[111] Die verliebte sehnsucht.
1.
So kann ich länger doch nicht schweigen /
Mein hertze nimmt die sehnsucht ein /
Es wil sich fast zum tode neigen /
Und länger nicht mehr meine seyn /
Es sucht bey dir / mein kind / sein halb verlohrnes leben /
Ach! warum wiltu es ihm doch nicht wiedergeben.
2.
Man soll ja seinem nechsten dienen
In allem was geschehen kan;
Und ziehen gleich die klugen bienen
Den honig von den rosen an /
So muß der rose doch geruch und schönheit bleiben;
Der ruhm besteht auff dem / was andre leute gläuben.
[111] 3.
Da wird / was öffters voller Flecken /
Für rein und schöne doch geschätzt /
Und welche in der hoheit stecken /
Die werden unten angesetzt /
Was weiß der pövel denn / ob ich bey dir gewesen /
Weil man das ding ja nicht kan auf der stirne lesen.
4.
Sucht ihm ein storch zu seinen zeiten
Für schnee und kälte doch ein loch;
So kanstu mirs nicht übel deuten /
Ich suchte vor und suche noch /
Drumb laß mich / liebstes kind / nur endlich bey dir finden /
Die höle / die mein hertz vom froste kan entbinden.
5.
Und fürchstu etwan einen schaden /
Das früchte könten d'raus entstehn /
Damit dein schöner leib beladen /
Alsdenn zu winckel müste gehn /
So wird die schnöde furcht durch dieses leicht verschwinden:
Wer vor dem dorffe schiest kan keine scheun' anzünden.