24.
Gott der Gärtner

Die Erde ist ein Garten
Voll süßer Blümelein,
Gott selbst will ihrer warten
Und gerne Gärtner sein,
Will ihrer spät und früh
In frommer Treue pflegen,
Mit Sonnenschein und Regen
Und Tau erquicken sie.
Die erste Blum' vor allen
Das muß die Liebe sein,
Der Menschen Wohlgefallen,
Der Engel schönster Schein:
Sie ist die Rose rot
Und muß auf Dornen stehen,
Sobald die Winde wehen,
Ist ihre Schöne tot.
Die zweite, die Gott liebet
Nächst Liebe allerbest',
Ist, die das Gute übet
Und sich nichts merken läßt;
Ihr Name Demut heißt,
Auf Erden auch das Veilchen,
Sie blüht ein kurzes Weilchen
Und kaum die Blüte weist.
Der Glaube heißt die dritte,
Sie duftet nur bei Nacht
In aller Geister Mitte
Bei voller Himmelspracht:
[64]
Da tut das Herz sich auf
Der frommen Nachtviole,
Wann hell von Pol zu Pole
Sich schwingt der Sterne Lauf.
Auch Hoffnung ist nicht minder
Ein liebes Gotteskind,
Wohl liebstes seiner Kinder,
Die nur hienieden sind.
Schneeblümchen grün und bleich,
Holdselig von Gebärden,
Du bist ihr Bild auf Erden,
Kommst mit dem Lenz zugleich.
Auch du, die im Gemüte
Beständig ist und treu,
Du, aller Zeiten Blüte,
Mir lieb gegrüßet sei!
Merlblümchen frisch und bunt!
Beständigkeit soll leben!
O wolle Gott uns geben
Solche Lieb' zu jeder Stund'!
Und du, die auf dem Throne
Des Blumengartens sitzt
Und mit der weißen Krone
Gleich einem Engel blitzt,
O Lilie, Unschuld süß!
Du winkest lieb uns hinnen
Mit Herzen und mit Sinnen
Zurück zum Paradies.
Noch Blumen viel und Kräuter
Hat Gott der Gärtner mehr,
Wer sie erzählte weiter,
Zählt wohl den Sand am Meer:
Wieviel er ausgestreut,
Wie könnt' ich alle zählen
Die zarten Blumenseelen
Im bunten Sonnenkleid!
Sollt' ich mir eine nehmen,
Die Lilie müßt' es sein,
Steht wie ein Geisterschemen
Mit hellem Himmelschein;
[65]
Wehmütig geht ihr Blick
Empor zum Licht der Sterne,
Sie wäre gar zu gerne
Zum Vaterland zurück.
O Gärtner treu und milde,
Der alles kann und weiß,
Mach' mich zu ihrem Bilde,
Mach' mich so rein und weiß.
Dann kann ich droben froh
Als Lilienmädchen kommen
Und unter allen Frommen
In Unschuld blühen so.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Gedichte. Gedichte. Reime aus einem Gebetbuche. 24. [Die Erde ist ein Garten]. 24. [Die Erde ist ein Garten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-03FE-8