Die Christnacht.
Eine Erzählung.

Die Christnacht bringt fast allgemein
den Kindern Spielwerk, Pfeffernüsse,
nebst tausend andern Näscherei'n,
und Mädchen oft verstohl'ne Küsse,
die mehr als Marzipan erfreu'n.
Frau Jobsten hatte einen Knaben,
so ohngefähr von sieben Jahr,
der kahler als Elias war,
und doch war sie an rauhen Gaben
an vielen Theilen ziemlich reich,
und manchen Nonnen ziemlich gleich,
die Mähnen statt der Locken haben. 1
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Die Christnacht kam nun auch heran,
Frau Jobsten lag bereits im Bette,
und nun erst dachte sie daran,
daß sie den kleinen kahlen Mann
zuvor noch zu beschenken hätte;
ganz nackend sprang sie aus dem Bette,
hob's Hemdchen auf und füllt' es dann
mit Nächerei'n und Spielwerk an,
und ging d'rauf zu des Söhnchens Bette.
Das Söhnchen aber war schon wach,
und als er nun den Purpurbach,
den Schilf von braunen Locken schmückte,
in seiner ganzen Pracht erblickte,
rief hastig der vergnügte Tropf,
und fuhr an ihren Marmorlenden
empor mit seinen kleinen Händen,
ist die Perück' für meinen Kopf?

Ung[enannt].

Fußnoten

1 Man sehe in den Gedichten im Geschmack des Grecourt: Das Zeichen am Leibe

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Anonym. Gedichte. Nuditäten oder Fantasien auf der Venusgeige. Die Christnacht. Die Christnacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DDC9-2