Die schöne Nacht.

Erhitzter Jüngling, höre du
Mir jetzt mit deiner Phillis zu!
Wie? Soll mich niemand weiter hören?
Ihr alten Buhler, die, wer Mitleid fühlt, beklagt,
Wenn euch, zum Opfer vor Cytheren,
Die frostige Natur den besten Dienst versagt,
Auch ihr gebt Acht, denn ich will dichten,
Die Schwachen männlich aufzurichten.
Ihr jungen Weiber horcht, denn euch steht mehr noch frei;
Ihr alten auch, doch seufzet stets dabei,
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Daß ihr nicht mehr erfahrt, was ihr, in jungen Jahren
Vielleicht genug, vielleicht auch nicht genug, erfahren.
Ihr schönen Mädchen, fliehet nicht,
Wenn's gleich der Vater sagt und auch die Mutter spricht:
Der Eltern Neid will nicht, daß ihr den Ursprung wisset,
Wie jeder Mensch aus Lust zur Lust entsprießet.
Hier weis' ich euch der Liebe Werkstatt an;
Verlaßt der kleinen Kinder Wahn.
Ein Löwenbild ist nie auf euch gesprungen,
Und das gemalte Meer hat keinen noch verschlungen.
Flieht, wenn ihr fliehen wollt, vor allem, was euch quält,
Doch nicht vor dem, der gäumelnd euch erzählt,
Der Männer Pflicht, der Weiber Freuden,
Was jene tun, was diese leiden.
Die süße Nacht brach ein, auf die seit langer Zeit
Sich Catulin geschont, sich Magdalis gefreut,
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Die sehnlich oft begehrte Nacht,
Die Mann und Weib und Kinder macht;
In der, trotz züchtigen und kläglichen Gebärden,
Die Mädchen erst entzückt und dann entjungfert werden;
Die Nacht, in der sich, mit der Eltern Segen,
Die Töchter zu den Männern legen.
Die holde Mutter gab jetzt den Gesetzen nach.
Sie leuchtete voran, bis in das Schlafgemach.
Die letzte Tyrannei noch liebreich auszuüben,
Befahl sie ihrer Magdalis,
Die schon mit Sittsamkeit die Kleider von sich schmiß,
Durch Widerspenstigkeit den Mann nicht zu betrüben.
Drauf drückte sie die Schlösser selber ab;
Schloß wünschend noch die Türe zu,
Von der sie, zu des muntern Paares Ruh,
Durchs Schlüsselloch den letzten Segen gab;
Und ließ, ihr Mütter, laßt es euch erbarmen,
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Ihr Kind, ihr einziges, in eines Mannes Armen.
Was machte Catulin mit seiner Magdalis?
Zum Weibe macht' er sie, dies wißt ihr schon gewiß,
Und wenn ich hier nichts mehr zu sagen hätte,
So sagt ich: Er und sie, sie legten sich zu Bette.
Allein, er hatte längst die Wollust ausstudiert;
Aus loser Zauberei, bei der man nichts verliert,
Wollt' er nicht übereilt zum schönsten Werke schreiten.
Nein, erst durch ein verliebtes Spiel,
Bevor er glühend auf die schönste Beute fiel,
Sie schöner noch zur Lust bereiten.
Hier stellet euch ein halb entkleidet Mädchen vor,
Das mit den Augen sich im Bette schon verlor,
Den Busen halb entblößt, halb eingeschnürt verwahrte,
Und schalkhaft, für die Männerhand,
Der Schnürbrust harten Widerstand
Zu kitzelnder Entkleidung sparte.
Hier war, o könnt' es doch geschehn,
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Den Anblick noch einmal zu sehn!
Damit ich euch recht abzuschildern wüßte,
Ihr' nur zum Reiz verschnürten Brüste;
Hier war der Becher voller Lüste
Gefüllt, wie Eva oft den Freudenbecher häuft,
Der, schweppernd voll, dennoch nicht überläuft,
Ein dünnes Röckchen, das den kleinen Bauch umfing,
Um den es mehr zur Lust, als zur Bekleidung hing,
Das kaum verbarg, was es bedeckte,
Zugleich verriet und auch versteckte,
Kurz: Liebe, Reiz und Recht und Nacht ...
Wozu wird nicht dadurch ein Catulin gebracht?
Klug und beglückt ist, der es auch so macht!
Jetzt küßt er sie, und küßt sie länger,
als kurz vorher. Ein sanfter Biß
Macht im voraus der schönen Magdalis
Schon alles, was sie wünscht, gewiß.
Jetzt wird's ihr um den Busen enger;
Jetzt macht ihr selbst der Wollust Hoffnung bänger,
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Jetzt wehrt sie sich, jetzt stellt sie sich auf einmal strenger,
Doch, weil er ihr nicht Zeit zu denken lassen muß,
So gibt er ihr voll Feuer Kuß auf Kuß;
Und küssend fängt er an, dürft' ich die Hand ihm führen!
Den Leib, den schönsten Leib, begierig aufzuschnüren.
Nur noch ein Knoten hält den Lauf
Verwegner Männerfinger auf.
Ein Knoten, den vielleicht der Mutter List erdachte,
Ein Knoten, den vielleicht der Mutter Neid bedachte.
Gewalt war hier der beste Rat,
Drum riß auch Catulin, klug wie ein Alexander,
Ich selber täte, was er tat,
Den Senkel gleich entzwei, die Schnürbrust voneinander,
Kurz, er empfing mit hohler Hand,
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Die kitzelnd sich gar bald noch tiefer wand,
Den Busen, der sich wogend teilte,
Und hüpfend ihm entgegeneilte.
Wie emsig ward die schöne Brust durchwühlt,
Wie heiß geküßt, wie oft befühlt,
Wie wild erhitzt, wie sanft geknippen,
Mit hungrigsaugenden, entbrannten Lippen,
Geprüft, bezogen und bekriegt,
Betriumphiert, noch eher, als besiegt.
Jetzt sah ihn Magdalis die eine Hand verschwinden,
Vielleicht das Röckchen aufzubinden?
Noch nicht. Im Augenblicke war,
Zu ihrer größten Lust, der Irrtum offenbar;
Diesmal blieb es unaufgebunden.
Denn, bei dem Bande selbst war seine Hand verschwunden.
Verschwunden? Wie? Ihr Schönen bleibt in Ruh.
Es ging hier ganz natürlich zu.
Weg war die Hand, das heißt: sie war nicht mehr zu sehen,
Was im Geheim mit ihr geschehen,
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Das sag' ich nicht; doch wenn ihr schärfer fragt,
So merkt: Es war, was man viel lieber tut, als sagt;
Was ihr viel lieber fühlt, als davon reden höret,
Was auch die Keuschesten empöret.
Das leichte Röckchen fiel herab,
Und weil er seiner Hand noch größre Freiheit gab,
So schmiegte sie sich bald an Hals und Busen fort,
Bald gaukelte sie spielend um den Ort,
Den wir stets in Gedanken meinen,
So oft wir einer Schönen Hand
Aus Ehrfurcht anzurühren scheinen,
Den schönsten Ort, den noch ein Zärtlicher gekannt;
Der Lieb' und Menschheit Vaterland,
Nach welchem wir uns oft in aller Stille sehnen,
Wenn wir die schweren Glieder dehnen.
Seht, wie der Glühende, nun halb berauscht,
Mit offnem und erhitztem Munde
An seiner Schönen Busen lauscht.
Gebt Acht! Nun ist sie ziemlich nah,
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Nun kommt sie gleich, nun ist sie da,
Die mächtige, die große Stunde.
Jetzt reißt sich Magdalis aus seinen Armen los,
Jetzt springt sie auf, verläßt den buhlerischen Schoß;
Sie eilt, sie flieht, jedoch nicht zu entfliehn,
Sie eilt, sich länger nicht der Wollust zu entziehn.
Verschmachtet fällt sie dort auf's weiße Lager nieder;
Er folgt und kommt und küßt die allerschönsten Glieder,
Betrachtet sie und küßt sie wieder.
Jetzt sinkt er nach; die Schöne zieht ihn hin.
Wie glücklich wird er nicht bezwungen!
Sie hält den heißen Arm um ihn geschlungen.
Nun spricht die stumme Rednerin,
Die Wollust, durch die Tat: die Lippen und die Zungen
Hat Liebe hier zum Küssen nur gedungen.
Ihr Mädchen, horcht! Die Schöne stöhnt und ächzt.
Der Jüngling kämpft und schnaubt und lechzt;
Nichts hält ihn auf, er folget nur,
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Die ihn schon lange rief, der Stimme der Natur;
Dem Drang des schäumenden, erhitzten Blutes,
Dem Übermute seines Mutes,
Und ... doch, ihr Schönen wollt, man soll euch alles sagen;
Die noch mehr wissen will,
Die zwinge sich und schweige still,
Sie kann ja doch den Dichter heimlich fragen.

J[ohann]. C[hristoph]. Rost. [12]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Anonym. Gedichte. Nuditäten oder Fantasien auf der Venusgeige. Die schöne Nacht. Die schöne Nacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DF74-3