Siebzehn bis dreissig

Ich kam einmal zu dem ersten Friseur der Residenz.

Es roch nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Prinzesses égyptiennes.

An der Kassa sass ein ganz junges Mädchen, mit hellblonden seidenen Haaren.

»Ah,« dachte ich, »ein Graf wird dich verführen, du Wunderschöne – – –!«

Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Wer du auch seist, Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«

Ich wusste es.

»Ah,« dachte ich, »es kann aber auch ein Fürst sein – – –!«

Sie heiratete einen Cafétier, der in einem Jahre zu Grunde ging.

Sie war gebaut wie eine Gazelle. Seide und Sammt erhöhten nicht ihre Schönheit – – am schönsten war sie wahrscheinlich nackt.

Der Cafétier ging zu Grunde.

Ich traf sie auf der Strasse mit einem Kinde.

Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Ich habe das Leben dennoch vor mir, das Leben, weisst Du das – –?!«

Ich wusste es.

[10] Ein Freund von mir hatte den Thyphus. Er war Junggeselle, reich und bewohnte die See-Villa.

Als ich ihn besuchte, machte eine junge Dame, mit hellblonden seidenen Haaren, die Eisumschläge. Ihre zarten Hände waren ganz aufgerissen vom Eiswasser. Sie blickte mich an: »Das ist das Leben – –! Ich habe Ihn lieb – –! Weil das das Leben ist – –!«

Als er genesen war, überliess er die Dame einem anderen reichen jungen Manne – – –.

Er trat sie einfach ab, ganz einfach – – –.

Das war im Sommer.

Später überfiel ihn die Sehnsucht – – im Herbst. Sie hatte ihn gepflegt, sich an ihn angeschmiegt mit ihrem süssen Gazellenleibe – – –.

Er schrieb ihr: »Komm' zu mir – – –!«

Eines Abends im Oktober, sah ich sie mit ihm in den wunderschönen Hausflur treten, in dem acht Säulen aus rothem Mamor schimmerten.

Ich grüsste sie.

Sie blickte mich an: »Das Leben liegt hinter mir, das Leben – –! Weisst Du das?!«

Ich wusste es.

Ich kam zu dem ersten Friseur der Residenz.

Es roch noch immer nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarrettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Princesses –.

An der Kassa sass wieder ein Junges Mädchen, mit braunen welligen Haaren.

[11] Sie blickte mich an mit dem grossen Triumphblick der Jugend – – – profectio Divae Augustae Victricis – – –: »Wer Du auch seist. Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«

Ich wusste es.

»Ah«, dachte ich, »ein Graf wird Dich verführen – – – es kann aber auch ein Fürst sein!«

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TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Wie ich es sehe. See-Ufer. Siebzehn bis dreissig. Siebzehn bis dreissig. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D92D-2