Meine Philosophie.

Der ist ein Thor, der sich vermählt,
und sich ein einzig Mädchen wählt,
ich schwärme gern von Lipp' zu Lippe,
und hasse stetes Einerlei,
ich folge meinem Aristippe,
und wähl' von dreien Nymphen drei.
Mich soll kein Joch der Ehe binden,
ich bin ein Zögling der Natur,
ich will von jeder Blumenflur
für meine Locken Kränze winden,
bis meiner Jugend Rose bleicht,
das träge Alter mich beschleicht,
kein Bach mehr quillt, der Fluren wässert,
die lockichtes Gebüsch beschützt,
mein Pfeil nicht mehr die Nymphen ritzt,
und ihren Rosenmund vergrößert.
[147]
Ich will mich meiner Jugend freu'n,
nicht Sorgen stets auf Sorgen häufen,
und meinen Gram in deutschen Wein
im vollen Deckelglas ersäufen,
bis sich die Erde mit mir dreht,
sich mächtiger mein Busen bläht,
und ich in Venus Armen sinke
und dort an schleierloser Brust
den Rausch beglückter Liebe trinke.
Wenn ich, an deinen Arm geschmiegt,
o Dorilis, in stillen Hainen walle,
[148]
und von Cytherens Macht besiegt,
berauscht in deine Arme falle,
und sanft an deine Brust geschmiegt,
das Heiligthum der Aphrodite,
die purpurfarb'ne Rosenblüthe,
die im geweihten Dunkel liegt,
mit tausend Küssen überdecke,
und deinen reichgelockten Schooß
mit heißem Balsamthau beflecke,
der meiner Männlichkeit entfloß,
so fühl' ich ganz des Lebens Freuden,
so fühl' ich, was die Liebe heißt,
die heftig mich an deinen Busen reißt,
und werde nie den kalten Weisen meiden,
der mir von and'rer Liebe spricht,
und von des Griechen Heldenthaten,
denn solche Lieb' ist für Castraten,
und für den raschen Jüngling nicht.
Ich zähl' es mit zu meiner Pflicht
die Lust des Jünglings zu genießen,
[149]
und Amors heiligen Altar
mit Opferströmen zu begießen,
ihm bring' ich täglich Opfer dar.
Heut' wagt' ich es, von schmachtenden Agnesen
den keuschen Gürtel aufzulösen,
der noch bis jetzt kaum aufzulösen war.
Und morgen such' ich dann bei Phrynen
den Minnesold mir zu verdienen,
die schon die Kräfte der Natur
im tausenfachen Spiel erfuhr.
Doch still, es lauschen strenge Richter,
die insgeheim wohl mehr noch thun,
und hörten die's – dann weh dem armen Dichter,
fürwahr, sie würden eh'r nicht ruh'n,
bis daß er, baar von allem Ruhm und Ehre,
wie Doktor B – des Land's verwiesen wäre.

Ung[enannt]. [150]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Anonym. Gedichte. Nuditäten oder Fantasien auf der Venusgeige. Meine Philosophie. Meine Philosophie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DF85-E