Costüme-Ball im Wiener Künstler-Hause
(Ausseer Tanzboden.)

Fräulein Valérie von H., Ausseer Dirn – – – hólóró ididlió idiâââââ!

Sie sitzt auf der Bank vor der Almhütte, athmet ruhig, schaut mit ihren braunen Augen so in einen gemalten dunstigen Sommernachmittag hinein, in tiefem Frieden. Nicht einmal ein Vogel singt. Die gemalten Fichten schlafen in der hellblauen Himmelsleinwand. Die abgeschnittenen Föhrenzweige in den Saalecken duften ziemlich naturgetreu.

Draussen übereilt sich der Ball, überstürzt sich und braust wie ein Fluss, welcher über ein Wehr kommt.

Wally, Friedevolle, Einfache – – –! Zum Niedrigen Erhöhte!

Und zu Hause hast Du Deine eleganten tiefen gelben Wäschekästen aus politirtem Eschenholz und Dein Bett aus glänzenden Messingstäben mit blauen seidenen Fütterungen! Wie eine verzauberte Prinzessin bist Du!

Die Clarinetten jauchzen; idia, idia, idia – – – idiá, idiá, idiá! Wie ein Vogel, welcher am Ende eines Zweiges sitzt, sich aufbläht und die Welt stürmisch begrüsst – – –!

[235]

Früh Morgens sitzt sie mit zwei Holzknecht-Burschen an einem Tischchen in einer dunklen Ecke beim cachirten Herde. Eine dünne Kerze brennt rothgelb. In fünf Stunden schreiben die zwei Burschen im Büreau: »Hochlöbliche Generaldirektion« oder: »In Erwiderung ihres Geehrten vom – –«.

Draussen braust der Ball und die dicken Bogenlampen regnen weisses Licht herab.

Auf dem Tischchen brennt ein dünnes Kerzchen rothgelb und Deine goldenen Haare schimmern, Wally!

Friede. Almfriede.

Wie ein heiliges Wehen ist es des Morgenwindes über den Zwergföhrwald.

Die Cigarretten wallen auf und nieder – – –.

Einer der Burschen sagt: »Singe, Wally – –!«

»Lass' sie, sie ist müd' – –« sagt der Andere und schaut auf ihre goldenen Haare.

So hocken sie still beieinander. Die dünne Kerze brennt rothgelb. Draussen tanzt der sterbende Ball Galopp, wie wenn ein Mensch in den letzten Zügen heftig, ungestüm athmete – – –.

Das Kerzchen brennt herab zu einem Stümpfchen.

»Das Licht geht aus – –« sagt einer der Burschen.

»Lass es – –« sagt der Andere, »Wally's Haare leuchten – –.«

»Stadtherr!« sagt Wally.

»Dennoch leuchten sie – – –.«

Wally begann zu singen im Finstern. Die Herren[236] stützten die Elbogen auf. »Wenn unsere Chefs uns jetzt sähen – – –!?«

Wally sang. Wie wenn ein Vogel am Ende eines Zweiges sitzt und die Welt begrüsst – – –!

Später fuhr sie mit ihrer Mama, in einen seidenen Mantel gehüllt, in einer Equipage nach Hause.

Die Burschen gingen durch die schlaftrunkenen Strassen und dachten: »Heute ist Bureau – – –.«

Einer fühlte: »Dennoch leuchten sie – – –!«

[237]

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TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Wie ich es sehe. Costüme-Ball im Wiener Künstler-Hause. Costüme-Ball im Wiener Künstler-Hause. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DA0D-2