Cyclus: Gedichte an Ljuba

Was kann er für sie thun?!?

Was kann ich für Dich thun?!?
Ich kann auf dem Spaziergang Deinen Mantel tragen – – –
ich kann Dich, wie Du gestern schliefest, fragen – –.
Ich kann, wenn man Dir widerspricht, mit meinem Blicke sagen:
»Du hast Recht, nur Du!«
Ich kann, wenn Du nicht da bist, bedrückt und kränklich sein – – – –
ich kann vor Glück erbeben, trittst Du ein – –.
Ich kann mein Opernglas Dir leihen im Theater
und Komplimente über seine Tochter machen zu Deinem Vater.
Ich kann Dir süsse Mandarinen bringen
und manche kleine Aufmerksamkeit wird mir gelingen.
Mein Herz jedoch wird unerbittlich fragen, ohne zu ruh'n:
»Was kann ich für sie thun?!?«
[205]

Die ruhigen Stunden

Ich bin erstaunt über die ruhigen Stunden – – –
und dennoch kommen sie!
Wie eine Krankheit, die man überwunden – – –.
Man nennt den süssen wunderbaren Namen dann so sanft und klar:
»Ljuba – – –«
und weiss nicht mehr, dass er vor einer Stunde noch schwer und bitter war,
ein Schicksal in sich tragend,
kränkend, nagend!
Ich bin erstaunt über die ruhigen Stunden.
da bei Café, Cigarrette und der Presse
man wieder nimmt am Alltag Interesse.
»Wo wird sie sein und wie, was wird sie thun und lassen?!?
Trägt sie die blaue Seiden-Blouse, schläft sie gut?!?
Fühlt sie sich glücklich, fühlt sie sich verlassen?!?«
Bedrückende Gespenster-Fragen, sie verblassen
im Tageslicht des Alltags!
Und die Seele ruht – – –.
Ich bin erstaunt über die ruhigen Stunden,
da bei Café, Cigarrette und der Presse
man wieder nimmt am Alltag Interesse.
[206] Doch wie ein Fieber, das sich mälig kündet, heranschleicht aus den tiefsten Gründen kranker Herzen,
man war noch eben aufgelegt zu scherzen,
kommt nun die Unruhe, drückt dich nieder,
macht zur Moment-Tragödie den Alltag wieder!
»Wo wird sie sein und wie, was wird sie thun und lassen?!?
Trägt sie die blaue Seiden-Blouse, schläft sie gut?!?
Fühlt sie sich glücklich, fühlt sie sich verlassen?!?«
Und schmerzen wieder hundert Sehnsuchts-Wunden,
ist man erstaunt über die ruhigen Stunden!
[207]

Sehnsucht

Lieb' ich Dich?!? Lieb' ich Dich nicht?!?
Ich sehne mich nach Dir!
Beisammensein ist stumpfes todtes Glück,
lebendiges Glück jedoch ist nur mein Sehnen!
Wenn Du nicht da bist, schleicht das süsse Gift der Sehnsucht in mein Herz;
indem ich fühl', ich könnt' ihm nicht entrinnen,
fühl' ich erst meiner Liebe holde Kraft!
Denn Liebe ist das Unentrinnbare.
So mancher mag in Deiner süssen Nähe begeistert sein – – –
mich aber macht erst liebeskrank die Ferne!
Und misst der Andere seine Leidenschaft an hellem Glück des Nahe – Seins bei Dir,
mess' ich sie an der dunklen Sehnsucht nach der Fernen!
Wer trinkt, geniesst,
wer dürstet, liebt den Trunk!
Lieb' ich Dich?!? Lieb' ich Dich nicht?!?
Ich sehne mich nach Dir!
Beisammensein ist stumpfes todtes Glück,
lebendiges Glück jedoch ist nur mein Sehnen!
[208]

Ljuba

Die da nicht kommen an Deinen Tisch,
Die sind klüger als ich!
Die schützen sich!
Ich aber, gleich der Motte im Lichte,
mache meinen Selbsterhaltungs-Trieb zu nichte!
Ich will lieber in Licht und Hitze sterben,
als gesichert um Anna oder Grete werben!
Die da nicht kommen an Deinen Tisch,
Die sind dümmer als ich!
Sie schützen sich!
[209]

Das neue Kleid

»Kommen Sie morgen mich anschau'n in meinem neuen Kleid – – –!«
Ich aber war nicht dazu bereit.
Ich kam nicht Dich anzuschau'n in Deinem neuen Kleid.
Und es that mir gar nicht leid.
Hättest Du gesagt: »Morgen dürfen Sie meine Fingerspitzen berühren – – –«,
ich hätte die Nacht schlaflos verbracht,
hätte bei Schnee und Wind an deinem Thore gewacht,
hätte nichts gegessen, nichts getrunken,
wäre vor Sehnsucht umgesunken.
Oh Gott, wir leben doch im lebendigen Leben,
können daher es nicht billiger geben!
Für leeren Ritterdienst bin ich zu alt,
für echten Liebesdienst bist Du zu kalt!
Dein altes Kleid und Dein neues Kleid
schaffen mir nur Herzeleid!
Ein jedes Deine Schönheit barg
wie ein Sarg.
Hättest Du zu mir gesagt: »Morgen dürfen Sie meine Fingerspitzen berühren – – –«,
[210] ich hätte die Nacht schlaflos verbracht,
hätte bei Schnee und Wind an Deinem Thore gewacht,
hätte nichts gegessen, nichts getrunken,
wäre vor Sehnsucht umgesunken!
So aber warst Du gnädig wie alle Frauen:
»Sie dürfen mich morgen im neuen Kleid erschauen!
Da kam ich nicht.
Ich Wicht!
Ich dachte an Deine geliebten Finger
und von meiner Liebe nicht geringer,
trotzdem ich nicht kam, Lieblichste der Frauen,
Dich im neuen Kleide anzuschauen!
[211]

Und endlich stirbt die Sehnsucht doch

Und endlich stirbt die Sehnsucht doch – – –
wie Blüthen sterben im Kellerloch,
die ewig auf ein bischen Sonne warten.
Wie Thiere sterben, die man lieblos hält,
und alles Unbetreute in der Welt!
Man denkt nicht mehr; »Wo wird sie sein –?!?«
Ruhig erwacht man, ruhig schläft man ein.
Wie in verwehte Jugendtage blickst Du zurück,
und irgendeiner sagt Dir weise: »S' ist Dein Glück!«
Da denkt man, dass es vielleicht wirklich so ist,
wundert sich still, dass man doch nicht froh ist!

(Ende des Cyclus.) [212]


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Cyclus: Gedichte an Ljuba. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DA00-B