Sanct Wolfgang

Station Zahnradbahn, Schafbergbahn.

Weisser dicker Schotter bis an die Wiesen der Bauernhäuser. Kleine dünne Ahornbäume sind [27] längs der Strecke hingepflanzt, mit Grasringen, auf welchen rothe Mohnblumen wachsen.

Die schiefe Lokomotive ist quasi zusammengeduckt, wie Einer, der sich grässlich anstrengt – – –

La femme incomprise mit den rothbraunen Haaren und dem seidenen lila-grün changirenden Kleide sass da und fuhr den Fichten-Berg hinauf und auf die gelblichen Alm-Wiesen mit dem Duft nach Ziegen, Kühen und feuchtem Moos, zwischen schwarzgrünen Legföhren hindurch bis dorthin wo das braunrothe Gerölle anfängt – – –. Sie sass da in ihrem lila-grün changirenden seidenen Kleide – – –.

Dann stand sie oben an dem Eisengeländer und sah auf die siebzehn Seen – – –.

Die Sonne ging unter und als Jemand sagte: »Der helle Streifen ist der Chiemsee – –«, sagte sie: »ah – – –?!«

Zwischen ihr, der lebendig gewordenen Natur und dieser todten im Abendglanze war keine Liebe – –!


Unten, an der Station der Zahnradbahn, auf dem weissen dicken Schotter, der wie ein Lammfell über den grünen Boden gebreitet schien, vor den kleinen dünnen Ahornbäumen mit den Grasringen, stand ein junges Mädchen mit einem weissen Flanellkleide und pflückte die rothen Mohnblumen – – –.

Sie sah dem kleinen zusammengeduckten Ungeheuer nach, das sich in den Fichten-Berg eingrub.

[28] Schreckliche Rauchwolken verbreiteten einen Gestank, wie ihn die Fabelthiere zurückliessen – – –.

Das junge Mädchen warf einen Blick auf den wunderbar reinen Berggipfel – – –.

Sie ging auf die Terrasse des Hôtels, band das dicke Mohnblumenbouquet an das seidene Moiré-Gürtelband und sass still da – –.

Sie sah auf das einfache Holzgeländer der Terrasse, das harzig duftete, auf das gelbe stille Stationsgebäude, auf den weissen Schotter längs des Bahngeleises, auf die mageren Ahornbäumchen mit den künstlichen Grasringen, auf den braunen Weg mit den gelblichen Birken, auf die Wiesen mit den schwarzen Maulwurfshügeln, auf die weisse Tafel »Station Zahnradbahn« – – –.

Dann sah sie zärtlich auf ihr Bouquet herab und ordnete es mit den wunderbar feinen Händen – –.

Zwischen ihr, der lebendig gewordenen Natur und dieser todten im Abendschatten war Liebe – – –!

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TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Wie ich es sehe. See-Ufer. Sanct Wolfgang. Sanct Wolfgang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DA13-1