Das wackre Maidlein
Altes fliegendes Blat. Nürnberg bei Valentin Neuber, 1500.
Es war ein wacker Maidlein wohlgethan,
Sie ging an ihres Vaters Zinne stahn,
Sie sah daraus,
Sie sah dahere reiten
Ihrem Herzen einen Trost.
Ach Maidelein voll der Wonne,
Falbet euch die Sonne,
Daß ihr seyd worden bleich,
Hat euch ein andrer lieber dann ich,
Das reuet mich.
Warum sollt ich nicht werden bleich,
Ich trag alle Tag groß Herzeleid,
[209]Allein schöns Lieb um dich,
Daß du mich verkiesen willt,
Das reuet mich.
Warum sollt ich dich verkiesen,
Ich hab dich noch viel lieber
Als alle Freunde mein,
Ach Maidelein laß dein Sorgen
Und folge du mir.
Worin ging sie ihm entgegen?
In eim seiden Hemdlein war wohl genäht,
Das war so fein,
Darin ging sie geschnüret
Das wacker Maidelein.
Er nahm sie bey ihrer schneeweißen Hand,
Er führt sie durch den grünen Wald,
Da brach er ihr einen Zweig,
Sie küsset ihn auf seinen rothen Mund,
Das wackre Maidelein.
Und da es kam zur halben Mitternacht
Der gute Held nahm Urlaub von der Magd,
Derselbig gute Held
Die Treu, die er ihr gelobet hat,
Die hielt er nicht.
Und wär ich weisser denn ein Schwan,
Ich wollt mich schwingen über Berg und tiefe Thal,
Wollt fahren über'n Rhein,
Und wüßten das all die Freunde mein,
Sie sängen mir ein Liedelein.
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