Der Wilddieb

Romanze.


Die Mutter hat schon lang' geschaut
Von ihrem Giebelfenster,
Als kaum der Morgen hat gegraut,
Es weckten sie Gespenster:
Der Mann, der Sohn, sie blieben aus,
Sie wollten Abends schon nach Haus.
Da naht der Sohn, sie lacht ihn an,
Er keucht mit schwerem Ranzen;
Sie räth, was ihm so lasten kann,
Was nach der Pfeif' muß tanzen:
Ob Hirsch, ob Reh im Tanze fiel?
Sie holet Wein zum Freudenspiel! –
Der Sohn schleicht scheu und denkt der Noth,
Die Nachts von ihm bestanden,
Wie viele Jäger ihn bedroht,
Im Dunkel ihn nicht fanden;
Der Vater nur, der konnt nicht mit,
Der rief zu ihm die letzte Bitt'.
Der Vater scheut die lange Haft,
Fällt er in Jäger-Hände,
Erloschen war der Füße Kraft,
Der Augen Feuer-Brände;
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Vom Sohn erfleht er schnellen Tod,
Der wartet bis zum Morgenroth.
Der Sohn kann fliehen, doch er harrt,
Daß sich der Vater stärke,
Sein Fuß scharrt leis, sein Auge starrt,
Daß es der Vater merke:
Kein Jäger weicht von seinem Ort,
Sonst trüge er den Vater fort.
Der Fuchs, wenn ihn das Eisen fängt,
Beißt ab die eignen Glieder;
Die gleiche Noth ihn jetzt umdrängt
Und das Gesetz der Brüder:
»Wer lebend fällt in Jägers Hand,
Den tödte, wer ihm noch verwandt.«
Sein Kopf wird heiß, kein Thau ihm sinkt,
Die Nacht ist so verflossen,
Der Vater kniet, als Morgen blinkt,
Der Sohn hat abgeschossen,
Und wie der Vater niederfällt,
Die Jäger fliehn, die ihn umstellt.
Sie meinen all ein Jäger, that's
Und scheun des Sohnes Rache,
Durch Zeichen sind sie eines Raths,
Sie fliehn, als ob ein Drache
An ihre Fersen sei gebannt,
So sind die Jäger fortgerannt.
Des Vater Ehr' bedenkt der Sohn,
Daß ihn nicht fressen Raben,
Daß ihn die Fremden nicht mit Hohn
In Kirchhofseck begraben:
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Er sackt ihn ein und hebt ihn auf
Und eilt nach Haus im schnellen Lauf.
So tritt er zu der Thüre ein,
Die Mutter fröhlich winket:
»Heut muß es reiche Beute sein,
Das Blut schon fernhin blinket!
Da, Mutter, nehmt sie heut für euch,
Ich brach mir keinen grünen Zweig.«
»Spart auf den Wein zum Todtenmahl,
Das Ehbett macht zur Bahre,
Wascht Vatern rein vom blut'gen Strahl,
Daß keiner es erfahre,
Das beste Hemde zieht ihm an
Und sprecht, es starb am Schlag der Mann.
Ihr sorgt für Schmaus und ehrlich Grab,
Für Gäste will ich sorgen,
Die Büchs schoß manchen Vogel ab,
Die Freunde Kugeln borgen:
So viele Jäger uns umstellt,
So viele sind zum Schmaus gesellt.
Ich ruf' die Freund' um Hülfe an,
Daß ich bald fertig werde,
Die Jäger treff ich Mann für Mann
Rings an des Försters Heerde:
Durch's Fenster schießen wir hinein,
So lang' sich reget ein Gebein.«

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Der Wilddieb. Der Wilddieb. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1165-B