Die glücklich gehobene Besorgniß.

Es war einmal ein Mädchen, aber wo,
Das weiß ich nicht, der Ort ist längst incognito
Vom Strom der Zeiten weggespület;
Dies Mädchen, das man dort das schöne Fiekchen hieß,
Hätt' man zu uns'rer Zeit gewiß
Für Geld gezeigt, denn man bedenk' nur dies:
Sie, die schon achtzehn Jahr' das schöne Fiekchen hieß,
Hatt' noch kein Tröpfchen von dem Honigseim gefühlet,
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Den Adams Bienchen einst in Evens Zellchen trug;
Und war dabei noch reich und klug,
Und hatte Freier mehr als g'nug.
»Wie ging's denn aber zu, war von den allen
Kein Einziger gemacht, im Ernst ihr zu gefallen?« –
Das nicht – allein weil sie mit aller Ehrbarkeit,
Ohn' irgend an ein Aergernis zu denken,
Jedweden, der sie bat, ihm Herz und Hand zu schenken,
Treuherzig frug, wie groß der Finger sei,
Der unentbehrlich ist zur Brautbetts-Nähterei?
Und keiner, weil die Herr'n aus Freiers-Prahlerei
Der Sache Maß und Ziel vergaßen,
In ihren Fingerhut, den sie durchaus
Nicht wollte weiten lassen,
So recht nach ihrem Sinn wollt' passen,
So wurde immer gar nichts d'raus.
Wie wird nicht der Bedenklichkeit
Manch sehr honettes Dämchen lachen,
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Das, salva fama jungfräulicher Schüchternheit,
In solchem Fall wohl nie die mind'ste Bangigkeit
Dem Bräut'gam merken läßt, ihn nicht timid zu machen.
Doch Amor, der nicht eher ruht,
Bis Mädchen Hand und Fingerhut
Und alles ihm geopfert haben,
Bracht' den Amynt auf eine List. Er meld'te sich
Und sprach: »O Schöne, wähle mich.
Dreifach hab' ich, was And're einfach haben,
Und hoff' gewiß, die kleinste dieser Gaben
Wird, wie für dich gemacht, so passend sein.«
Sie nimmt die Zeichnungen in hohen Augenschein,
Und wählt – hier hör' ich schon manch loses Mäulchen schrei'n:
»Sie wählt Amynten, denn das Dreifach ist behäglich,
Und solche Wahlgelegenheit nicht täglich.«
Allein, Mesdames, mit Gunst gesagt,
Nicht, weil das Dreifach ihr behagt,
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Nein, weil er fest ihr zugesagt,
Sich ganz allein des kleinsten zu bedienen,
Bloß aus der Ursach' wählt das gute Kind
Sich ihn, und der gefällige Amynt
Nahm auch den kleinsten nur von ihnen.
Man fand ihn hübsch – der Fingerhut ward feucht,
Und Fiekchen zischelte: »Den größeren – vielleicht,
Paßt der wohl auch.« – Er nimmt den Mittelfinger,
Und kitzelt frisch den Liebeszwinger;
Und aus natürlicher Erkenntlichkeit
Macht sich das Ringchen ziemlich weit.
»Ach Bester! seufzt sie jetzt, dir kann ich nichts versagen,
Wenn dir's gefällt, so magst du auch den größten wagen.«
Kaum sprach sie es, so steckt' er schon im Ziel,
Erregte aller Sinnen Mitgefühl,
Drang eifrig durch bis fast zum Herzen,
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Und Wollust half die Mannsgewalt verschmerzen,
Mit der er jeden Weg zum Innern auf sich schloß,
Als sich sein Balsam, der wie Milch und Honig floß,
In Fiekchens Rosenwunde goß.
Das durch und durch gutherz'ge Kind zerfloß
Und starb beinah' vor Lust; doch bald von neuen Flammen
Erweckt, erweitert g'nug vom warmen Balsamstrahl,
Und weil auch überdem die Wahl
Nur selten glückt ohn' viele Qual,
Sprach Fiekchen leise: »Ach, Amynth! ach! noch einmal,
Und wenn du kannst, bind' alle drei zusammen.«

Anonym. [234]

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TextGrid Repository (2011). Anonym. Gedichte. Nuditäten oder Fantasien auf der Venusgeige. Die glücklich gehobene Besorgniß. Die glücklich gehobene Besorgniß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DEDB-5