haben zwar {eine} Richtung {auf} ihre {Einheit}, aber
[21.] {diese} Einheit, das Centrum, ist {noch} {nicht} {für} {sich} vorhanden. Wie kommen denn
nun {diese} Massen dazu, als {selbstständige} Himmelskörper zu
erscheinen? Die Attraction erscheint realisirt in den Fixsternen,
und {ein} solches Eins, {ein} solches Centrum ist die Sonne; die Peri-
pherie hat {sie} an den übrigen Himmelskörpern.

10. den 10 Juni.

Jn der gewöhnlichen Masse ist das Centrum {noch} {ein} Jnneres; im Sonnensy-
stem
ist es in der Sonne {selbst} gesetzt. Hier ist die {Einheit} ein Erreichtes
und {Gegenständliches}, {eine} geschlossene Totalität. Die Bewegung {dieser} Körper
ist dann {eine} geregelte, und {sie} {selbst} {sind} {nicht} {eine} unbestimmte Vielheit. {Diese}
Bewegung macht den {Gegenstand} der freien Mechanik {aus}. Hier entsprechen {einander}
Quadrat und Kubus - {Umlaufszeit} und Entfernung - {nicht} Kreislinien,
{sondern} Ellipsen. - S. Keppler. Hier muß aber {noch} die Qualität
{dieser} Sonnenkörper betrachtet {werden}: Übergang der mechanischen zur
physikalischen Natur. Die Materie ist die Schwere. Der Begriff
der Schwere ist nun gesetzt und entwickelt, und {damit} ist der Begriff
der Materie {selbst} entwickelt; {sie} ist nun gesetzt. Die Schwere
schließt {sich} jetzt {auf}. Jm Sonnensystem als der entfalteten Schwere
{sind} die ersten qualitativen Bestimmtheiten der Schwere zu suchen, {nachdem}
wir die freie Bewegung betrachtet haben. Der Centralkörper ist
so {auch} physikalisch besonders beschaffen. - Die Materie also ist
schwer. {Dieser} Bestimmung steht {entgegen} die Bestimmung der Leichtigkeit, und {diese}
zeigt {sich} im freien Schweben der Himmelskörper. So ist die
Schwere widerlegt, und das Leichte ist gesetzt, und macht den Über-
gang zum Lichte. Den Himmelskörpern ist ihr Centrum in der
Sonne objectiv, und deshalb stürzen {sie} {nicht} zusammen wie gemeine
Massen. Nach ihrer physikalischen d. i. qualitativen Seite ist die
Sonne der Lichtkörper {oder} das Licht, wie es frei existirt. So
begrüßen wir das Licht zuerst in der {sich} specificirenden Natur
d. i. in der Physik. Das Licht ist das schlechthin Leichte und Leuchtende.
Hierzu thut {sich} die Materie {auf}. Hier ist die Materie zuerst
nach jenen bloß abstracten Bestimmungen. Hätten die Himmelskörper
{noch} {nicht} ihr Centrum, so würden {sie} {zusammenstürzen} und zuerst {dieses}
bilden. Das Licht ist schlechthin das Einfache. Welche Folgen ergeben
{sich} {aus} {dieser} {einfachen} Begriffsbestimmung? Stimmt die Erfahrung damit
überein
?


[22.]

Hier ist zu {unterscheiden}, was wir {aus} dem Begriffe wissen,
und was {diesem}, was wir wissen, in der Erfahrung entspricht,
und {dieses} ist in allem philosophischen (philosoph.) Thun zu {unterscheiden} - a pri-
ori
und a posteriori. Das {erste} ist das Philosophische, das
2te Sache der empirischen {Naturwissenschaft}, denn {sie} soll das vor-
gefundene Material bearbeiten, und zur Form der All-
gemeinheit erheben. Die Naturphilosophie (Naturphilos.) kann ohne die Empirie
keinen Schritt thun. Die Würde der Empirie besteht eben
darin, in den Dienst der Jdee zu treten. Der Begriff des
Lichts ist a priori gegeben {durch} die Betrachtung der Materie.
Es muß {ein} Leichtes geben. Das Licht ist nun jenes Andre
der Schwere. Wäre es {nicht} das Licht, so wäre es irgend etwas
Anderes.

Zunächst wollen wir bei der Begriffsbestimmung des Lichts
verweilen in Bezug {auf} Materie und Natur. Materie und
Bewegung {sind} im System der Himmelskörper in ihrer Wahrheit.
{Dieses} {Einssein} treibt {sich} fort zu {einem} existirenden Centrum.
Die Materie in ihrer Einheit {wird} in der Sonne angeschaut.
{Dieses} Centrum kann {nicht} bloß {eine} materielle Masse sein; {sie}
muß das {Gegentheil} {eines} Atomistischen sein, also das Jdentische, Jdeale
{gegen} die Realisirung in den übrigen Himmelskörpern. Denn das {Aufgeho-
bensein} des Getrennten muß {auch} in der Natur vorhanden sein.
Es muß uns {nicht} befremden, hier von der Jdealität als {einem}
Existirenden sprechen zu hören. Jn der Natur ist die Jdee in
der Weise des Andersseins. Ein abstract Reales aber
giebt es nicht, {sondern} die Natur enthält die Jdee in {sich}, und
gebiert {aus} {sich} {heraus} den Gedanken. Wenn von der Natur die
Rede ist, so hat {man} es {mit} dem {Gedanken} als {einem} Existirenden zu
thun, als {einem} Vorhandenen und Gegenständlichen. Nun
ist in der {ersten} Sphäre der Natur der {Gedanke} als solcher noch
{nicht} zur Erscheinung gekommen; dies aber muß er. Jm Lichte
nun kommt er wirklich zur Erscheinung. Erst hier kommen wir
zu {einem} Realen, zu {einer} abgeschlossenen Existenz, und hier zuerst
begegnet uns der {Gedanke}, wie er leibt und lebt. Jm Lichte
[23.] ist das Centrum der Natur in abstracter (abstr.) Gestalt {heraus} geboren und
{aufgeschlossen}. Das {Denken} ist also {nicht} bloß in unserm Kopfe be-
findlich, {sondern} es ist {auch} draußen, aber {man} verhalte {sich} {selbst} {vernünftig}.

Die Natur des Lichts als {Gedanken} {aufzufassen}, ist zuerst dem
{Verstande} feindselig, denn er will die Natur zu etwas Todtem
haben. Aber das Princip des {Verstandes} {selbst} ist das Lichtprincip, das
abstracte Denken. So erkennt der {Verstand} sein eignes Eben-
bild nicht an. Der {Verstand} erhält {seinen} {Unterschied} nur von außen, so
{auch} das Licht, dem das Dunkle, die Materie, {entgegenkommt}. So nur
kann es {sich} specificiren. Das Licht ist {dieses} Eine, Reine, Leichte,
{mit} {sich} Jdentische, und dasselbe ist der {Verstand} als das {ganz} abstracte
Denken. Daher ist die Betrachtung des Lichtes so wichtig, {weil} in ihm
zuerst der {Gedanke} erscheint.

11. den 12 Juni.

Die Sonne, das Licht ist das abstracte Jch der Natur, und gerade
deshalb ist es {sich} freilich {seiner} nicht bewußt. Ohne Sonne wären
die Planeten gar nicht. Das Sonnensystem macht {eine} Totalität {aus},
{woraus} kein Glied für {sich} bestehen kann. Wer das Licht {nicht} begriffen
hat, dem ist die Natur ein dunkles Räthsel. Das Feuer begreift
{man} nicht, ohne das Licht begriffen zu haben; eben so wenig die
Wärme, Elektricität, den chemischen Proceß, das Leben. Den
Aberglauben an die Materie als das Andre des Gedankens
schlechthin muß {man} überwinden. Fragt {man} bei Newtons Theorie:
woher kommen die Theilchen, welche die Farben bilden? so
{wird} geantwortet: {sie} {sind} da als ein Letztes, - und da steht
denn der {Gedanke} vor {einem} Schlagbaum. Natürlich muß die Natur
{durch} Experimente {untersucht} {werden}, aber {diese} {sind} nichts Letztes. Die
Zusammengesetztheit des Lichts {wird} nun {durch} die Erfahrung widerlegt.
Die erste Eigenschaft des Lichts ist nun die Jmponderabilität.
Alle Versuche beweisen, daß {sich} das Licht nicht wägen läßt.
{Man} hat das Licht {durch} {einen} Focus concentrirt, und {auf} die Wagschaale fallen
gelassen, aber die Wagschaale wankte nicht. Als Metaphysiker
sagen dann die Versucher, bis jetzt habe das Licht {sich} nicht wägen
gelassen; {damit} sei aber {noch} {nicht} {ausgemacht}, daß das Licht gar {nicht}
schwer sei; es sei {ein} Materielles, und also nur sehr leicht.
Aber es muß etwas in der Natur geben, das absolut leicht ist.
[24.] Newton hat {auch} metaphysicirt, wie sehr er {auch} {gegen} die Meta-
physik
in der Physik gewarnt hat. So hat {man} denn das Licht
nur ab instantia von der Schwere absolvirt.

Ein 2tes empirisches Resultat ist, daß das Licht nicht
sperrbar
ist. {Auch} {eine} negative Bestimmung. {Dieses} Re-
sultat zeigt also, daß das Licht nicht {aus} kleinsten Theilen
zusammengesetzt ist. Die Materie kann {man} doch theilen,
und solchen Theil dann darstellen. {Dieses} Darstellen {eines} Theils
der Materie nennt {man} beim flüssigen sperren, z. B. Gas-
arten. Aber das Licht läßt sich nicht einsperren. Um
{dieses} Experiment zu machen, schließe {man} die Fensterladen.
Newton würde sagen, das Licht habe die Anwandlung {aus} dem
Zimmer zu marschiren, um {nicht} geschlossen, {sondern}25 frei zu sein. - Das nicht
sperrbare Licht zeigt {sich} also als das {durchaus} Continuirliche und
Einfache, das Jdentische. Wenn {man} {diesen} Begriff des Lichts
festhält, begreift man, warum es nicht sperrbar ist.
(Licht im Sack.) Das nicht sperrbare Licht ist also das Un-
bestimmte, die reine Form, die ihren Jnhalt von
außen, durch die Materie und das Dunkle erhalten muß.
Das Finstre scheint nun bloß {eine} Negation des Lichts
zu sein, freilich die abstracte Finsterniß. Die abstracte (abstr.)
Materie ist widerlegt {durch} das Licht. Aber das Licht ist
die reine Manifestation nur insofern, als es ein
zu Manifestirendes giebt. Nichts als Licht wäre Fin-
sterniß, und das bloße Licht hat also keinen Sinn. Das Licht
muß stets etwas bescheinen, muß stets die Materie
specificiren. Das Andre des Lichts, das Finstre, ist also
außerhalb des Lichtes
. So ist das Licht {eine} tabula rasa, und
aller {Unterschied} kommt von außen an dasselbe. Der Geist ist
nicht {eine} solche tabula rasa. Jn neuern {Zeiten} betrachtet {man}
das Licht {unterm} {Standpuncte} der {Polalität}. S. Effenberg in Kiel
(Grundlinien der {Naturwissenschaft})
3 und die Franzosen26. Dies ist {durchaus} falsch, {sondern} das
Licht ist in {sich} unbestimmt und einfach.


[25.]

Das Licht ist also {nicht} sperrbar, und darum ist es einfach. {Diese}
Einfachheit des Lichts nimt Göthe auf gegen Newton.

Aber Newton beweist {durch} die Farben, daß das Licht zusammen-
gesetzt sei. (Lichtstralen giebt es {auch} {nicht}, d. h. Bindfädchen wie
Corallenschnüre, die {aus} molecules gebildet wären.)

12. den 17 Juni.

Kleine Farbenkügelchen bilden {nach} Newton das Licht. Daß die Farben
{sich} als {ein} Helldunkles, als ein Mittelding zwischen Licht und Finsterniß
darstellen, bietet {sich} uns zunächst dar. {Damit} Farben entstehen, scheint
also schon sogleich zum Licht ein Anderes kommen zu müssen. Bei
Newtons Farbenlehre begegnet uns zunächst {eine} Gestalt, die der
Erfahrung gerade {entgegenläuft} und {noch} mehr dem Gedanken. Denn das {Verhältniß}
des Zusammengesetztseins ist {ganz} {gedankenwidrig}. Jst nun dem {Gedanken}
gemäß das Licht ein Einfaches, so muß es {sich} {auch} in der Erfahrung
als {ein} solches erweisen, und dies hat Göthe erwiesen. Er hat das
„angeschwärzte“ Licht wieder rein gesprochen, und gezeigt, daß die
Farben Kinder des Lichtes und der Finsterniß {sind}
. Göthe hat
{sich} dichterisch ans Licht gewandt, um dem Phöbus als Dichter-
und Lichtgott seine Reinheit und Einfachheit wiederzugeben. Dies
ist das {einzige} Poetische in Göthes Darstellung, alles Übrige
bei ihm ist der Gedanke. So beteten {auch} die Perser das Licht
als ein Reines und Einiges, als Ormuzd an, dem das dunkle
Reich, das Reich des Ahriman, {entgegensteht}. {Man} sagt {auch}, dem
Werke Göthes fehle es an Gründlichkeit. Aber dies ist
entweder {ein} böses {oder} unwissendes Gerede. Bei Göthes
Farbenlehre ist grade das {Gegentheil} der Fall, und besonders (bes.) im Historischen
hat er {ein} Muster {aufgestellt}, wie die Geschichte (Gesch.) {einer} Disciplin
{wissenschaftlich} und gelehrt behandelt {werden} muß. Kein Capitel der
Physik ist so behandelt worden. Göthe hat {sich}, ehe er {sein} Werk
1810 {herausgab}, 30 Jahre {mit} {diesen} Untersuchungen abgegeben.
{Sein} Werk zerfällt in 3 Theile, die in 2 Bänden stehen:
{einen} didaktischen, polemischen und historischen Theil. Der {erste} ist
{ein} Muster reiner und edler Darstellung. Der letzte Theil
füllt den 2ten Band {aus}. Daß Göthes Farbenlehre {ein} Meister-
stück schöner Darstellung {eines} {wissenschaftlichen} Gegenstandes sei,
geben {selbst} seine Gegner zu, z. B. Pfaff. S. Hennings Schrift.
[26.] Schön ist Göthes Darstellung freilich, aber nur nicht zierlich
und elegant. Die Sprache {seines} Werks ist höchst einfach und trocken
und besonnen. Fern hält er {sich} von der schlechten und endlichen {Verstandes-
metaphysik}, also besonders (bes.) von der niedern Kategorie der Zusammen-
gesetztheit, {welche} die Kategorie des Kindesalters ist. Aber er ist
{auch} Muster von {verständigem} Verfahren; er scheidet streng empi-
risches und philosophisches Thun. Ein Urphänomen hat er ins Auge
gefaßt, und {daraus} alles abgeleitet.

Newton sagt, die Farben beständen {aus} kleinsten materiellen
Theilchen, die aber qualitativ verschieden sein (bald roth,
bald blau u. s. w.), wie {ein} Haufen Pigmente. Gesehen hat aber
{kein} {Mensch} solche molecules. Doch spatziert hier der Physiker schon
in die Metaphysik ein. {Dieser} Widerspruch aber zeigt {sich} darin,
daß die Vielen (πολλοί) {sich} in Eins {auflösen}, in das Licht, und in
{dieser} Einheit liegt die Wahrheit jener Vielheit. Nun {sind} die Vielen
{noch} {mit} ursprünglichen Eigenschaften versehen. Woher kommen {diese}? Sie
{sind} schlechthin ursprünglich. Dies ist aber {ganz} unwahr. Die Qua-
lität ergiebt {sich} erst {aus} der Quantität. Hier aber haben
wir entweder 7 oder unendlich viele ursprünglichen Quali-
täten. Dabei aber hält es keine Vernunft aus.

13. den 24 Juni.

Nach Göthe ist das Licht das in {sich} {Unterschiedslose}, schlechthin {Einfache},
ohne Polarisation. Farben zeigen {sich} nur da, wo das Licht {durch} das,
was nicht Licht ist, {durch} das Materielle, bestimmt {wird}. Zur Existenz
der Farbe gehört, daß Licht und Nichtlicht als {eines} gesetzt werden.
Göthes Ansicht von der Farbe ist {nicht} so zu deuten, als sei die
Farbe {aus} Licht und Materie zusammengesetzt, {sondern} es ist hier von
{einem} Einssetzen die Rede. Göthe giebt im 3ten Heft zur {Natur-
wissenschaft}
{eine} Tafel {für} die Farben. Zuerst mischt {man} mechanisch:
Weiß und Schwarz giebt Grau; 2) dynamisch {aus} Licht und Ma-
terie d. i. Finsterniß. Die Farbe ist also die lebendige Einheit
von Licht und Nichtlicht. Farbe ist {dasjenige}, worin das Helle und Dunkle
ihre {Selbstständigkeit} {aufgegeben} haben, und als ideelle Momente
gesetzt sind; {ein} Verdüstern des Lichtes und Erleuchten des Dunkeln
giebt das Licht. So {aufgefaßt} erweist {sich} die Farbe als
[27.] ein Begreifliches und dem Begriffe Gemäßes.

Newtons Ansicht von der Farbe ist die gemeine Ver-
standesansicht, die {keine} {Vernunft} in der Natur will. „Mit {einem} Blinden
kann {man} {nicht} von der Farbe sprechen“, d. h. {verstandesmäßig} freilich {mit}
{einem} Physiker, aber {nicht} der {Vernunft} gemäß. Doch laßt die Todten ihre
Todten begraben
4.

Die Farben {sind} qualitativ verschieden, und {auch} {diese} Verschiedenheit
ist {durch} den Begriff bestimmt. Sie bilden {eine} Totalität, die {ein} nothwendiges (nothw.)
System ist. Eine andre Verschiedenheit betrifft die Art und
Weise des Vorkommens der Farben in der Natur. Das Prisma
eignet {sich} vorzüglich dazu, die Farben in ihrer Reinheit zu zeigen.
Die Farben als Pigmente {sind} etwas andres. So giebt es
verschiedene (versch.) Entstehungsweisen der Farben. Die Farben {sind} {einmal}
dauernd (als Pigmente), dann flüchtig ({durch} das Prisma). Die
Natur bietet uns manchfache Farben, aber wie finden wir
uns in {diesem} Chaos? Wir müssen die farbigen Erscheinungen
da {auffassen}, wo {sie} {sich} am {einfachsten} zeigen; {auch} müssen wir
{sie} isoliren von andern mechanischen und chemischen Vorgängen.
Die Farben stellen {sich} uns zunächst dar als feste Eigenschaften
der uns umgebenden Gegenstände, z. B. am Himmel, die
Morgen- und Abendröthe, der Regenbogen, - lauter flüchtige
Erscheinungen. Die bleibenden und flüchtigen Farbenerscheinungen gehen
{auch} oft in {einander} über, z. B. der Himmel ist blau; da könnte {man}
leicht sagen, die Luft sei blau. So erklären wir {auch} die Farbe
entfernter Berge. Aber wäre dies so, so müßten die
entferntesten Berge die dunkelblausten {sein}, {weil} da recht viel
Luft zwischen uns und ihnen ist. Aber dies ist {nicht} so. Nur in
gewisser Entfernung {sind} die Berge blau, weiterhin werden
sie weiß. So zeigt die Farbe ihre Wandelbarkeit, z. B.
die vegetabilischen Farben als Pigmente, aben so bleicht die
Rose; die Metalle, wenn {sie} {sich} oxydiren, haben {eine} andre
Farbe. Physiologische Farben, die in unserm Auge {sich} finden,
wechseln ebenfalls manchfach}. - Gewisse {durchsichtige} {oder} {halbdurchsichtige}
d. i. trüben Media können {auch} {mit} unserm Auge in Beziehung gebracht
[28.] werden. {Auch} dann erscheinen Farben. - Was ist das Allgemeine (Allg.) in
{dieser} Manchfaltigkeit farbiger Erscheinungen, was ist darin das
Gesetz? Wo kommen die Farben her? Wir müssen uns bemühen,
die Farben in ihrem {einfachsten} {Zustande} {aufzufassen}, dann {werden} wir ihnen am
besten beikommen. An {welche} Reihe jener Phänomene wollen wir
uns halten? {Worauf} kommt es {überhaupt} an, wenn wir Farben
wahrnehmen sollen? Zuerst auf das Licht, denn in der Nacht
bei Abwesenheit des Lichts sehen wir gar {keine} Farbe. Aber außer
dem Lichte bedürfen wir {noch} {einer} Sache, die {sich} dem Lichte {entgegen} setzt,
{eines} Materiellen. Muß denn {dieses} Andre grade solcher Körper
{sein}, der, wenn er beleuchtet {wird}, {sich} als Farbe erweist?
Keinesweges. {Diese} Farben {werden} uns also am willkommensten sein,
{welche} entstehen, wenn wir uns {mit} {einem} Materiellen in Beziehung sehen,
denn da gerade sehen wir ja die Farben {überhaupt}27 entstehen. Z. B. die
Blätter {sind} grün, und werden gelb. So wollen wir das
Farbenphänomen in {seinem} Urzustande sehen. Dies ist der
Grund, warum wir uns {mit} den flüchtigen, aber lebhaften, pris-
matischen, gespensterartigen am liebsten abgeben, denn wir
sehen ihr Entstehen und Vergehen. Die physiologischen Farben stehen
uns zu nahe, {sie} sind unsrer Subjectivität zu sehr angehörig.

14. den 26 Juni.

Classificirung der Farben.

Zuerst ein 3facher {Unterschied}: 1) physikalische Farben; 2) chemische
Farben und 3) physiologische Farben. Bei den ersten haben wir es {mit}
der Farbe {noch} {nicht} zu thun als {einer} den Körpern inhärirenden; bei
den 2ten ist die Farbe fertiges Pigment und Eigenschaft der Körper.
Die physiologischen Farben zeigen {sich} in unserm Auge {selbst} als {einem} Organ.

1) Die Physikalischen Farben.

Sie {sind} {nicht} dauernde Eigenschaften der Körper, {sondern} flüchtige Phänomene
an Körpern; die {undurchsichtig}, {halbdurchsichtig} {oder} {durchsichtig} {sind}.

  • 1) Dioptrische Farben bei {durchsichtigen} {oder} {halbdurchsichtigen} Mitteln.
  • 2) Katoptrische Farben bei {undurchsichtigen} Körpern.
  • 3) Paroptr28ische Farben, entstehend, indem das Licht die Ränder {undurchsichtiger}
    Körper bescheint.
  • 4) Epoptr29ische, {auf} der Oberfläche {un30durchsichtiger} Körper.
  • 5) Entoptische, im Jnnern {durchsichtbarer} Körper.

[29.]

1) Dioptrische Farben.

{Diese} {sind} die interessantesten. Wir sehen hier Farben flüchtig entstehen
und vergehen. Wir betrachteten Bilder: schwarz {auf} weiß {oder} weiß {auf}
schwarz. Wir sahen {durchs} Prisma, und bemerkten bald ein Gesetz. Es
erfolgte {eine} {scheinbare} Verrückung der {Gegenstände} {durch} Anwendung des Prisma.
{Dieses} Mittel ist {einmal} {durchsichtig} wie die Luft31; und dann verändert es die Beziehung
des Gesehenen zu unserm Auge
. {Diese} {beiden} Eigenschaften, die {Durchsichtigkeit}
und das Brechungsvermögen, nehmen wir als Thatsachen {auf} {aus} der Optik. Das
Licht ist {nicht} etwas Ruhendes, {sondern} {sich} {nach} allen Seiten Verbreitendes, ein
Stralendes; {diese} Fortpflanzung des Lichts erfolgt nur in gradliniger Richtung.
Trifft nun das Licht {auf} {ein} materielles Hinderniß, so {wird} es entweder
von der Oberfläche zurückgeworfen, {oder} geht {durch} das Materielle {hindurch}.
So zerfallen die Körper in {dieser} Beziehung in 2 {Hauptclassen}: in
{durchsichtige} und {undurchsichtige} Körper. Das Gesetz der Reflexion ist, daß, wenn
das Licht senkrecht {auffällt}, es in derselben Richtung zurückgeworfen {wird};
fällt es schief {auf},
so {wird} es {nach} der {entgegengesetzten} Richtung {unter} demselben
Winkel zurückgeworfen.

Luft, Wasser, Glas {sind} {durchsichtige} Körper. Woher {diese} {Durchsichtigkeit}?
{Man} erklärt {sie} {durch} {eine} Porosität der Körper, {durch} {welche} die Lichtmolecüles
{hindurch} drängen. Aber bei solcher Annahme geräth das {Denken} in die grö-
ßeste Verwirrung; der Körper hat ja {eine} Menge Eigenschaften, und alle {diese}
betrachtet {man} als atomistische Körperchen, z. B. Wärmemolecülchen, magnetische32,
elektrische molecules u. s. w. Aber in jedem Atom muß das
{Ganze} sein. Welche Eigenschaft der Körper ist es denn, die {sie}
{durchsichtig} macht? Die Neutralität haben alle {durchsichtigen} Körper
als Eigenschaft. Aber die Körper lenken das Licht {auch} von {seinem} Wege
ab, und {dieses} Phänomen nennen wir Refraction. Geht das Licht {aus}
{einem} minder dichten in {ein} dichteres Mittel über, so geschieht die Brechung
{nach} dem {Einfallsloth} zu; umgekehrt vom {Einfallsloth} weg.

[figure]

CAECBA33 ist der {Einfallswinkel}. GBE {oder} GBF wäre der gebrochene Winkel;
EBD {oder} DBF wäre der Brechungswinkel. Das {Verhältniß} der Sinus der BrechungswinkelNeigungswinkel gebrochenen Winkel (d. h. der Brechungssinus)34 und der {Einfallswinkel} ist {ein} constantes
{unter} allen Umständen, wenn nur das Medium dasselbe ist.
Die {Durchsichtigkeit} kann aber {auch} in Spiegelung übergehen.

15. den 1 Juli.

Die Brechung zwischen Luft und Glas ist bedeutender als zwischen
Luft und Wasser. Bedingung der Farbenerzeugung war das {Vorhandensein}
{eines} Bildes, {eines} {Unterschieds} zwischen Hellem und Dunklem. Jn der Richtung
[30.] der Verrückung des Bildes zeigen {sich} die Farben. Der {Gegensatz}
von Schwarz und Weiß {wird} {durchs} Prisma verwaschen, und nir-
gends zeigt {sich} {eine} scharfe Begrenzung. Blau und Violett, Gelb
und Gelbroth bleiben immer zusammen (zus.); das Schmale nannten wir den Rand,
das Breite den Saum. Gelb und Violett {sind} stets das Breite, und
{sie} correspondiren also {mit} {einander}; umgekehrt Blau und Gelbroth
das Schmale.

Verrückung und Färbung der gesehenen {Gegenstände} entsteht also {durchs} Prisma.
Die Verrückung {durchs} Prisma ist aber nicht rein, {sondern} es zeigt
{sich} {eine} Jn-{einander}-greifung der Ränder. Dieses Jn-{eins}-setzen von
Hell und Dunkel ist der {Hauptpunct}. Das Prisma ist dichter als
Luft, daher die Verrückung. Die {einfachste} Begrenzung {eines} solchen
Mittels ist die {durch} ebene Flächen. {Diese} können parallel {sein} {oder} {nicht}.
Beim Prisma {sind} die Flächen {gegen} {einander} geneigt. (Denn wir verstehen
Prisma in {einem} engern Sinne als in der Stereometrie; bei uns
ist die {Grundfläche} nur ein ∆.) {Durch} das Prisma geschieht {eine} un-
gleichförmige Verrückung. Schwarz verbleicht gern, und {wird}
roth; Weiß vergelbt gern. Läßt {man} die Sonne {durch} das Prisma
scheinen, so ist {sie} {selbst} das Bild, die {ein} Helles ist {auf} dem dunkeln
Grunde des blauen Himmels.

Entweder das Helle {oder} das Dunkle bildet den Grund.
{Durch} {eine} TrübungErhellung35 der Finsterniß entsteht Blau und Violett, {durch} {eine}
Trübung des Lichts Gelb und Gelbroth. Das Dunkle erleuchten, heißt,
es bläuen; das Helle trüben, heißt, es gelben. Aber das
Trübe, das Jn-{eins}-setzen des Hellen und Dunkeln, ist zur Farben-
bildung stets nöthig.

16. den 3 [Juli].

Die dioptrischen Farben {theilen} {sich} in Farben erster Classe bei
vollkommen (vollk.) {durchsichtigen} Mitteln und 2ter Classe bei {durchscheinenden}, trüben Mitteln. Um {eine} Veränderung der Bilder zu erhalten,
haben wir uns bisher des Prismas bedient. Überall erhielten
wir {eine} Jn-{eins}-setzung des Hellen und Dunkeln. Sehen wir {durchs} Prisma,
so ist die Farbenerscheinung umgekehrt, als wenn wir die
Sonne {durchs} Prisma scheinen lassen. {Durchs} Prisma erscheinen36 von oben her bei scheinender Sonne37:
Violett, Blau (Weiß oder Grün) Gelb und Gelbroth; umgekehrt
erfolgt das Bild, wenn {man} {durch} das Prisma sieht. Solche Jn-{eins}-setzung
[31.] von Hellem und Dunkelm ist das chromatische Urphä-
nomen
. - Das Trübe zeigt ebenfalls merkwürdige (merkw.) Farbenphä-
nomene. Wir haben flüssige Mittel (Wasser) angewen-
det, zuerst ätherische Öle, {wodurch} das Wasser getrübt {wird},
z. B. Eau de Cologne, Weingeistspiritus, Seifenspiritus,38 {Aufgüsse} von Holzrinden
(besonders (bes.) Roßkastanienrinde, sonst {mit} dem nephridischen Holze {aus}
Mexico). Eben so kann {man} dünne Holzscheiben anwenden, die {eine}
gelbliche und röthliche Erscheinung giebtgeben39, - Pergament und Horn, besonders (bes.)
aber Glas, das {durch} {Aufschmelzung} von Metallkalken, besonders (bes.) Silber,
getrübt ist; {auch} Opal- {oder} Milchglas, gemacht {durch} Zinnoxyd.
Auf {diesem} Felde können {noch} viele Erfahrungen gemacht {werden}. Dann
dampfförmige Mittel, alle atmosphärischen Erscheinungen, z. B.
{eine} Spiritusflamme, {unten} blau, oben gelb, wenn {ein} Dunkles dahinter
steht; eben so der Rauch, blaulich gefärbt am dunkeln Himmel,
gelblich gefärbt beim hellen Himmel. Als Leuchtendes begegnet
uns am Himmel die Sonne {selbst}. Jhr höchstes Licht ist farblos, (rein weiß)40
wie das Licht der Fixsterne. {Durch} {ein} trübes Mittel erscheint die
Sonne gelb, röthlich, bis zum Rubinroth, {durch} {ein} angeschwärztes
Glas {oder} {durch} Heerrauch und {durch} Sirocco, Morgen- und Abendröthe,
{weil} dann die Sonne {durch} {eine} größere Masse von Dünsten scheint.
Der Mond {wird} gewöhnlich gelb gesehen, beleuchtet {durch} die Sonne,
scheinend {durch} die trübe Atmosphäre, {unten} am Himmel dunkel,
oben heller.

Wird umgekehrt {durch} unsre Atmosphäre das Finstre gesehen,
so erscheint das FinstreBlaue41; so sehen wir den Himmel blau, der
desto tiefer blau ist, je weniger trüb er ist (so in Jtalien)42. Der Himmel
ist „{eine} verschleierte Nacht“ {nach} Göthe. Jn der Ferne erscheinen
uns die Berge blau; {sie} {sind} {ein} finsterer {Gegenstand}, gebläut {durch}
die fe43 dazwischen liegende Dunstluft; je ferner die Berge {sind},
desto milchiger werden sie, {weil} desto mehr Luft dazwischen ist.
Der Schatten {auch} naher {Gegenstände} ist in Jtalien blau. Die Maler
sehen {durch} Übung Farben, wo wir {keine} sehen. - Die Eisberge sehen in der
Ferne gelblich {aus}, {weil} {sie} {ein} schönes Weiß {sind}, während die
übrigen Berge dunkel {sind}.

Alle {diese} Erscheinungen {sind} subjectiv. Aber wir haben {auch} objective
[32.] Erscheinungen. Ein helles Licht beleuchtet die dunkeln {Gegenstände} {durch}
{ein} trübes Mittel roth; so ist der Meeresgrund den Tauchern
rubinroth, die Schattenpartien {sind} darauf grün. Jn der camera
obscura
ist der blaue Himmel treu abgespiegelt.

Neumanns Versuch, Göthes Urphä-nomen {nach} Newtons Art zu er-klären, s. in Neumanns Physik II S. 328.44 Dies {sind} Urphänomene. Göthe sagt: „{Aus} den Erfahrungen bilden
{sich} Rubriken von Erscheinungen, und dann finden wir allgemeine (allg.) Bezüge und
höhere Regeln; {diese} sieht {man} {noch} in der Erscheinung, und {sie} {sind} {ein}
Letztes und Höchstes in der Erfahrung, von denen alles {ausgeht}, und die
{sich} bis in die gemeinsten Dinge hinab erstrecken.“ Ein Urphänomen
kann {nicht} erklärt, {sondern} nur abgeleitet werden {aus} dem Be-
griffe.
5 Für den am Abstracten festhaltenden {Verstand} {sind} alle
Urphänomene in der Natur unbegreiflich, z. B. das Urphänomen
des Falls, der Elektricität {etc.}. Hier {sind} immer 2, die an {einander}
gebunden {sind}, in {einer} Einheit; in unserm Urphänomen {sind} die {beiden}:
Licht und Finsterniß, vereinigt.

17. den 8 Juli.

Newtons Ansicht. Der Jnhalt {seiner} Lehre ist {überhaupt}, daß die
Farben im weißen farblosen Lichte vorkommen. {Damit} also {diese}
farbigen Lichter zum Vorschein kommen, setzt er dem weißen Lichte
allerhand Bedingungen {entgegen}, als {durchsichtige} Körper, {undurchsichtige} {etc.},
{behauptet} aber immer, daß alle {diese} Bedingungen {keinen} andern Zweck haben
als {ein} Erregen der im Lichte bereits fertigen Eigenschaften und Fähig-
keiten. Zeigt das Licht verschiedne (versch.) Farben bei der Refraction, so heißt
es, {sie} sein schon im Lichte gewesen, {oder} das Licht sei divers re-
frangibel. Dann heißt es {auch}, das Licht sei divers flexibel.
Das {Hauptwerk} Newtons ist: Optik oder Abhandlung von der Reflexion,
den Brechungen und Beugungen des Lichts;
- allein es handelt {ausschließlich} von
der Farbe, und ist gar {keine} Optik, {sondern} bloße Chromatik. {Dieser} Titel
{scheint} das {Vorurtheil} veranlaßt zu haben, als ob die {Ausführung} des
newtonschen Werks etwas Mathematisches sei; {sie} ist aber
bloß {auf} Experimenten begründet, und nur in der {für} die empirische
{Wissenschaft}
unpassenden mathematischen Form abgeschafftfaßt45. Newton fängt
{nach} {einer} Reihe von Definitionen und Hypothesen {mit} Betrachtung der pris-
matischen Farben an. Aus dem Gange, den er nimmt, sieht {man},
[33.] daß er die objectiv prismatische Erscheinung, das Spectrum solis,
vornimt, und das Nächste ist dann, daß er die Farben zählt:
Violett, Blau, Hellblau, Grün, Gelb, Orange und Roth. {Diese}
Farben {sind} von {einander} verschieden und an verschiednen (versch.) Orten. Newton sagt
nun: {diese} verschiednen (versch.) Farben {sind} {ein} {für} allemal vorhanden, und das reine Licht
ist {aus} ihnen zusammengesetzt
. Jhre Absonderung von {einander} erfolgt
{dadurch}, daß das Licht gebrochen {wird}, und so erscheinen die Farben
{nach} ihrer Brechbarkeit an der Wand über {einander} rangirt.

Auf eine Concurrenz des Prisma, daß es so {oder} so gestellt {wird},
nimt Newton {keine} Rücksicht. Anstatt {auf} den {Einfluß}, den das Prisma
{auf} das es {durchscheinende} Licht hat46 {aufmerksam} zu sein, haftet Newton an
der Erscheinung, und stellt {auf}: „Lichter, die an Farben verschieden
{sind}, {sind} auch an Refrangibilität verschieden und zwar gradweise.“
Betrachten wir die angeführten Worte {selbst}, so muß sogleich der
Plural Lichter {auffallen}. Wir haben hier Lichter, ohne daß die Rede
vom Lichte gewesen ist. Woher {diese} Verschiedenheit von
Lichtern und Farben? Der {Hauptpunct}, daß {ein} {Unterschied} von Hell und Dunkel
vorhanden {sein}, und {eine} ungleiche Verrückung Statt finden muß, {wird}
{gänzlich} ignorirt. Zugleich sollen wir vergessen, daß sämmtliche
Farben {sich} so verhalten, daß {sie} {mit} dem Lichte verglichen, {ein} Dunkleres
{sind} als das Licht und {ein} Helleres als das Dunkle. {Sein} erstes Expe-
riment ist, daß er {ein} blaues und rothes Viereck {gegen} {einander} be-
trachtet. Dann braucht er {auch} die Linse. Der {Unterschied} zwischen Linse
und Prisma
ist, daß jene {nicht} von ebenen, {sondern} krummen Flächen be-
gränzt {wird}. Von den Farbenerscheinungen, die hier vorkommen, gilt das-
selbe wie beim Prisma. {Man} kann die Linse betrachten als {eine}
Zusammensetzung (Zussetzung) von unendlich vielen Prismatis, die so zusammen (zus.)gesetzt {sind}, daß
hier {ein} {Theil} des Prisma {sich} im Abfall vorfindet. Betrachten wir
{ein} weißes Bild {durchs} Prisma {nach} {unten} {auf} schwarzem Grunde, so hatten
wir Blau und Violett; betrachten wir es {durch} die convexe Linse, so
{wird} es am Rande blau gefärbt erscheinen.

18. den 10 Juli.

Die convexe Linse vergrößert das Bild; das schwarze Bild {wird}
gelb, das weiße Bild violett und blau. Der Umstand, daß die
convexen Gläser {einen} {Gegenstand} vergrößern und färben, muß
[34.] hemmend wirken, wo {man} nur vergrößern will, da muß
{man} sehen, wie {man} die Farben los {wird}. Dies ist besonders (bes.) bei den Fern-
röhren der Fall. Anfangs (im Ende (E.) des 16 {Jahrhunderts}) hielt {man} dies für
etwas Zufälliges. Aber als {man} sah, daß die Farbenerscheinung
die Refraction stets begleite, glaubte {man}, {beides} gehöre
zusammen, und so lange Brechung sei, {sein} {auch} Farben vorhanden. {Man}
suchte {durch} Glas- und Wasserprismen, die {man} an {einander} setzte,
die Refraction {aufzuheben}. Newton glaubte dies {auch}, und hielt
{diese} dioptrischen Fernröhre {für} unverbesserlich. So erfand {man}Newton47
die katoptrischen Fernröhre {oder} Spiegelteleskope. Jn der Mitte (M.) des 18
{Jahrhunderts} entdeckte {man}, daß gleiche Mittel und doch {eine} ungleiche Farben-
erscheinung Statt finden könnten. Wenn {man} dem brechenden Mittel
Metallkalk zusetzt, entsteht {eine} ungleiche Färbung. So
lassen {sich} 2 Glassorten von verschgleichen48 Brechungsarten, aber ungleichen Farbenerzeugung49 erzeugen:
Kron-Crown50glas (sprichspr. Kraun-)51 (das grünliche Glas)52 und Flintglas (das Krystallglas)53 ({mit} Blei-54Kalk). Das Letzte erzeugt die Farben lebhafter.55 {Hierauf} beruht der Achroma
tismus
oder die Achromasie56, wo {durch} 2 Prismen von verschiednem (versch.) Glase und verschiednen (versch.) GlasWinkeln57
die Farben {gegenseitig} {aufgehoben} {werden}; bei 2 Prismen von verschiednem (versch.) Glase
und demselben Winkel ist die Verrückung des Bildes {nicht} so
groß, aber die Farben bleiben. - Dies geht {auf} den subjectiven (subj.) Fall.
{Durch} den Achromatismus ist die Newtonsche Lehre eigentlich {unter-
graben}, aber {man} suchte die Sache zu vertuschen. Unser Auge
{selbst} sieht ja {durch} Brechung, und doch sehen wir {nicht} farbige Ränder.
Unser Auge besteht {aus} verschiednen (versch.) {durchsichtigen} Mitteln, {welche} Achro-
masie bewirken. Euler ging hiervon {aus}, und {behauptete}, es sei
möglich, brechende Mittel so zusammenzusetzen (zus.zusetzen), daß {keine} Farben ent-
ständen. Newtons Schule vernahm {diese} {Behauptung} {mit} Schrecken,
denn nun sollten die Farben getrennt {werden}, die doch vom Lichte
unzertrennlich {sein} {nach} Newton. Dollond selbst entdeckte NB58 jene Eigen-
schaften des Flint- und KronCrown59glases, indem er {gegen} Euler streiten
wollte (1757.)60. Nun sollte {man} meinen, sei Newtons Lehre beseitigt
gewesen. Aber {man} wehrt {sich} {noch} jetzt {gegen} die Beweiskraft
dieser Erscheinung, und sagt, {ein} verschiednes (versch.) Zerstreuungsvermögen wohne
den in Anwendung kommenden Mitteln ein. Eine verschiedne Refran-
gibilität der Farben nahm schon vorher Newton an, und die
[35.] 2te Schwäche {seines} Systems verkleisterte {man} {durch} {ein} 2tes
Kunstwort. {Beides} {sind} {nicht} eigentliche Erklärungen, {sondern} {man} giebt dem
Dinge {einen} Namen.

Hier also sehen wir die Metallkalke als das Trübende
{auftreten}.

Newtons Behandlung der dioptrischen Farben, die er jämmerlich
zerrt. „Lichter, die an Farben verschieden {sind}, {sind} {auch} an Refran-
gibilität verschieden und zwar gradweise“ - ist {sein} erster
Satz.
6 Nun spricht er vom spectrum {auf} {dieselbe} Weise.

19. den 17 Juli.

Die blauen Stralen, {behauptet} er, {sein} refrangibler, convergirten früher
als die rothen: dazu machte er mancherlei Vorkehrungen, z. B.
um die Bilder wickelt er blaueschwarze61 Fäden. {Man} bringe aber die
Bilder vor die Mitte der Linse
- {eine} Entdeckung Hennings. Jenes
Experiment Newtons fällt also {gänzlich}, besonders (bes.) da er schon {mit}
Pigmenten agirt, {mit} Bildern, und wir {noch} gar {nicht} wissen,
woher die Pigmente kommen. Dies ist Newtons erstes
Theorem. {Sein} 2tes geht {auf} das spectrum solis7, - {ein} objectiver
Versuch. Das objectiv prismatische Bild ist nun bekanntlich das
umgekehrte des subjectiven, aber es ist eben so wenig {ein}
fertiges wie das subjective, und doch {behauptet} dies Newton. Er
zählt die Farben so: Violett, Blau, Hellblau, Grün, Gelb, Orange
und Roth. Dies {sind} {seine} 7 {Hauptfarben}, correspondirend den 7 Tönen.
Ein Engländer Read spottet jetzt {auch} schon über {diese} Corre-
spondenz. Bei {einem} Prisma {mit} kleinem Winkel erhält {man}:

Violett,
Blau
Gelbdies ist {ein} Klein-
Leerer Raum. -Purpurspectrum da-
Blauzwischen.
Gelb
Gelbroth.

Purpur erhält Newton gar {nicht}. Jn größerer Entfernung fließen
in der Mitte Gelb und Blau zusammen (zus.), und wir erhalten Grün. Endlich bleiben nur

Violett
Grün und
Gelbroth,

wenn {man} {sich} {noch} weiter entfernt. Eine Scala, {eine} stetige
Reihe ist hier {nicht}, {sondern} die Farben gehen von 2 Seiten {aus}. Die Scala
verräth {überhaupt} den Mathematiker, der nur von {einem} Mehr
{oder} Weniger weiß. Die Farbenerzeugung am Spectrum erzeugt62
geht also von 2 Seiten {aus}: von {einer} Erhellung und {einer} Verdunklung, also von
{einem} qualitativen Gegensatze. {Daraus} geht die Harmonie
[36.] der Farben hervor: Orange und Blau, Gelb und Violett,
Purpur und Grün. Die Franzosen z. B. Biot63 reden immer von couleurs
complementaires
, die doch wirklich im Newton {nicht} vorkommen.

Resultate.

1) Subjective Versuche

A) DunklesHelles64 Bild {auf} hellemdunkelm65 Grunde.
Weiter vom Prisma.Noch weiter.
a)Blauroth (Violett)>b)Violettc)Violett>
ViolettBlau66Blau
WeißGrünGrün
GelbGelb
Gelbroth (Orange)OrangeOrange.
B) Dunkles Bild {auf} hellem Grunde.
a)Gelbb)Gelbc)Gelb
GelbrothGelbroth
WeißPurpurPurpur
BlauBlau
Blauroth.Blauroth.Blauroth.

2) Die objectiven Versuche {sind} umgekehrt.

Newtons 2tes Theorem: Das Licht der Sonne besteht {aus} Stralen von
verschiedener Refrangibilität
. Beim Spectrum ist oben das
Violett, und {dieses} soll am meisten refrangibel {sein}; {unten} ist das Roth, das
am wenigsten refrangibel sei. - Aber das Spectrum ist das {ganze}
Sonnenbild
, und Newton kommt zu {diesem} 2ten Satze eigentlich nur {durch}
die Betrachtung von Bildern {aus} Pigmenten.

20. den 22 Juli.Ficinus Optik. Dresden, Hilscher, 1828, S. 107.Der Regenbogen ist die Erscheinung eines {mit} pris-matischen Farben gefärbten Bogens {von} 2°16′Breite, er hat zum optischen Grunde einedunkle Regenwolke, worein die Sonne scheintsobald {sie} {nicht} über 42°2′ hoch steht.Seine Bogenkrümmung kommt von der Beschaffenheitder atmosphärischenatmosph. Luftschichtung und dem Sehe-kegel des Beschauers. Seine Farbenfelderstehn in der Ordnung, daß außen und oben Rothanfängt, Violett die Reihe beschließt.Jst er sehr lebhaft, so erscheint nebenbeiein blässerer von größerm HalbmesserHalbm.,dessen Farben in umgekehrter Ordnung stehn.Regengallen {sind} Stücke solcher Bogen. -Das Sonnenlicht {wird} in jeder Wasserkugelder Tropfenwand gebrochen, erreicht diehintere Wand der Kugel unter einemWinkel, der {daselbst} Spiegelung erzeugt;{dadurch} {zurückgeworfen}, erleidet es nun aber- malige Brechung, und tritt {aus} der Ku-gel in die Luft. Steht hier ein Auge,so gehn für {dieses} mehrere Felder desgefärbten Bildes verloren, nur der rotheRand erreicht es; von den Bildern dernächst tiefern Wassertropfen bekommtdas Auge nur das gelbrothe Feld zu sehn,von noch tiefern nur das Gelbe, dann das Grüne,Blaue, Violette. Dies läßt {sich} {durch} Glas-kugeln erweisen. (BaumgärtnersPhysik S. 690.Vgl. Baumgartner 1826. S. 690 beginnt der Abschnitt über den Regenbogen. Der Hinweis auf die Glaskugel S. 693.) Der 2te blassere Bogenist nur das abgespiegelte Bild des ersten,daher die verkehrten Farben. Auf hohen Bergenübersieht {man} {einen} größern Bogen; steht {man}über der Tropfenwand, z. B. bei Wasser-fällen, Mühlen, oder ist {dieselbe} demAuge nahe, so ist der Bogen kreisförmig. 67

Aus farbigen Lichtern sucht Newton das weiße Licht zusammenzu- (zus.zu-)
setzen als Probe {seiner} Theorie. Er läßt mehrere Spectren
zusammenfallen. Dann heben {sich} die {Eigenschaften} {auf}, und es entsteht
Trübes, Graues, {nichts} Weißes, {sondern} nur {ein} Helles {gegen} die dunkle
Wand. Farbige Pulver zusammen geben {auch} Grau, und dies
gesteht {selbst} Newton. Das Schwungrad giebt {auch} {ein} unbestimmtes
Helles {oder} Grau, denn jede Farbe giebt den {Eindruck} des Hellen.
{Durch} das Schwungrad kann {man} {auch} andre Farben {für} das Auge hervor-
bringen, z. B. Blau und Gelb giebt Grün.

Physische Farben.

Sie {sind} {noch} {nicht} bleibende Eigenschaften der Körper, {sondern} beziehen {sich} {auf}
[37.] das {Verhältniß} des Materiellen zum Lichte. Die chemischen Farben bleiben
an den Körpern. Die katoptrischen Farben zeigen {sich} bei {einer} Spie-
gelung. Licht und spiegelnder Körper {sind} farblos; aber {dieser}
darf {nicht} von {einer} {durchaus} glatten Fläche begrenzt {sein}, {sondern} Höhen und Ver-
tiefungen müssen daran {sein}. Z. B. an {einer} {aufgerollten} Stahlseite
zeigt {sich} {ein} buntes Farbenspiel, besonders (bes.) Grün und Purpur, wohin
{sich} alle Farben zusammenbannen. Mit {einer} polirten Silberplatte läßt
{sich} dasselbe veranstalten, wenn {man} {sie} ritzt, und in die Sonne
legt. Sie zeigt Grün und Purpur {ganz} vorzüglich. Eine Silberplatte
angefressen von Salpetersäure (Scheidewasser), indem das
Kupfer verzehrt {wird}, zeigt {auch} Farben. Eben so {ein} ungeglättetes schwar-
zes Papier, wo {auch} {ein} Wechsel von Hell und Dunkel ist. Die Farben
der Spinneweben und der Perlenmutter zeigen ebenfalls Farben.

Die paroptischen Farben {oder} die perioptischen ({weil} {man} {sich} die Farben um
den {Gegenstand} herum dachte.) Paroptische Farbenerscheinungen {sind} diejenigen, die {sich}
zeigen, wenn das Licht an {einer} Fläche {oder} {einem} Rande70 hinscheint. Die objectiven Erscheinungen
{sind} hier die frappantesten. Das Licht wirkt {auch} hier {nicht} schrankenlos,
{sondern} {ein} begrenzt Leuchtendes {scheint} an {einem} Rande hin, und verursacht
Schatten. An {diesem} Schatten bemerken wir die Farben. Hier ist zu
erinnern an das Phänomen des Halbschattens; am Boden ist der
Schatten {unten} schärfer als oben an {einem} in der Sonne gehenden {Menschen}.
Nimt {man} über das Kreuz fallendes Sonnenlicht, so zeigen {sich} daran
farbige Ränder, begrenzt von {einem} gelben Saum. Bringt {man}
in {diese} Schatten wieder schattenwerfende Körper, so entstehen
neue Farben. Newton schreibt {dieses} Phänomen {einer} verschiednen (versch.)
Jnflexibilität des Lichts zu. - Auf {diesen} Punct {sind} die
Maler besonders (bes.) {aufmerksam}. Die Schatten machen {sie} blaulich {oder}
gelblich, je {nach} ihrer Entstehung.

Die epoptischen Farbenerscheinungen. Hier {sind} wieder {durchsichtige}
Körper, und die Farben daran lassen {sich} schon fixiren, über-
gehend zu den chemischen Farben. Sie zeigen {sich} an der Oberfläche
des farblosen Körpers in Folge {einer} βαφή, {eines} Pigments.

Bedingungen dieser Erscheinungen: 1) 2 glatte Flächen harter, {durchsichtiger} Körper
[38.] berühren {sich}: a) Glasmassen, b) wenn Glas u. s. w. {einen} Sprung
erhält, und c) indem {sich} Lamellen {durchsichtiger} Steine berühren,
z. B. beim Kalkspath.

21. den 24 Juli.

2) {Eine} Glasfläche angehaucht, {mit} dem Finger
darüber gestrichen, giebt {diese} Erscheinungen. 3) wenn Blasen von
verschiedenen (versch.) Flüssigkeiten gebildet {werden}, z. B. Choco71laden- und Seifenblasen. 4)
feine Häutchen mineralischer {Auflösungen}, z. B. Kalkwasser, {auch} {auf}
stehenden, besonders (bes.) Eisenwassern. 5) wenn die Oberfläche[n] des
Glases {auf} dauernde Weise angegriffen {werden}, z. B. beim {Blindwerden} des
Glases. 6) wenn Metalle erhitzt {werden}.

Also wenn {ein} Convex- und Hohlglas {einander} berühren, entstehen
farbige Kreise. {Dieses} Phänomen beginnt bei leisem Druck,
und wächst {mit} demselben. Das Glas bei {diesen} Versuchen ist möglichst
{durchsichtig}. {Diese} {Durchgängigkeit} {fürs} Licht verdankt das Glas {seiner} chemischen
und mechanischen Neutralität. Das Glas ist ja kieselsaures Kali.
{Auch} ist es in {sich} continuirlich und ununterbrochen, ohne bestimmte Deter-
mination innerlich. {Diese} Eigenschaft verliert das Glas {durch} {einen} {darauf}
geübten Druck. Jene Gleichförmigkeit geht {durch} den durch72 Druck dem
Glase verloren, und es entsteht {eine} Gedrungenheit und Trübung.
Aber {nicht} bloß an der Stelle des Drucks entsteht die gelbe
Erscheinung, {sondern} {sie} pflanzt {sich} in concentrischen Ringen fort, die
verschiedenfarbig {sind}: gelb, purpurn und blau, - wie wenn {man}
{einen} Stein ins Wasser wirft. Newton entdeckte {diese} Er-
scheinung, und erklärte {sie} {nach} {seiner} Weise {durch} {eine} steife Re-
flexionsform. {Dieses} {ganze} Phänomen {wird} wieder {einer} Jbilität
des Lichts {aufgebürdet}, da es doch nur die {eine} Eigenschaft der Ein-
fachheit hat. Hier soll das Licht gar, das bisher passiv war,
verschiedene (versch.) Anwandlungen bekommen, leichter {durchzugehen}, und leichter zurück-
geworfen zu {werden}. Einige Lichttheilchen also haben das fit, leichter
zurückgeworfen zu {werden}, und werden dann gesehen, so z. B. das
Roth. Das Absurde bedarf aber {keiner} Widerlegung! Es donnert
im Himmel, {weil} oben {eine} Kegelbahn ist. Credat Judaeus Apella!9
Die Franzosen (Biot) erklären dies {durch} die Polarisation des
Lichts
. RiedRead73 sagt, im schwarzen Licht {sein} alle Farben; Newton {behauptete},
im weißen Licht. Blau, Roth und Gelb erklärt er {für} die {Hauptfarben}.10
[39.] Die Franzosen bringen Differenzial- und Jntegralrechnung in die
Farben. {Dagegen} s. Göthes G74 Koch, der den Haasen schoß.11

Wenn ferner {eine} dichte {durchsichtige}75 Masse {einen} Sprung erhalten, zeigen {sich} die
epoptischen Farben, z. B. wenn glühendes Glas in Wasser getaucht
{wird}, wenn {man} {auf} Eis {mit} {einem} Stein {oder} Pfahl stößt. Ferner bei
Kalkspath und Fraueneis in den Lamellen. Wie {wird} Glas blind?
Es ist {ein} neutrales Gebilde, und {darauf} beruht {seine} Passivität
{gegen} das Licht. Fast in jedem Glase aber ist Eisenoxyd, besonders (bes.) im
grünen Glase. Magnanoxyd giebt {einen} violetten Schein, {nachdem} es
den grünen Schein {aufgehoben} haben. {Durch} die Luft {wird} nun das Metall
{aufgelöst}, und das Glas getrübt. - {Durch} die veränderte Tempera-
tur der Körper {wird} ihr {Cohäsionszustand} ebenfalls verändert.
Daher zeigen besonders (bes.) erhitzte und schmelzende Metalle {ein} herrliches Farben-
spiel, z. B. der Silberblick {mit} der {ganzen} Farbentotalität: hier {wird}
das im Metall gefangen gehaltene Licht frei. {Diese} Farben kommen her
von den verschiedenen (versch.) {Cohäsionszuständen} der Metalle. Ähnliche Farbenerscheinungen
haben wir am polirten Stahl, z. B. {eine} Messerklinge im Licht: zuerst Gelb,
dann Roth und Purpur, dann Hochblau. {Diese} Farbenerscheinungen lassen
{sich} fixiren, aber {sie} {sind} {noch} {nicht} chemische Farben, {weil} {sie} {noch} {nicht} {durch} {eine}
βαφή hervorgebracht {werden}.

Die entoptischen Farben {sind} erst {nach} Göthe entdeckt von Ara76go
in Paris. Er stellte {sie} in Verbindung {mit} der sogenannten (sog.) Polarisation des
Lichts
. 1808 entdeckte Malus {dieses} Phänomen zuerst. Ein un-
belegtes Glas {wird}77 {gegen} den Horizont geneigt, und {ein} Lichtstral {wird} {darauf}
gelenkt. Das Licht geht {durch} jene Glasfläche {theils} {hindurch}, {theils} geht
es zurück. Unter das 1ste Glas {wird} {eine} 2te Glasfläche gebracht,
{welche} das zurückgeworfne Licht {aufnimt}, und ungeschwächt reflectirt.
Wird aber die {untere} Fläche gedreht in gleichem {Winkel} {gegen} den Horizont,
so zeigt {sich}, daß das Licht an Jntensität abnimt bis zu {einer} Drehung
von 90°, {nachher} zeigt {sich} die Lichterscheinung wieder. Malus
sagt nun, das Licht bestehe {aus} {viereckigen} Lichtstralen, {aus} Octaedern von
Licht zusammengesetzt (zusgesetzt), die unendlich rasch {auf} {einander} folgen; 2 haben immer
[40.] die Disposition, leicht {hindurchzugehen}, 2 andre die Neigung zurück ge-
worfen zu werden. Die directe Zurückstralung giebt also das
volle Licht, die oblique Zurückstralung {ein} verkümmertes Licht.

22. den 29 Juli.

S. Göthes {Zeitschrift} zur {Naturwissenschaft}, 3tes Heft.

Arago beschäftigte {sich} besonders (bes.) {mit} der Polarisation des Lichts, besonders (bes.)
bei doppelt spiegelnden Mineralien, z. B. Kalkspath. {Auch} das Glas
zeigt {diese} Farbenerscheinungen {unter} gewissen Umständen, was See-
beck
entdeckt hat. {Wird} also das Licht von {einer} spiegelnden Fläche {auf}
{eine} andre gestralt, {wird}so78 verliert es bei ungleichartiger Stellung
der Flächen an Jntensität. Dies zeigt {sich} besonders (bes.) bei schwarzen Spiegeln
{oder} unbelegten Gläsern. Der 2te Umstand ist der, daß, wenn
entoptische Glaskörper zwischen die {beiden} Spiegel gebracht {werden},
{dieses} Glas gefärbt, aber {nicht} gleichmäßig erleuchtet {wird}, {sondern} hier
bald mehr, bald weniger. Bei ungleichnamiger Stellung der Spie-
gel erhalten wir {eine} schwarze, bei gleichnamiger Stellung {eine} weiße
Erscheinung; in jenem Falle sieht {man} in den Ecken des Glases Blau,
in {diesem} Falle gelbe Flecken. - Was ist hier die {Grundbedingung}?
Göthe hat erkannt, daß {sich} {dasselbe} ohne Spiegel {unter} freiem,
reinem Himmel zeigt. Ein entoptisches Blättchen nehme {man} vor
{sich}, und lege {es} in {einem} Winkel {gegen} den Horizont; bei niedrigstem
Sonnenstande, wenn wir die Sonne im Rücken haben, und den Himmel
{sich} spiegeln lassen, bemerken wir 4 blaue Puncte; kehren
wir uns um 90° rechts {oder} links herum, so erhalten wir in den
4 Ecken 4 gelbe Puncte, und der mittlere Raum {wird} jetzt dunkel
{sein}, wie er vorher gelb war.

[figure]

{Man} kann {diesen} Versuch stei-
gern {durch} Anwendung dickerer Glasplatten, {oder} indem {man} {einen} schwarzen
Spiegel {unter} das Blättchen legt, und {darauf} das Farbenspiel bemerkt.
{Auch} kann {man} mehrere Blättchen über {einander} legen. Das {ganze} Phänomen
sieht {aus} wie {ein} Pfauenauge. Es ist {ein} schattiges, darum nehme
{man} mattes Glas. Der oblique Widerschein der Sonne79 giebt uns also {eine}
schwarze, der directe Widerschein {eine} helle Erscheinung. Die Erklärung
derselben ist leicht. Geht das Licht {nicht} mehr in derselben Ebene
fort, so {wird} es obliquirt und also geschwächt. Dies ist aber keine
Polarität, denn das Licht ist an {sich} ununterschieden, und also spannt
[41.] es {sich} {nicht} zur Polarität. {Diese} zeigt {sich} nur beim Magnet, {nicht}
mehr beim lebendigen Organismus.

Steigt nun aber die Sonne am Horizont bis zum Mittag,
so erhalten wir am {ganzen} Himmel das Phänomen, das wir vorher
nur im Rücken hatten. Aber das Phänomen {wird} schwankend und
unbestimmt. - Es giebt mancherlei Modificationen {dieses} Phäno-
mens. Aber die {Grundbedingung} ist {ein} wolkenloser Himmel.

Die entoptischen Gläser. Wir erblicken hier Farben, {mit} gewissen
Gestalten begleitet, und Gestalten {mit} gewissen Farben. Die Gestalten
richten {sich} {nach} den verschiedenen (versch.) Gestalten der Gläser. Eine 4eckige Platte
ist die {einfachste}. Hier {sind} die dunkeln und hellen Puncte gleichsam
Quellpuncte, {aus} denen {sich} bei Vermehrung der Gläser das Phänomen
entwickelt. Die Färbung erfolgt wieder in und an dem Trüben.
Der dunkle Quellpunct, {sich} {nach} der Mitte (dem Hellen) verbreitend,
{wird} Gelb, denn {ein} heller Raum {wird} getrübt; dringt das Hell über
das Dunkel, so entsteht Blau, indem nämlich {sich} helle Puncte {nach}
dem Jnnern und Düstern bewegen. Dies wiederholt {sich} bei jedem
nun entstehenden Kreuze, bei jeder neuen Platte; wo {sich} {beide}
Ränder berühren, erscheinen endlich Purpur und Grün. Was ist
aber das entoptische Glas? Das gewöhnliche, langsam abgekühlte
Glas ist {ein} in {sich} continuirliches Medium, und gestattet so dem Lichte
{eine} gleichförmige Verbreitung. {Dieser} {Cohäsionszustand} {wird} {durch} {ein} plötzliches
Abkühlen {ganz} verändert. Die Wärme wirkt {auf} die Körper
{ausdehnend}, und ihre Entziehung wirkt zusammenziehend (zus.ziehend). {Dieser} Temperaturwechsel
kann sanft {oder} plötzlich geschehen. Jn jenem Falle {wird} die Structur
{nicht} verändert, in {diesem} Fall werden die Gläser spröde, und
dann {wird} das Glas {auf} dem Bruche körnig, sonst muschelig. So
härtet {man} ja {auch} das Eisen {durch} plötzliches Abkühlen. Das Glas erhält
{durch} {diesen} Proceß die Eigenschaft der Punctualität. {Dieser} neue {Cohä-
sionszustand} kommt bei den entoptischen Körpern zur Erscheinung. {Durch} rasches
Abkühlen {wird} jeder {Theil} des Glases contrahirt, und dies ist
also {eine} anfangende Trübung. Aber {auch} das Kerzenlicht, {nicht} bloß
das Sonnenlicht, giebt ein80 entoptische Erscheinungen, in denen {ein} {Gegensatz} ist,
je {nachdem} das Licht direct {oder} obliq {auffällt}.

[42.]
23. den 31 Juli.

Die Krystalle {sind} {theils} {einfach}, {theils} doppelt refrangirend.
Um die letzten ist es uns zu thun. {Diese} [continuiren] {durch} Blättchen ihre
regelmäßige Gestalt bis in ihr Jnneres. So ist der Jsländische
Kalkspath beschaffen. Hier findet {sich} der {Durchgang} der Blätter.
Die rhomboidalisch gestalteten Krystalle {mit} {diesem} {Durchgang} der Blätter
geben die doppelte Refraction des Lichts. Denn {diese} Körper {sind}
nichts Homogenes. Ein Punct, {durch} solches Krystall betrachtet, {wird}
doppelt gesehen. Die Umkehrung der farbigen Farben81 Figuren geschieht
{durch} solchen Krystall; das weiße Kreuz in der obigen Figur (S. 40)
{wird} {durch} {einen} solchen Krystall, den {man} umdreht, obliquirt.

2te {Hauptabtheilung}.
Chemische und physiologische Farben.

Hier {sind} die Farben feste Eigenschaften der Körper. {Diese} Farbenphänomene
{sind} {nicht} so wichtig wie die vorhergehenden, die {man} schon kennen muß,
um {sich} jene zu erklären. Die Benennung A) der chemischen Farben ist {ganz}
passend, denn die chemischen Veränderungen der Körper verändern
{auch} die Farben. Wir fangen an bei der unorganischen Welt, und
gehen zur organischen fort. Die chemischen Farben gehören den Körpern eigen-
thümlich an, und hangen {nicht} von der bloßen Stellung ab. Sie {sind} eng
{vereinigt} {mit} der qualitativen Beschaffenheit der Körper. Die Körper
{sind} {überhaupt} farbig, {nicht} bloß {durchsichtig} (wie Wasser, Krystall {etc}).
Jeder präsumirt sogleich, daß {auch} hier das Licht {seine} Rolle spielen {wird}, daß
die Körper {auf} irgend {eine} Weise Ansprüche haben {auf} {eine} eigne
Art der {Jneinssetzung} der Materie und des Lichts. Newton meint,
{ein} grüner Körper verschlinge alle andern Farbenmolecüles, und
werfe nur die grünen zurück, d. h. {ein} Körper ist grün, {weil} er grün
ist. Schon der unbefangene Natursinn betrachtet das Grün
als {ein} dem Körper Jmmanentes; {nach} Newton kommt die Farbe
von außen an die Körper. Bei Nacht {sind} daher {nach} Newton
alle Katzen grau; bei Nacht hat {kein} {Mensch} z. B. {einen} blauen Rock, kein
[43.] Mädchen rothe Lippen. Was die Körper so {oder} so {gegen} die Farben
disponirt, setzt Newton {nicht} {auseinander}, er sagt bloß: dies ist
so.

Wir müssen die farbigen Körper zuerst {mit} den farblosen ver-
gleichen. Sollten {nicht} {beide} {auch} übrigens verschiedner Art {sein}? Sollte
{dieser} {Unterschied} {sich} {nicht} {auch} {auf} die Farbe beziehen? {Grundforderung} war bei
der Farbe {eine} {Jneinssetzung} des Hellen und Dunkeln. Beständige Farben
{werden} also {eine} beständige [{Jneinssetzung}] {dieser} Bedingungen haben. Die Finsterniß
ist {nicht} in {eins} zu setzen {mit} dem Licht, {sondern} {sie} flieht vor ihm. Aber
das Licht findet das Andre seiner in der Materie; es manifestirt
etwas. Materie aber ist {auch} {ein} bloßes Abstractum, und alle
Materie muß bestimmte Materie {sein}. Das Licht ist die Jdentität,
das Andre des Lichts muß also den {Unterschied} an {sich} haben, d. h. die Materie
ist {eine} gesonderte. Eine Urmaterie, {ein} Chaos giebt es nicht. Wollten
wir uns die Materie bloß quantitativ {unterschieden} {denken} als {ein} Vieles,
so würde {sich} {dieses} Viele als Eins setzen und zwar im Lichte.
Die erste Eigenschaft der Materie ist die {Durchsichtigkeit}, die
{sich} aber {auch} {nicht} {rein} passiv {gegen} das Licht verhält, indem es82 {sie} es
bricht und verrückt. Daher die dioptrischen Farben. Die trüben
Mittel entstanden ferner {durch} {ein} Metallisches. Das Körperliche
tritt also dem Lichte {einmal} als {ein} Dunkles {entgegen}, aber es zeigt
{auch} das Licht an {sich} {selbst}, und {wird} so farbig. An {sich} {selbst} enthält also das
Materielle das Lichtprincip. Nur {dadurch} leistet {man} {überhaupt} {einem} Andern
Widerstand, indem {man} dessen Princip in {sich} {aufnimt}. Die Metalle
{sind} nun Principe aller Farben in der Natur. Sie {sind} das in
{sich} Continuirliche und Homogene, und verhalten sich spiegelnd {gegen} das Licht,
wenn {sie} polirt sind. Das polirte Metall hat {einen} eigenthümlichen Glanz,
{wodurch} es alle andern Körper {mit} glatten Flächen übertrifft. Es
hat also das Licht in {sich} {selbst}. Es ist aber {nicht} nur Licht {überhaupt},
{sondern} Materie, und so ist es {diese} lichtvolle Verdunkelung, also
farbig und {selbst} färbend. Quecksilberoxyd (Zinnober) gepülvert {sind}
wahre Lichtmolecüles, fertige, farbige Lichter. Die Metalle
[44.] {sind} {nach} Schelling geronnene, erstarrte Lichter. Das Metallische
ist überall das Farbige, und kann bis ins Vegetabilische und Orga-
nische (Blut) verfolgt werden.

24. den 5 August.

Das Metall wirft das Licht zurück, wenn {seine} Oberfläche (Oberfl.) {seinem} Jnnern
gemäß gemacht ist, d. i. polirt. Das Metall ist {überhaupt} {ein} interessan-
ter Körper, besonders (bes.) in Bezug {auf} den {Menschen}. {Man} scheidet {sie} in edle und unedle.
Sie spielen {eine} wichtige Rolle in Ansehung des {Verhältnisses} des {Menschen} zur Natur
und zum {Menschen} {selbst}. Mit dem Eisen waffnet {sich} der {Mensch} {gegen} den {Menschen} und die
Natur. Das geschmeidige Gold gesellt {sich} zum Eisen, und herrscht
über alles Jrdische. Es ist das Jrdische in {seiner} intensivsten Gestalt.
Es ist das Allgemeine (Allg.) und Penetrirende (Geld). Die Metalle {sind} {theils}
{selbst} farbig, {theils} {eingehend} in den chemischen Proceß. Sie {sind} fest, aber
{auch} wandelbar. {Diese} Wandelbarkeit des Metalls zeigt {sich} zuerst
im Galvanismus als dem {ersten} chemischen Proceß und im Verbrennungs-
proceß. Der Galvanismus besteht darin, daß 2 Metalle {durch} Ver-
mittelung in Berührung gebracht {werden}, und {sich} dann entlassen in ihren Wirkungen.
Mit dem Galvanismus beginnt der chemische Proceß und die Färbung.
Gelb ist Trübung des Lichts, Gold ist gelb, denn es ist die {erste}
Specificirung des Lichts. Das Goldoxyd ist purpurfarbig. Das Detail
läßt {sich} {nicht} {durchgehen}. Aber alle Farben in der Natur {sind} eigentlich
von {einem} Metallischen abzuleiten
. Der chemische {Gegensatz} als Säure
und Kali coincidirt {mit} dem {Gegensatze} der activen und passiven
Farben (Gelb und Blau). Z. B. der Lakmus {wird} {durch} Alcalien zum
Rothblau, {durch} Säuren zum Rothgelb specificirt. {Dieser} {Gegensatz} zeigt
{sich} bei den verschiedensten chemischen Processen, besonders (bes.) aber beim Gal-
vanismus. Der Pluspol ist oxydirend, der Minuspol desoxydi-
rend; jener färbt roth, {dieser} blau. Das chemisch Neutrale
ist farblos und {durchsichtig}, indem es zugleich krystallisch ist - Salze.
Hier muß {man} vom Weiß und Schwarz sprechen. {Man} kann {sie} als
Extreme Farben nennen oder {nicht}. Die Trübe des {Durchsichtigen} ist {einer} Steigerung
fähig bis zur {Undurchsichtigkeit}. {Diese} erste Raumerfüllung ist das
Weiße. Z. B. Reines Wassser ist {durchsichtig} und neutral. Dies
[45.] kann {man} in Schaum verwandeln, indem {man} {seine} innere Conti-
nuität {unterbricht}. Eben so ist das Eis {durchsichtig}, gestoßen {wird} es
weißes Pulver; eben so das Glas. Werden die Krystalle bunt
{durch} {einander} geworfen, so entsteht das Weiße, so z. B. der Schnee.
{Auch} alle reinen Erden {sind} weiß; krystallisirt, {werden} {sie} {durchsichtig}; z. B.
Kalkerde {wird} isländischer Spath, Kieselerde {wird} Bergkrystall,
Bittererde im Talk.

Die Ableitung des Schwarzen ist schwieriger. Jn der unorganischen (unorg.) Natur
ist das Schwarz {eine} seltene Erscheinung, und wo es vorkommt, ist {eine}
Verbrennung {oder} Halbverbrennung vorgefallen, z. B. die Kohle. Die Er-
scheinung des Schwarzen zeigt {sich} also als {ein} Zurücksinken des Organischen
in {einen} niedern {Zustand}. {Durch} das Absterben des Organischen (Org.) zeigt {sich} {eine} Verdunkelung,
das Hervortreten des Finstern, der Materie. Die Kohle namentlich
steht {auf} der Grenze zwischen dem Organischen (Org.) und Unorganischen, das dem
chemischen Proceß {unterliegt}. Die Kohle {wird} zur Asche, {diese} zum
Kali, {dieses} {wird} wieder Erde, {diese} wieder Krystall {etc.}. Die bekannten
schwarzen Pigmente {sind} alle vegetabilischer Art. Doch in der unorganischen (unorg.)
Natur zeigt {sich} {auch} das Schwarz, wo {nicht} grade Verbrennung war, z. B.
Thonschiefer. Hier ist {noch} vieles zu erforschen.

Bei {einer} Halboxydation {werden} {auch} die Metalle schwarz, z. B. bei
Rücksäuerungen wie bei der Tinte. Schwefelsaures Eisen ist gelb,
Gallusinfusion dazu macht das Schwarz.

{Dieser} {beiden} Farben mechanische Vermischung giebt Grau, {hingegen} Finsterniß
und Licht vermischt geben die Farben. {Diese} Jn-{eins}-setzung ist also
{eine} dynamische, jene {eine} mechanische. Über das vorhandene Weiß
und Schwarz ist {noch} {dieses} zu sagen: erhelltes Schwarz {wird} Blau,
getrübtes Weiß {wird} Gelb. Erhelltes Schwarz erhält {einen} blauröthlichen
Schein. - Gelb steigert {sich} zu Rothgelb, Blau zu Rothblau. {Durch}
fortgesetzte Steigerung läßt {sich} {auf} chemische Weise {ein} Culmi-
niren der Farben erzeugen. - {Sind} die chemischen Farben fixirt, so nennt {man}
{sie} Pigmente, die völlig {selbstständig} {sind}. {Diese} Pigmente können {auf}
manche Weise {mit} {einander} verbunden {werden}, und dies ist Sache des
[46.] Färbers und Malers. {Beide} {unterscheiden} 3 Ur- {oder} Elementarfarben:
Gelb, Blau und Roth (das {sich} weder {nach} Blau {noch} {nach} Gelb hinneigt.) Das reine
Roth entsteht, indem Rothgelb und Rothblau in {eins} gesetzt {werden}; {aus}
Pigmenten (Orange und Violett) läßt es {sich} {nicht} mischen, {sondern} es
entsteht etwas Mißfärbiges und Graues. So ist der Purpur kein
Gemisch, {sondern} Gelb und Blau geben Grün, Roth dazu giebt Grau.

25. den 7 August.

Purpur kann {man} {auch} im objectiven (obj.) Falle {durchs} Prisma erhalten, indem {man} {einen}
schwarzen Streifen daran befestigt.

Farben an den organischen (org.) Körpern.

Sie {sind} an der Oberfläche (Oberfl.) und im Jnnern gefärbt. Die Farben des Unorganischen (Unorg.) lei-
teten wir vom Metall ab. Das Pricip der Metallität langt aber
{nicht} {aus} beim Organischen, obgleich es {sich} {auch} hier {hinein} zieht, z. B. die Hortensien
{werden} blau {durch} Eisenfeilspäne in der Erde. Der Charakter des Organischen (Org.) liegt
{nach} Aristoteles darin, daß es {sich} von innen {heraus} bildet, so daß die {Theile}
des Organischen (Org.) {sich} als Glieder bilden, die von {einer} Seele {durchdrungen} {sind}; verläßt
{diese} jene Theile, so hören {sie} {auf} zu sein, was {sie} waren. Hier ist also das
Princip der Jdealität, der Jdentität {mit} {sich}, des Lichts. Hier begegnet
uns das Licht aber {nicht} erstarrt wie im Metall, {sondern} frei und heiter.
Das organisch (org.) Lebendige ist aber {ein} Doppeltes: vegetabilisch und animalisch.
{Beide} wachsen, {beide} bilden {sich} {aus} Sonne. Die Pflanze aber zeigt nur {eine}
Wiederholung ihrer {selbst}, das Thier aber ist das Seelenhafte {für} {sich}, d. h.
es empfindet {sich}. {Diese} Ansicht ist jetzt {auch} in der Empirie herrschend.
Die Pflanze also treibt {sich} bloß über {sich} {hinaus} ohne {Einheitspunct} der
Empfindung. Woher aber kommt es, daß das Organische (Org.) {auch} farbig {erscheint}?
So lange die Pflanze im Schooß der Erde liegt, und {noch} keimt, ist {sie}
weiß; sobald {sie} das Licht begrüßt, und an den Tag {herausbricht}, und
am Allgemeinen (Allg.) {Theil} nimt, so färbt {sie} {sich}, d. h. {sie} determinirt {sich}, und ihr Allgemeines (Allg.)
geht {ganz} in ihre Besonderung über. Die Farbe des Pflanzenreichs ist aber
Grün, als {Einheit} von Gelb und Blau, denn Gelb ist Farbe der {Allgemeinheit},
des Lichts, Blau ist FB83arbe der Besonderung, der Materie. Das Grün
ist daher die Farbe der Neutralisirung, denn das Pflanzenreich ist
das allgemeine (allg.) Wasserreich. Aber wenn die Pflanzen blühen, zeigen {sie} {ein}
buntes Farbenspiel an der Seite, wo {sie} {sich} besonders (bes.) dem Lichte zuwenden.
{Auch} die Blüthe verdankt ihre Entstehung der Farbe {nach} dem Lichte, {welches} dann
[47.] wieder die Farbe hinwegnimt. Die Natur indeß hat ihre zufälligen
Einfälle wie der Geist; der Frühling hat gelbe Farben, die Mitte die
rothen (Rosen), der Herbst hat blaue Farben (Astern). Übrigens ist die
Blumenflora sehr manchfaltig, eben so bunt wie die Geschichte. An {einzelnen}
sinnigen Andeutungen fehlt es {auch} hier {nicht}; {auch} der {Mensch} bildet {sich} {eine} Farbensymbolik.
So ist die Rose die Königinn der Blumen, voll des schönsten Purpur-
roths. Eben so vergehen die Pflanzen am Lichte, denn {sie} haben kein Jch;
die Sonne, das allgemeine (allg.) Leben ist {noch} ihr Jch.

Das Leben des Thieres ist im Jnnern zu suchen, und hier begegnet uns
das Roth als Farbe der Subjectivität. Roth ist das Blut, das vom Herzen kommt,
und zum Herzen geht. Die armseligern Thiergestalten {hingegen} haben {kein} rothes
Blut. {Auch} die Oberfläche der Thiere ist bunt. (Das Thierreich kann {man} das
organische (org.) Feuerreich nennen.) Wo die Sonne mächtig wirkt, {sind} die Thierfarben
{auch} mächtiger und heller. Vögel und Schmetterlinge („geflügelte Blumen“) {sind}
in tropischen Ländern bunt. Das im Jnnern Entwickelte ist vom Äußern her
{nicht} determinirt, z. B. die Nachtigall. Das organische (org.) Leben ist das Höchste, wohin
es die Natur bringt. An der Spitze der Natur steht der {Mensch}, dessen
Charakteristisches das Denken ist; er ist der {nach} oben (ἄνω) gekehrte,
der ἄνθρωπος. Der {Mensch} sagt ich, und darin liegt {sein} {Concentrirtsein}. Der {Mensch},
der über der Natur steht, ist darum {nicht} außer der Natur; daher
hat der {Mensch} {auch} {eine} Farbe. Jm Jnnern hat er die subjective (subj.) Farbe; die äußere
Farbe der schönsten Menschenrace (der kaukasischen) ist reines Jncarnat,
die πεψις (Kochung) aller übrigen Farben, besonders (bes.) Gelb, Roth und Blau. Bei den Affen
ist das Gesicht {noch} blau, schroff determinirt. An {einzelnen} {Theilen} der Fleischfarbe
zeigt {sich} {ein} Fortgehen bis zum Purpur: das Roth als Schmuck der Jugend
und als Siegel der Vergnüglichkeit; das Purpur der Lippen.

B. Die physiologischen Farben.

Das Princip ist hier, daß der {Mensch} im Auge, {diesem} Lichtorgan, {selbst}
{ein} inneres Licht hat; das Auge ist das Licht des Leibes. Das Princip der
Jdealität kehrt wieder im Sinne des Lichtes. Jm {Menschen} immanent
ist das Licht die {menschliche} Seele, daher hat das Auge {diesen} seelenhaften
Charakter; das Auge ist der Spiegel der Seele.

S. des Regierungsbevollmächtigen Schulz Ansicht über das passive
[48.] Licht im Auge. Schulz nimt an, daß im Jnnern des Auges {ein}
phosphorisches Princip {seinen} Sitz habe, ({auf} der corechoro84idea) das, von außen
gereizt, {nachher} {dagegen} reagirt.
12 Prof. Rust erkennt dies {auch} an.

Erregungen des Gemüths bringen dann von innen {heraus} ähnliche Erscheinungen hervor
z. B. was {man} „feurige Augen“ nicht85 nennt, {eine} {Aufregung} des phosphorischen
Princips bei Leidenschaften. Augenblickliches {oder} {gänzliches} Erblinden entsteht bei
außerordentlichen Ekstasen. - Jene Ansicht von der {Selbstthätigkeit}
des Auges ist schon bei Platon vorgetragen. S. Göthes
Geschichte (Gesch.) der Farbenlehre.
13 „Wäre {nicht} das Auge sonnenhaft, wie könnten wir
das Licht erblicken?“ - sagt schon {ein} alter Mystiker.
14 Geht's {nicht} schon hier
ins Seelenhafte, Psychologische {hinein}! Jst {nicht} die ψυχή das Höchste,
{wonach} {sich} alles drängt! - - Gelb, Roth, Blau {sind} die Farben, die in
der psychologischen (psycholog.) Erscheinung {auf} {einander} folgen, z. B. in {einem} verfinsterten Zimmer,
in {welches} vorher {ein} Spectrum schien. Die Farbenerscheinung {einer} Farbe
drängt {sich} stets zur Totalität; jede Farbe strebt zu ihrer
entsprechenden. {Hierauf} beruht die Harmonie der Farben,
{welche} die Maler kennen müssen. Hier stehen wir also an der Grenze
der Ästhetik. Der richtige Farbensinn leitet die Maler am
besten. Die Principien des {Herrn} v Göthe gingen {aus} von dem Bestreben
die Farben der Maler gesetzlich zu erklären in ihren Contrasten.

[Schlußstrich]

Dr. G. Ficinus Optik oder Lehre vom Licht. Dresden, Hilscher, 1828, kl. 8. 135 S.
({Theil} II der allgemeinen (allg.) Taschenbibliothek der {Naturwissenschaften})
. [Optik nach Goethe.]

S. 93. Rücksichtlich der Einfachheit sind Roth und Gelb die einfachsten der hellen Reihe, Blau ist die
einfache der dunkeln. Aus Blau und Gelb entsteht das dem Roth polare Grün, {aus} Blau und
Roth das Violette, {aus} Roth und Gelb das Gelbroth. {Daraus} folgendes Schema, worin die
3 hellen Farben den obern Platz einnehmen, die 3 dunkeln die untere Spitze:

[figure]

Die consonirenden Farben stehn stets um eine gewisse Entfernung von einander ab. Am
besten stimmen die polaren, weniger die {sich} berührenden, denn Gelb und Grün ist Dissonanz.
Hierin liegt der Grund, warum gesunde Augen, wenn sie mehrere Farben in der Bekleidung zu
wählen haben, die polaren am liebsten verbinden. {Diese} Verbindung tritt oft in der lebendigen
Natur auf, wie an den Deckblättern des Melampyrum nemorosum15.

[[49.]]

Auszug {aus} Göthes Farbenlehre. Theil I. Tübingen, 1810..

I. Physiologische Farben.
  • S. 6. Eine weiße Rundung {auf} schwarzem Grunde {erscheint} etwa um 1/5
    größer als {eine} an und {für} {sich} gleich große schwarze Rundung {auf} weißem
    Grunde. Schwarze Kleider machen die Personen viel schmäler {aussehen} als helle.
    Die {auf}- und {untergehende} Sonne {scheint} {einen} {Einschnitt} in den Horizont zu machen. (Das Auge
    ist {für} das Licht empfänglicher als {für} das Dunkle.)
  • (Die {Hauptgegensätze} der Farben {sind}: Purpur und Grün, Blau und Gelbroth (Orange),
    Violett und Gelb.)
    S. S. 19 Jede {dieser} Farben fodert und producirt die andre.)
  • S. 24. Die Purpurfarbe am bewegten Meer ist {auch} {eine} gefoderte Farbe. Der
    beleuchtete {Theil} der Wellen {erscheint} grün in {seiner} eigenen Farbe, und der beschattete
    in der {entgegengesetzten} purpurnen.
  • S. 25. Wer bei mittlerer Helle des Himmels {auf} Wiesen wandelt, und {nichts} als
    Grün vor {sich} sieht, erblickt die Baumstämme und Wege öfters {mit} {einem} röthlichen
    Scheine leuchten. Bei {Landschaftsmalern} kommt {dieser} Ton oft vor, was {man} {mit} Unrecht
    als unnatürlich tadelt.
  • S. 26. Jn dem vom Gelben gefoderten Violetten liegt das Rothe und Blaue;
    im Orange des Gelbe und Rothe, dem das Blaue entspricht; das Grüne {vereinigt}
    Blau und Gelb, und fodert das Rothe, und so ist der Farbenkreis geschlossen.

    Farbige Schatten. Es kommt hierbei auf die Farben der Flächen an.

  • S. 34. Wenn der Taucher {unterm} Meere von der Sonne beleuchtet {wird}, so ist alles
    Beleuchtete, was {seine} Glocke umgiebt, purpurfarbig, die Schatten {dagegen} sehen grün {aus}. Schwachwirkende Lichter. Pathologische (Patholog.) Farben. Manche {Menschen} sehen den Himmel (das Blau) rosenroth: Akyanoblepsie.
  • S. 57. Kinder und rohe Völker lieben lebhafte Farben, gebildete {Menschen} vermeiden {sie}.
II. Physische Farben.
Sie {werden} erzeugt {durch} materielle Mittel, die {selbst} {keine} Farbe haben.
  • 1. Dioptrische Farben. ({durch} Refraction.)
    S. 111. Das Flintglas bringt die Farbenerscheinung um 1/3 stärker als das
    Crownglas hervor. Das Crownglas hat {eine} grünliche Farbe.
  • 2. Katoptrische Farben. ({durch} Spiegelung)
    S. 146. Purpur und Grün zeigen {sich} vorzüglich. - Stahlseite - Spinneweben -
    Perlemutter - Höfe um Sonne und Mond bei leichten {sie} umgebenden
    Dünsten
  • 3. Paroptische Farben entstehen, wenn das Licht an {einem} undurchsichtigen farblosen Körper
    herstralt. Denn hier entsteht {ein} Schatten.

    S. 151. Der Schatten ist nur am Fuße scharf, oben verfließt er in {eine} helle (gelbe)86 Fläche.
  • 4. Epoptische Farben {auf} der Oberfläche (Oberfl.) {eines} farblosen Körpers.
    S. 172. Sie zeigen {sich} besonders (bes.) an blättrigen {Steinarten}: Kalkspath, Fraueneis. Zwischen den
    Lamellen entsteht nämlich {eine} Trübung. Auch alle Blasen {sind} farbige
    [[50.]] Erscheinungen, besonders (bes.) {auf} Seifenblasen, {auf} Bier, {Wein} und Chocolade, {auf} der
    Oberfläche stehender, besonders (bes.) eisenhaltiger Wasser, wenn Metalle
    erhitzt {werden} (damasciren). man nimt polirten Stahl {aus} der Hitze, undsteckt ihn in Asche.87 {Man} halte z. B. {ein} Federmesser ins Licht. {Diese} Farben
    entstehen {auch}, wenn die Oberfläche (Oberfl.) des Glases angegriffen {wird}. (Die Spiegelseite
    des Glases, die im Ofen oben {auf} liegt, nimt {man} daher gern ins Zimmer, {weil}
    {sie} {durch} die Feuchtigkeit von innen weniger angegriffen {oder} blind88 {wird}.) Hier setzen {sich}
    die Farben an die Körper fest, und {werden} also chemisch.
III. Chemische Farben.
  • S. 186 Sie fixiren {sich} an den Körpern.

    Chemischer {Gegensatz} von Säure und Kali. Die gelbe Seite hat überall das Mehr, die
    blaue das Weniger; jene bezieht {sich} {auf} die Säure, {diese} {aufs} Kali.

  • S. 188. Ableitung des Weißen. Reines Wasser zu Schnee krystallisirt, {erscheint}
    weiß. Die unzerlegten Erden {sind} im reinen {Zustande} weiß. {Durch} natürliche Krystalli-
    sation {werden} {sie} {durchsichtig}: Kieselerde {wird} Bergkristall, Thonerde Glimmer, Bitter-
    erde Talk, Kalk- und Schwererde manchfache Spathe.

    Das Schwarze entsteht bei Halbverbrennungen: Kohle; Bretter {werden} {durch} Licht und Feuchtigkeit
    erst grau, dann schwarz. Das {sich} verdunkelnde Weiß {wird} Gelb, das {sich} erhellende
    Schwarz {wird} Blau. Die Receptivität der Erden gegen schon vorhandene Farben ist
    sehr groß, besonders (bes.) der Alaunerde. Eisen oxydirt {sich} leicht, und der Eisenkalk
    nimt verschiedene (versch.) Farben an, und {theilt} {sie} leicht {mit}. Bei jeder mineralischen Farbe
    zeigt {sich} {eine} Spur von Metall, besonders (bes.) Eisen.

  • S. 206. Auf der activen Seite ist der Krapp, {auf} der passiven der Jndigo Stell-
    vertreter aller andern Pigmente. {Diese} materiellen Farbenstoffe fixiren
    {sich} wieder an andern Körpern, an Erden und Metallkalken, {durch} Schmelzung {mit} Gläsern.
    Gelb aber ist überall vergänglicher als Blau.

    Mischung. Gelb, Blau und Roth {sind} die reinen, fertigen {Grundfarben}. Roth und Blau {wird}
    Violett, Roth und Gelb Orange, Gelb und Blau Grün
    . Sämtliche Farben zusammengemischt (zusgemischt)
    behalten ihren allgemeinen (allg.) Charakter (Char.) als σκιερόν d. i. als Grau, {nicht} als Weiß, wie Newton
    {behauptete}. - Das Schwungrad aller Farben zeigt Grau. Gelbe und blaue Streifen {auf}
    {einer} Fläche {oder} gelbes und blaues Pulver gemischt zeigen doch Grün.

  • S. 215. Pigmente im höchst gesättigten {Zustande} zeigen ihre Farben {nicht} mehr, vielmehr
    {erscheint} {auf} ihrer Oberfläche (Oberfl.) {ein} Metallglanz, worin die physiologisch gefoderte
    Farbe spielt; so zeigt guter Jndigo die Kupferfarbe {auf} dem Bruch.

    (Silber ist weiß, Stahl, Zinn, Blei {etc.} {sind} blaugrau, Gold gelb, Kupfer roth, {durch} Zink
    {wird} es wieder gelb.)

  • S. 216. Farbige Liquoren erscheinen schwarz, wenn {kein} Licht hindurchfällt, also muß jede Farbe,
    um gesehen zu {werden}, {ein} Licht im Hinterhalte haben. Je glänzender daher die {Unterlagen} {sind},
    desto schöner erscheinen die Farben. Sich weiße {Unterlagen} zu verschaffen, ist das
    {Hauptgeschäft} des Färbers. Farblosen Erden, besonders (bes.) dem Alaun, kann jede
    [[51.]] specificirte Farbe leicht {mitgetheilt} {werden}. Alles Lebendige strebt zur
    Farbe, zum Besonderen (Bes.), zur Specification, zum Effect, zur {Undurchsichtigkeit} bis ins
    Unendlichfeine. Alles Abgelebte zieht {sich} {nach} dem Weißen, zur Abstraction,
    zur {Allgemeinheit}, zur Verklärung, zur {Durchsichtigkeit}. Thiere und Vegetabilien
    bringen daher im lebendigen {Zustande} Farbe an ihnen hervor.
  • S. 219. Der Wiederschein {wird} {auf} lichten Flächen {aufgehoben}, {auf} Schattenstellen wirkt er
    schön und magisch. Dies {sind} die Vorbilder der sogenannten (sog.) Reflexe in der Malerkunst.
  • S. 221. Auf Entziehung der Farben beruht die Bleichkunst. Das Licht bleicht farbige
    Flächen, vielleicht indem es die ihm verwandte Farbe ergreift, {sie}, die so viel
    Flammenartiges hat, gleichsam entzündet, verbrennt, und das an ihr Specifische
    wieder in {ein} Allgemeines (Allg.) {auflöst}. {Auch} Luft und Wasser bleichen. Weingeist zieht an {sich},
    was die Pflanzen färbt; Schwefeldampf stellt das Weiß her.
  • S. 230. Farben an Pflanzen. Die Samen, Wurzeln und was vom Lichte {ausgeschlossen} {oder} von der Erde umgeben89
    ist, ist meistens weiß. Jm Finstern gezogene Pflanzen {sind} weiß {oder} gelblich.
    Die Pflanzen setzen im Finstern Knoten an Knoten, aber in größern Zwischenräumen als
    sonst, ohne Seitenzweige, ohne Metamorphose. Tritt Licht hinzu, so {wird} die Pflanze
    grün, und der Gang der Metamorphose hat Statt. Blumen {einerlei} Geschlecht, ja {einerlei} Art,
    finden {sich} von allen Farben, z. B. Rosen und Malven (weiß, gelb, rothgelb, purpur). Die
    gelbe Farbe herrscht hierbei den Blumen90 vor, die blaue ist seltner
    . Die saftigen Fruchthüllen gehen
    vom Grünen {durchs} Gelbe ins höchste Roth je {nach} der Reife, {einige} an der {ganzen} Hülle,
    andre nur an der Sonnenseite. Die Farbe findet {sich} {auch} in den Wurzeln und Säften
    der Stengel. {Auch} die Farbe des Holzes geht vom Gelben bis in Purpur und Braun,
    wie ins Blau, und so zeigt {sich} {auch} hier die active Seite mächtig. Der {aus} der Erde
    dringende Keim ist weiß und gelblich, durch Licht und Luft {wird} er grün; so {auch} bei jungen
    Baumblättern, z. B. Birken. Das Gelbe gehört den Blättern wesentlicher als das
    Blaue, denn im Herbste schwindet {dieses}, und das Blaue bleibt und {wird} Braun. Manche
    herbstlichen Blätter {werden} hochroth. Die Farben der Blumen lassen {sich} {durch} Weingeist
    {ausziehen}, und tingiren ihn; die Blumenblätter {dagegen} erscheinen weiß. {Durch} Tabaksrauch
    {werden} die Rosen grün
    .
  • S. 235. Würmer, Insecten, Fische. Zur Bestimmung der Farben gehört Licht. Daher {sind}
    die Würmer der Erde und Finsterniß weiß- und unfärbig. Jm Wasser wohnende
    Geschöpfe {sind} mehr oder weniger gefärbt, denn das Wasser läßt hinreichendes
    Licht {durch}. Die Zoophyten in der {reinsten} Kalkerde {sind} meistens weiß; doch {sind} die Corallen
    gelb- und hochroth. Die Gehäuse der Schaalthiere, besonders (bes.) des Meeres, {sind} schön gezeichnet.
    {Durch} die Säfte der Muscheln {werden} {diese} epochenweis immer schöner gefärbt bei ihrem
    Wachsthum. Der Saft der Purpurschnecke {erscheint}, dem Licht und der Luft {ausgesetzt},
    erst gelblich, dann grünlich, geht dann ins Blaue, dann ins Violette über, nimt aber
    stets {ein} höheres Roth an; {durch} {Einwirkung} der Sonne {wird} er besonders (bes.) {auf} Battist hochroth - {Eine}
    Steigerung der Minusseite. {Dieser} Saft deutet hin {auf} das bei höher stehenden Thieren {sich}
    entwickelnde Blut. {Dieses} im verdünntesten {Zustande} {erscheint} gelb, verdichtet wie in den
    [[52.]] Adern roth, und zwar zeigt das arterielle Blut, {ein} höheres Roth, {wahrscheinlich}
    wegen der Säurung {durch} das Athmen; das venöse Blut geht mehr {nach} dem Violetten
    hin.

    Heißere Himmelsstriche erhöhen und verschönern die Farben der Fische. Bei denjenigen (denj.)
    Geschöpfen, die dem Licht, der Luft und trocknen Wärme angehören, finden {wird}wir91 uns
    recht im lebendigen Farbenreiche. Manche Insecten {sind} concentrirter Farbe-
    stoff, z. B. die Coccusarten ; an Käfern und Schmetterlingen, die {einer} vollkommenen (vollk.)
    Metamorphose zu ihrer Entwicklung (Entw.) bedürfen, zeigen {sich} die schönsten Farben. Die
    Schmetterlinge besonders (bes.) {sind} wahre {Ausgeburten} der Luft und des Lichts; die
    Raupenfarben deuten schon {auf} die Schmetterlingsfarben.

  • S. 241. Vögel. (Die Schmarotzerpflanzen beweisen {sich} deshalb als vorzüglich und kräftig,
    {weil} {sie} das Organische als ihr Element behandeln.) Die Federn der Vögel {sind} {mit} den
    Pflanzen zu vergleichen. Mit der Form verwandelt {sich} ihre Farbe. Das Gefieder ist
    allfarbig, doch im {Ganzen} das Gelbe, das {sich} zum Roth steigert, häufiger als das Blaue.
  • S. 244. Säugethiere und {Mensch}. Hier verlassen uns die Elementarfarben fast {ganz}.
    Die Farben {sind} hier {durch} organische (org.) Kochung bezwungen. Der {Mensch} trennt {sich} {ganz} von der allgemeinen (allg.) Natur-
    lehre los. Bei den Thieren strebt {noch} manches Überflüssige {nach} außen, als Ohren und Schwänze,
    Haare, Mähnen. Die Oberfläche (Oberfl.) des {Menschen} ist glatt und rein außer wenigen {mit} Haaren mehr
    gezierten als bedeckten Stellen. Denn {ein} Überfluß der Haare an Brust, Armen, Schenkeln
    deutet eher {auf} Schwäche als {auf} Stärke, wie denn {wahrscheinlich} nur die Poeten, {durch} den
    Anlaß {einer} übrigens starken Thiernatur verführt, {mit} {unter} solche haarige Helden
    zu Ehren gebracht haben. Die Farbe der {menschlichen} Haut ist {keine} Elementarfarbe, {sondern} {durch} organische (org.) Kochung
    bearbeitet. Die Farbe der Haare und Haut deutet {auf} {einen} {Unterschied} der Charaktere.

    Aus dem bisherigen geht hervor, daß der weiße {Mensch}, d. h. derjenige (derj.), dessen Oberfläche (Oberfl.)
    vom Weißen ins Gelbliche, Bräunliche, Röthliche spielt, kurz, dessen Oberfläche (Oberfl.)
    am gleichgültigsten erscheint, am wenigsten {sich} zu etwas Besonderm hinneigt, der
    schönste sei.

  • S. 249. Das blaue Licht erregt {auf} dem Thermometer die geringste, das gelbe
    die höchste Wärme, denn dort waltet der Schatten, hier das Helle vor.
S. 255. Allgemeine Ansichten {nach} innen.
  • Wir können jedes Licht, das gesehen {wird}, farbig nennen. Farbloses Licht ist gewisser-
    maaßen {eine} Abstraction. Entstehen der Farben und {sich} entscheiden, ist {eins}.
  • Polarität der Farben.
    +-
    GelbBlau
    WirkungBeraubung
    LichtSchatten
    HellDunkel
    KraftSchwäche
    WärmeKälte
    NäheFerne
    AbstoßenAnziehen
    Verwandtschaft
    {mit} Säuren
    Verwandtschaft {mit} Alkalien

    Die {Einheit} {dieses} {Gegensatzes} nennen wir Grün.
    Blau und Gelb verdichtet (d. i. Violett und Gelbroth)92 geben Purpur. Als
    Pigment entsteht er {nicht} {durch} Mischung {oder} {Vereinigung}.
    Daher hat der Maler Ursache, 3 Grundfarben
    anzunehmen, {aus} denen er alle übrigen zusammensetzt (zus.setzt);
    der Physiker {dagegen} nimt nur 2 Grundfarben an
    .
    Die Totalität neben {einander} zu sehen, macht {einen} harmo-
    nischen {Eindruck} {aufs} Auge. {Man} hat hier den {Unterschied}
    zwischen dem physischen {Gegensatz} und der harmonischen
    [[53.]] {Entgegenstellung} zu bedenken. Der erste beruht {auf} der reinen, nackten, ursprünglichen
    Dualität, insofern {sie} als {ein} Getrenntes angesehen {wird}; die 2te beruht {auf} der
    abgeleiteten, entwickelten und dargestellten Totalität.

    Die chemischen Farben dauern sehr lange, Farben {durch} Schmelzung in Glas und Farben in
    Edelsteinen trotzen aller {Zeit} und {Gegenwirkung}.

  • S. 266. {Verhältniß} zur Philosophie (Philos.). {Man} kann vom Philosophen {nicht} verlangen, daß er Physiker sei,
    und dennoch ist {seine} {Einwirkung} {auf} den physischen Kreis so nothwendig und so wünschenswerth. Dazu
    bedarf es {nicht} des {Einzelnen}, {sondern} nur der {Einsicht} in die Endpuncte, wo das {Einzelne} zusammentrifft (zus.trifft).
    Der Physiker aber hüte {sich}, das Anschaun in Begriffe (Begr.), den Begriff in Worte zu verwandeln, und
    {mit} {diesen} Worten, als wären's {Gegenstände}, umzugehen. Jn der Physik halte {man} {nicht} das Abge-
    leitete {für} das Ursprüngliche. Kann der Physiker bis zu {einem} Urphänomen gelangen,
    so ist er geborgen und der Philosoph {mit} ihm.
  • S. 269. {Verhältniß} zur Mathematik. Die Optik hatkann93 der Mathematik (Mathem.) {nicht} entbehren, wohl die Farbenlehre.
  • S. 276. {Verhältniß} zur allgemeinen (allg.) Physik. Treue Beobachter der Natur, wenn {sie} {auch} sonst {noch} so
    verschieden {denken}, {werden} doch darin {übereinkommen}, daß alles, was erscheinen solle, müsse
    entweder {eine} ursprüngliche Entzweiung, die {einer} {Vereinigung} fähig ist, {oder} {eine} ursprüngliche {Einheit},
    die zur Entzweiung gelangen könne, andeuten, und {sich} {auf} solche Weise darstellen. Das
    Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu {einigen}, ist das Leben der Natur: dies ist
    die ewige Systole und Diastole, die ewige Synkrisis und Diakrisis, das Ein-
    und Ausathmen der Welt, worin wir leben, weben und sind.
    16
  • Mögte jemand {auch} die Tonlehre an die Physik anschließen, zerstörend und
    in die physischen Elemente {auflösend}, was {auf} seltsamen empirischen, zufälligen, mathematischen (mathem.), ästhetischen und genialischen Wegen in der Musik entsprungen ist.
  • S. 283 s. über Sprache und Terminologie.
VI. Sinnlich-sittliche Wirkungen der Farbe.
  • S. § 758-763. {Durch} das Auge wirkt die Farbe
    {aufs} Gemüth. Die Farben von der Plusseite {sind} Gelb, Orange (Rothgelb) und Gelbroth
    (Mennig, Zinnober). Sie stimmen regsam, lebhaft, strebend.
  • Gelb ist die nächste Farbe am Licht, daher hat es {eine} heitre, muntre, sanft reizende
    Eigenschaft, {einen} warmen und behaglichen {Eindruck}. Daher kommt es in der Malerei der beleuchteten
    und wirksamen Seite zu. {Man} sehe nur {durch} {ein} gelbes Glas in grauen Wintertagen
    {eine} Landschaft an. Beschmutzt [ist {dagegen}] {diese} Farbe unangenehm, und macht äußerst
    empfindlich. So die Farbe des Schwefels, und wenn Gelb unreinen und unedeln Oberflächen
    {mitgetheilt} {wird}, wie dem gemeinen Tuch, Filz {etc.}. So {wird} die Farbe der Ehre und Wonne zur
    Farbe der Schande, des Abscheus und Mißbehagens.
  • Die Farbe wächst im Rothgelb, und {wird} mächtiger und herrlicher; Gefühl der Wärme und
    Wonne - Abglanz der {untergehenden} Sonne. (Den Franzosen freut an Farben alles,
    was {auf} der activen Seite steht.)
  • Jm Gelbroth steigert {sich} die Farbe bis zum unerträglich Gewaltsamen. Energische,
    gesunde, rohe {Menschen} erfreuen {sich} besonders (bes.) an {dieser} Farbe. (Wilde Völker und Kinder.) Ein
    gelbrothes Tuch erzürnt die Thiere.
  • Die Farben von der Minusseite sind Blau, Rothblau und Blauroth. Sie stimmen zu {einer}
    unruhigen, weichen und sehnenden Empfindung.
  • Blau führt immer etwas Dunkles {mit} {sich}. Es macht {eine} sonderbare Wirkung; als Farbe
    ist es Energie, allein es steht {auf} der negativen Seite, und ist in {seiner} höchsten {Reinheit}
    gleichsam {ein} reizendes Nichts. Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und
    Ruhe im Anblick. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so {scheint} {eine} blaue
    Fläche auch vor uns zurückzuweichen. Wie wir {einen} angenehmen {Gegenstand}, der vor uns
    flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gern an, {nicht} {weil} es {auf} uns
    dringt, {sondern} {weil} es uns {nach} sich zieht. Es giebt uns {ein} Gefühl von Kälte, so wie
    es uns an Schatten erinnert. Rein blau tapezirte Zimmer erscheinen gewisser-
    maaßen weit, aber eigentlich leer und kalt. Blaues Glas zeigt die {Gegenstände} in
    traurigem Licht.
  • Jn Rothblau steigert {sich} die Farbe, und erhält {dadurch} etwas Wirksames, aber es
    macht unruhig. Sehr verdünnt heißt diese Farbe Lila, aber {auch} so hat {sie} etwas
    Lebhaftes ohne Fröhlichkeit.
  • Blauroth. Jene Unruhe nimt bei {dieser} Steigerung zu; {eine} Tapete von {dieser} Farbe
    ist {eine} Art unerträglicher {Gegenwart}. Die hohe Geistlichkeit hat {sich} {diese} unruhige Farbe zuge-
    eignet, und steigt strebt94 so unaufhaltsam zum Cardinalpurpur.
  • Roth (Carmin Cochenille95) = Purpur d. i. ohne Zusatz von Blau und Gelb. Roth enthält actu
    & potentia
    alle Farben, und giebt daher ideale Befriedigung, {einen} {Eindruck} sowohl
    von Ernst und Würde als von Huld und Anmuth, jenen im verdichteten, {diesen} im
    verdünnten {Zustande}. Das Purpurglas zeigt {eine} wohlerleuchtete {Landschaft} in furchtbarem
    Lichte. So müßte der Farbeton über Erd und Himmel am Tage des Gerichts
    {ausgebreitet} {sein}.
  • Grün {wird} gebildet {aus} den {beiden} {einfachsten} Farben, daher findet unser Auge darin {eine}
    reale Befriedigung, {man} will und kann {nicht} weiter. Deswegen {für} Zimmer, in denen {man} {sich} immer
    befindet, meist die grüne Farbe zur Tapete gewählt {wird}.
  • [waagerechte Linie]
  • S. 301. Eine {einzelne} Farbe erregt im Auge {durch} {eine} specifische Empfindung das Streben {nach}
    Allgemeinheit. Neben jedem farbigen Raum sucht das Auge {einen} farblosen, um die
    gefoderte Farbe an demselben hervorzubringen.
    GelbfodertRothblau
    BlauRothgelb
    PurpurGrün.

    {Hieraus} bilde {man} {sich} {einen} Farbenkreis {mit} den Übergängen, mache darin {einen} Zeiger, der
    {sich} um das Centrum dreht, so hat {man} stets die gefoderten Farben. - Der Regenbogen ist
    {keine} Farbentotalität, denn es fehlt darin Purpur, {weil} {sich} Gelbroth und Blauroth
    {nicht} darin erreichen können.
  • Charakteristische Zusammenstellungen (Zusstellungen) {werden} in unserm Farbenkreise {nicht} {nach} Diametern,
    {sondern} {nach} Chorden {aufgefunden}, so daß {man} {eine} Mittelfarbe überspringt. Sie haben etwas Bedeu-tendes, aber {nicht} Befriedigendes.96
  • Gelb und Blau ist arm und gemein.
  • Gelb und Purpur ist {einseitig}, aber heiter und prächtig: die {beiden} Enden der thätigen Seite, ohne
    daß das stetige Werden {ausgedrückt} ist.
  • Blau und Purpur: {beide} Enden der passiven Seite.
  • Gelbroth und Blauroth haben etwas Erregendes, Hohes, und geben die Vorahnung des Purpurs.
  • Wenn das Auge Blau und Gelb neben {einander} sieht, so befindet es {sich} in der
    sonderbaren Bemühung, immer Grün hervorbringen zu wollen, ohne {damit} zu Stande
    zu kommen, und ohne also im {Einzelnen} Ruhe {oder} im {Ganzen} Gefühl der Totalität bewirken zu können.
  • S. 310. Die active Seite {mit} dem Schwarz zusammengestellt, gewinnt an Energie,
    die passive verliert. Die active {mit} dem Weißen und Hellen zusammengebracht,
    verliert an Kraft, die passive gewinnt an Heiterkeit. Purpur und Grün {mit} Schwarz
    sieht dunkel und düster, {mit} Weiß {hingegen} erfreulich {aus}.
  • S. 311. Historische Betrachtungen. Die Südvölker Europas tragen an {sich} lebhafte Farben, um {mit}
    dem Glanz des Himmels und der Erde zu wetteifern. {Überhaupt} haben bei den Trachten der
    Nationen gewisse technische Bequemlichkeiten und {Vortheile} großen {Einfluß}. So sieht {man} die
    Deutschen viel in Blau gehen, {weil} es {eine} dauerhafte Farbe des Tuches ist. Wie Farben
    Stimmungen hervorbringen, so fügen {sie} {sich} {auch} zu Stimmungen und {Zuständen}. Lebhafte Nationen, z. B. die
    Franzosen, lieben die gesteigerten Farben, besonders (bes.) der activen Seite; gemäßigte, als
    Engländer und Deutsche, das Stroh- {oder} Ledergelb, wozu {sie} dunkelblau tragen. Nach Würde
    strebende Nationen, als Jtaliäner und Spanier, ziehen die rothen Farben ihrer Mäntel
    {auf} die passive Seite herüber. {Man} bezieht bei Kleidung den Charakter (Char.) der Farbe {auf} den Charakter (Char.)
    der Person. Die weibliche Jugend hält {auf} Rosenfarb und Meergrün; das Alter
    {auf} Violett und Dunkelgrün. Die Blondine hat zu Violett und Hellgelb, die
    Brünette zu Blau und Gelbroth Neigung, und sämtlich {mit} Recht. Gebildete {Menschen}
    haben {einige} Abneigung vor Farben. Es kann dies {theils} {aus} Schwäche des Organs, {theils} {aus}
    Unsicherheit des Geschmacks geschehen, die {sich} gern ins völlige Nichts flüchtet. Die
    Frauen gehen jetzt fast {durchgängig} weiß, die Männer schwarz. Hat vielleicht der trübe
    nordische Himmel die Farben {nach} und {nach} vertrieben? Die sogenannten (sog.) Modefarben {sind} Schattirungen der
    {Hauptfarben}, und {sind} meistens {nicht} ohne Anmuth. Bei {ganzen} Farben kommen die Frauenzimmer
    {auch} in Gefahr, {eine} {nicht} {ganz} lebhafte Gesichtsfarbe {noch} {unscheinbarer} zu machen, daher
    schminken {sie} {sich} bei glänzenden Umgebungen. - Beurtheilung der Uniformen, Livreen
    und Kokarden {nach} {diesen} {Grundsätzen}; harmonische Farben {dürfen} {diese} Abzeichen {nicht} haben.
  • S. 315. Ästhetische Wirkung. Das Helldunkel ist unabhängig von Farben. Die Traube ist {ein}
    gutes {Beispiel} {eines} malerischen {Ganzen} im Helldunkel. Kunstwerke schwarz und weiß (z. B. Kupfer-
    stiche) haben wenig Gefälliges {fürs} Auge, indem {sie} nur {durch} {eine} gewaltsame Abstraction
    entstehen, obgleich {sie} schätzenswerth {sind}, insofern {sie} {sich} {mit} Form und Haltung beschäfftigen. {Überhaupt}
    strebten die {Menschen} in der Kunst instinctmäßig jederzeit zur Farbe. Zeichenlustige {mit} Kreide gehen vom
    weißen zum bunten Papier über.
  • Die Luftperspective ruht {auf} dem wichtigen Satz, daß alle {durchsichtigen} Mittel {einiger-
    maaßen} trübe {sind}. Die Atmosphäre ist immer mehr {oder} weniger trüb, besonders (bes.) in den
    südlichen {Gegenden} bei trockenem Wetter und wolkenlosem Himmel, wo {man} {eine} sehr merkliche Abstufung
    wenig {auseinander} stehender {Gegenstände} beobachten kann. {Diese} Abstufungen sieht der Maler bei
    den geringsten Abständen. Der Maler sehe ja {auf} die Stoffe der Gewänder bei den Farben.
  • S. 325. Das Charakteristische im Colorit hat 3 {Hauptrubriken}: das Mächtige, Sanfte und
    Glänzende. Jenes {erste} {wird} {durch} das Überwiegen der activen, das 2te {durch} das Überwiegen der
    passiven Seite, das 3te {durch} Totalität und Darstellung des {ganzen} Farbenkreises im Gleichge-
    wicht hervorgebracht. Der mächtige Effect {wird} erreicht {durch} Gelb, Gelbroth und Purpur ({auf} der + Seite)97.
    Wenig Violett und Blau, {noch} weniger Grün ist anzubringen. Der sanfte Effect {wird} {durch} Blau,
    Violett und Purpur ({auf} der Minusseite) hervorgebracht. Wenig Gelb und Gelbroth, aber viel
    Grün kann statt finden. Wenn {man} also {diese} {beiden} Effecte in ihrer vollen Bedeutung
    hervorbringen will, so kann {man} die gefoderten Farben bis {auf} {ein} Minimum {ausschließen}
    und nur so viel von ihnen sehen lassen, als {eine} Ahnung der Totalität unweigerlich zu
    verlangen {scheint}. - Die harmonische Wirkung entsteht aber nur dann, wenn alle
    Farben neben {einander} im Gleichgewicht angebracht {sind}. {Man} kann {hierdurch} sowohl das Glänzende
    als Angenehme hervorbringen, {welche} {beide} jedoch immer etwas Allgemeines (Allg.) und in {diesem} Sinne
    Charakterloses haben {werden}. Daher ist das Colorit der meisten Neuern charakterlos,
    denn folgend ihrem Jnstinct kommen {sie} nur auf die Totalität. Hat {man} {dagegen} jene {Grundsätze}
    im Auge, so läßt {sich} {für} jeden {Gegenstand} {mit} Sicherheit {eine} andre Farbenstimmung wählen. Doch
    die unendlichen Modificationen in der Anwendung gelingen nur dem Genie.
  • S. 328. Ton. {Ein} Bild von mächtigem Effect ist {mit} dem Durton der Musik, {ein} Gemälde vom
    sanften Effect {mit} {einem} Stück {aus} Moll verglichen. Der falsche Ton ist {ein} Schleier
    von {einer} {einzigen} Farbe über das {ganze} Gemälde, besonders (bes.) von Gelb, um das Bild {auf} die mächtige
    Seite zu treiben. {Ein} Gemälde, {durch} {ein} gelbes Glas gesehen, {erscheint} in {diesem} Ton, in {einer} Art
    Nachtbeleuchtung, Verdüsterung der Plusseite, Beschmutzung der Minusseite. Bunt {wird} {ein} Gemälde,
    wenn {man} bloß empirisch {nach} unsichern {Eindrücken} die Farben in ihrer {ganzen} Kraft neben
    {einander} stellt. Setzt {man} schwache, obgleich {nicht} widrige Farben {gegen} {einander}, so ist freilich der
    Effect {nicht} {auffallend}. {Man} trägt {seine} Unsicherheit {auf} den Zuschauer, der dann {auch} weder
    loben {noch} tadeln kann. Letzter Zweck. Nur {durch} {Übereinstimmung} des Lichtes und Schattens,
    der Haltung, der wahren und charakteristischen Farbengebung kann das Gemälde vollendet erscheinen.
  • S. 337. Beim allegorischen Gebrauch der Farben ist viel Zufälliges und Willkührliches,
    ja {man} kann sagen, Conventionelles, indem wir erst den Sinn des Zeichens wissen
    müssen, ehe wir {seine} Bedeutung kennen, z. B. Grün = Hoffnung. [Die Trauerfarbe ist bei Chinesen und Ja-panern Weiß, bei Türken, Syrernund Armeniern Himmelblau (wie der Ort,wohin die Seele {aufgestiegen} ist), bei denÄgyptern Gelb (wie trocknes Laub),bei den Europäern Schwarz, bei denFranzosen jedoch bis {auf} Karl IX Weiß.]98

[Schlußstrich]
den 21 Juli 1823.

Notes
1
Nicht in der GND.
1
Vgl. das Gedicht „Epirrhema“, WA I 3, S. 88.
2
Goethes Gedicht „Allerdings. Dem Physiker“, WA I 3, S. 105.
4
Vgl. Neues Testament, Mt 8,22
5
Vgl. Zur Farbenlehre. Didaktischer Teil. § 175, LA I 4, 71; kein wörtliches Zitat.
6
Newton 1704, 13: „Lights which differ in Colour, differ also in Degrees of Refrangibility.“
7
Newton 1704, 18: „The Light of the Sun consists of Rays differently Refrangible.“
8
Vgl. Baumgartner 1826. S. 690 beginnt der Abschnitt über den Regenbogen. Der Hinweis auf die Glaskugel S. 693.
9
„Das mag der Jude Apella glauben!“ mit dem Nachsatz „Ich nicht.“ Sprichwörtlich nach Horaz, Satiren 1,5 v. 100f.
10
Vgl. Reade 1814, 195; später nimmt er davon Abstand: Reade 1816, 210f.
11
Anspielung auf das Gedicht „Katzenpastete“; s. WA I 2, 200.
12
Vgl. Schultz 1823, insb. S. 23 (§ 10).
13
Vgl. LA_I_6, 6 u. 72
14
Vgl. die Einleitung zum Didaktischen Teil der Farbenlehre, LA_I_4, 18. Mit dem Mystiker meint Goethe Plotin.
15
Dt. Hain-Wachtelweizen, einjährige krautige Pflanze mit gelben Blüten und teilweise violett gefärbten Hochblättern an der Spitze des Blütenstands.
16
Am Rand neben doppelter Anstreichung: Hegel!
{sittlich}sinnlich]
{Einzelne}{Einzige}]
wir]
uns anschautanschauen, so schaut]
z.B. Lehre vom Stoß]
..]
aber]
ihm]
„So ergreifet ohne Säumen heilig öffentlich Geheimniß.“]
Natur]
„Jns Jnnre der Natur“ O du Philister! „dringt kein erschaffner Geist.“ Mich und Geschwister Mögt ihr an solches Wort Nur nicht erinnern. Wir denken: Ort für Ort Sind wir im Jnnern. „Glückselig, wem sie nur „die äußre Schale weißt!“ Das hör' ich sechzig Jahre wiederholen, Und fluche drauf, aber verstohlen; Sage mir tausend, tausend Male: Alles giebt sie reichlich und gern; Natur hat weder Kern Noch Schale, Alles ist sie mit einem Male; Dich prüfe du nur allermeist, Ob du Kern oder Schale seist!Goethes Gedicht „Allerdings. Dem Physiker“, WA I 3, S. 105.]
nicht]
Evolution]
der {göttlichen} Jdee]
Lehr]
ln]
esder Geist]
findenwenden]
absoluteabstracte]
(die Figuration)]
wodurch]
endlichermaterieller]
bloßen]
fall]
geschlossen, {sondern}]
und die Franzosen]
{überhaupt}]
r]
r]
un]
wie die Luft]
magnetische]
CAECBA]
BrechungswinkelNeigungswinkel gebrochenen Winkel (d. h. der Brechungssinus)]
TrübungErhellung]
erscheinen]
bei scheinender Sonne]
Seifenspiritus,]
giebtgeben]
(rein weiß)]
FinstreBlaue]
(so in Jtalien)]
fe]
Neumanns Versuch, Göthes Urphä-nomen {nach} Newtons Art zu er-klären, s. in Neumanns Physik II S. 328.]
schafftfaßt]
hat]
{man}Newton]
verschgleichen]
aber ungleichen Farbenerzeugung]
Kron-Crown]
(sprichspr. Kraun-)]
(das grünliche Glas)]
(das Krystallglas)]
Blei-]
Das Letzte erzeugt die Farben lebhafter.]
oder die Achromasie]
GlasWinkeln]
NB]
KronCrown]
(1757.)]
blaueschwarze]
erzeugt]
z. B. Biot]
DunklesHelles]
hellemdunkelm]
ViolettBlau]
Ficinus Optik. Dresden, Hilscher, 1828, S. 107.Der Regenbogen ist die Erscheinung eines {mit} pris-matischen Farben gefärbten Bogens {von} 2°16′Breite, er hat zum optischen Grunde einedunkle Regenwolke, worein die Sonne scheintsobald {sie} {nicht} über 42°2′ hoch steht.Seine Bogenkrümmung kommt von der Beschaffenheitder atmosphärischenatmosph. Luftschichtung und dem Sehe-kegel des Beschauers. Seine Farbenfelderstehn in der Ordnung, daß außen und oben Rothanfängt, Violett die Reihe beschließt.Jst er sehr lebhaft, so erscheint nebenbeiein blässerer von größerm HalbmesserHalbm.,dessen Farben in umgekehrter Ordnung stehn.Regengallen {sind} Stücke solcher Bogen. -Das Sonnenlicht {wird} in jeder Wasserkugelder Tropfenwand gebrochen, erreicht diehintere Wand der Kugel unter einemWinkel, der {daselbst} Spiegelung erzeugt;{dadurch} {zurückgeworfen}, erleidet es nun aber- malige Brechung, und tritt {aus} der Ku-gel in die Luft. Steht hier ein Auge,so gehn für {dieses} mehrere Felder desgefärbten Bildes verloren, nur der rotheRand erreicht es; von den Bildern dernächst tiefern Wassertropfen bekommtdas Auge nur das gelbrothe Feld zu sehn,von noch tiefern nur das Gelbe, dann das Grüne,Blaue, Violette. Dies läßt {sich} {durch} Glas-kugeln erweisen. (BaumgärtnersPhysik S. 690.Vgl. Baumgartner 1826. S. 690 beginnt der Abschnitt über den Regenbogen. Der Hinweis auf die Glaskugel S. 693.) Der 2te blassere Bogenist nur das abgespiegelte Bild des ersten,daher die verkehrten Farben. Auf hohen Bergenübersieht {man} {einen} größern Bogen; steht {man}über der Tropfenwand, z. B. bei Wasser-fällen, Mühlen, oder ist {dieselbe} demAuge nahe, so ist der Bogen kreisförmig. ]
von]
n]
{oder} {einem} Rande]
co]
durch]
RiedRead]
G]
{durchsichtige}]
a]
{wird}]
{wird}so]
der Sonne]
ein]
Farben]
es]
FB]
corechoro]
nicht]
(gelbe)]
man nimt polirten Stahl {aus} der Hitze, undsteckt ihn in Asche.]
{oder} blind]
{oder} von der Erde umgeben]
hierbei den Blumen]
{wird}wir]
(d. i. Violett und Gelbroth)]
hatkann]
strebt]
Cochenille]
Sie haben etwas Bedeu-tendes, aber {nicht} Befriedigendes.]
({auf} der + Seite)]
[Die Trauerfarbe ist bei Chinesen und Ja-panern Weiß, bei Türken, Syrernund Armeniern Himmelblau (wie der Ort,wohin die Seele {aufgestiegen} ist), bei denÄgyptern Gelb (wie trocknes Laub),bei den Europäern Schwarz, bei denFranzosen jedoch bis {auf} Karl IX Weiß.]]
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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. [1. Mai -] 7. August 1823. von Henning: Göthes Farbenlehre nach den Grundsätzen der Naturphilosophie. Z_1823-08-07_z.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1B19-9